Das Gerücht stimmt also: Das Designer-Duo Viktor & Rolf führt diesen Vormittag persönlich durch die Ausstellung in der Kunsthal Rotterdam, die einen Überblick über ihr Modeschaffen der letzten 25 Jahre geben soll. Eigentlich gelten die beiden als wortkarg, Fragen beantworten sie gerne mit einem Satz oder überhaupt nur mit Ja oder Nein. Aber da stehen sie vor ihren Kleidern, wirken ein wenig verloren, aber gut gelaunt.

Sie halten sich an ihren Kaffeetassen fest: "Es ist schon der zweite heute", gesteht Viktor Horsting erstaunlich kommunikativ. Während Rolf Snoeren damit beschäftigt ist, seinen Dackel bei Laune zu halten, der überhaupt keine Lust auf einen Museumsbesuch hat. "Sie heißt Little Swan und ist schon sehr alt", erklärt er. Irgendwie wirken die beiden in ihrer sympathisch-schrulligen Art selbst wie Kunstwerke, wie die holländische Ausgabe von Gilbert & George.

Die niederländische Prinzessin Mabel mit Viktor Horsting und Rolf Snoeren anlässlich der Eröffnung der Ausstellung in Rotterdam.
Foto: apa/afp/remko de Waal

Die Schau "Viktor&Rolf: Fashion Artists 25 Years" (zu sehen bis 30. September) ist eine faszinierende Mode-Wunderkammer, die beweist, dass Fashion mehr sein kann als praktische Kleidungsstücke. Das Label steht für Theatralik mit stringenten Konzepten, für Modenschauen mit starkem Performance-Charakter, für extravagante Kleider, die wie Skulpturen aussehen und perfekt ins Museum passen, weil sie die Grenzen zwischen Kunst und Mode infrage stellen.

Im ersten Raum ist eine ihrer bekanntesten frühen Shows mit dem Titel "Russian Dolls" zu sehen: Für Herbst 1999 stand auf dem Laufsteg nur ein Model, das sich auf einer Plattform drehte. Die beiden Designer zogen die Frau an, ein Kleid über dem anderen, bis sie am Ende so bewegungsunfähig wie eine Babuschka-Puppe aussah.

Rundgang mit den Designern durch die Ausstellung.
Foto: apa/afp/remko de Waal

Im selben Raum findet sich auch ein weniger bekanntes Werk, das aber schön erzählt, wie gewitzt ihr Zugang zu Mode mitunter ist: Die Installation "Le Parfum" von 1996 zeigt Parfumflakons. Sie sind versiegelt und lassen sich nicht öffnen, bleiben ewig ein "Versprechen, das sich nicht einlöst", was auch als ironisches Statement zum Fashion-Branding verstanden werden kann.

Viktor ergänzt: "Wir waren damals jung und wollten unbedingt ein Parfum, so haben wir einfach eine Realität hergestellt, die es nicht gab." 2005 legten sie dann ihr erstes echtes Parfum in Kooperation mit L'Oréal vor: den üppigen Bestseller "Flowerbomb".

Die Ausstellung zeigt aber auch Beispiele ihrer "Wearable Art"-Kollektion von Winter 2015/16, in der Gemälde zu tragbaren Kleidern wurden, an den Wänden hängen als Tapeten frühe Skizzen und Entwürfe der Designer. Viktor & Rolf staunen selbst, was sie da gezeichnet haben, vor allem über die Telefonnummern und Internetadressen. Die beiden tuscheln amüsiert und fotografieren sie mit ihren Handys ab.

1996 erdachten Viktor & Rolf ein imaginäres Parfum (Bild), 2005 kam der Duft "Flowerbomb" heraus.
Foto: Kunsthalle Rotterdam

Unbeschwerter Zugang zur Mode

Wir wollen nicht zwanghaft lustig sein", sagt Viktor im Gespräch nach dem Rundgang. "Aber wir möchten unbeschwert an die Mode herangehen." Die beiden sind auch in Interviews perfekt eingespielt. Rolf ergänzt: "Schönheit beginnt für uns mit einem schönen Gedanken. Es geht auf jeden Fall nicht um guten Geschmack." Gerade dieser überraschende, oft auch irritierende Blick macht ihre Shows, die raffinierte Gesamtkunstwerke sind, so ungewöhnlich. Seit 2016 machen sie ohnehin nur mehr Haute Couture, was im Grunde auch besser zu ihnen passt.

"Bei Haute Couture haben wir mehr Zeit, etwas auszuprobieren", erklärt Rolf. Ähnlich wie ihr Kollege Jean Paul Gaultier waren sie müde, den zwanghaften Abläufen von Ready-to-wear unterworfen zu sein und in kurzer Zeit viel verkaufen zu müssen. Sich auf den Luxus der Haute Couture zurückzuziehen ist sinnvoll, wenn man starke Parfums im Sortiment hat, die eine Art finanzieller Treibstoff sind. Die exzentrischen Modeentwürfe sind in den sozialen Medien präsent, sie sind Stoff zum Träumen, der das Label für Kundinnen begehrenswert macht, auch wenn sie dann ohnehin nur das Parfum erwerben.

Die Designer mit Dackel "Little Swan".
Foto: RVDA

Im Grunde sind Viktor & Rolf ein eigenständiger Planet, der erstaunlich wenig an die Modewelt angedockt ist. Als in den 1990er-Jahren Grunge und Minimalismus angesagt waren, fuhren die beiden gigantische Roben auf, die gar nicht zum Zeitgeist passten. War es denn schwierig, 25 Jahre im Modebusiness zu überleben, wenn man selbst eher introvertiert ist? "Unsere Arbeit ist nicht schüchtern, ganz im Gegenteil", kontert Viktor. Und Rolf sagt: "Es ist schon eine Art Wunder, dass wir das geschafft haben. Gerade am Anfang war es schwierig." Dann schweigen beide wieder. Und Little Swan möchte eigentlich auch heimgehen. (Karin Cerny, RONDO, 14.8.2018)

Kunsthal Rotterdam

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