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Mehr Arbeit bedeutet weniger Schlaf und weniger Freizeit, die Folge sind Erschöpfung und soziale Unzufriedenheit.

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Für die meisten von uns besteht der Tag aus drei Teilen: acht Stunden Schlaf, acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit. Wer diese Grundstruktur verändere, müsse mit Konsequenzen rechnen, sagt Daniela Haluza vom Zentrum für Public Health der Med-Uni Wien. Mehr Arbeit bedeutet weniger Schlaf und weniger Freizeit, die Folge sind Erschöpfung und soziale Unzufriedenheit.

Vor allem die Wiederholung sei das Problem, weiß Haluza. Mit ihrem Kollegen Gerhard Blasche hat sie die Belastung von Altenpflegern in Seniorenwohnheimen in Nieder- und Oberösterreich an Zwölfstundentagen untersucht. Das Ergebnis: Der Ermüdungszuwachs während eines solchen Dienstes ist dreieinhalb mal höher als an einem arbeitsfreien Tag. Und: Wer an zwei Tagen hintereinander zwölf Stunden arbeitet, bei dem reicht die Erholung am Tagesrand nicht aus, um die Ermüdung auszugleichen. Eigentlich müsste man danach drei Tage freinehmen, um sich vollständig zu erholen.

Erholung aufgeschoben

Die Regeneration wird auf das Wochenende verschoben – diese Strategien von Arbeitnehmern kennt auch der Neurologe Wolfgang Lalouschek. Der Achtstundentag hat für ihn Berechtigung. "Sechs Stunden pro Tag wären noch besser, wenn man Familie hat, ansonsten kommt die Erholung viel zu kurz. Die Verpflichtungen enden bei vielen schließlich nicht mit dem Beruf." Lalouschek weiß durch Messungen der Stressverarbeitung bei Menschen, die stundenweise zu wenig Zeit für Erholung haben, dass sie im vegetativen Nervensystem gesundheitskritische Werte zeigen.

Auch die Qualität der Arbeit leidet: Nach sechs Stunden nehmen die kognitiven Fähigkeiten ab. "Tätigkeiten, für die wir Grips brauchen, sind dann kaum noch durchführbar", sagt Lalouschek, und Haluza weiß: "Nach acht bis zehn Stunden ist so gut wie jeder Mensch geistig und körperlich erschöpft." Die Erschöpfung könne zwar durch Willenskraft überwunden werden, dafür brauche es aber noch mehr Anstrengung.

"Das ist dann auch der Moment, in dem man durch die Müdigkeit 'schludrig' und unaufmerksam wird." Fehler und Unfälle sind die Folge, teils mit gravierenden Auswirkungen: "Dann verwechselt ein Spitalsmitarbeiter Medikamente oder ein Arbeitnehmer hat auf dem Heimweg einen Autounfall", nennt die Medizinerin zwei Szenarien.

Sie macht aber noch auf einen weiteren Umstand aufmerksam, der in der Diskussion häufig vergessen wird: das soziale Gefüge. Wer abends, am Wochenende oder in der Nacht arbeiten muss, der verpasst Grillfeste, Hochzeiten oder gemeinsame Zeit mit den Kindern. "Man arbeitet gegen den Rest der Familie, gegen den Mainstream. Betroffene müssen nicht nur das Mehr an Arbeit kompensieren, sondern auch verkraften, dass sie nicht dabei sein können."

Tückischer Trugschluss

Und was ist mit Arbeitnehmern, die gerne geblockt arbeiten, um dadurch längere Freizeitphasen zu haben? "Die Möglichkeit, länger zu arbeiten, kann auch positiv sein, weil sie zu mehr Flexibilisierung führt – vorausgesetzt, die Mitarbeiter machen es freiwillig", so Lalouschek. Haluza sagt, dass viele hier einem Trugschluss unterlägen. "So entsteht nicht mehr Freizeit. Wer Arbeit blockt, braucht sogar noch mehr Erholung." Hinzu kommt, dass die Betroffenen durch die angestaute Ermüdung die "verlängerte" Freizeit oft nicht richtig genießen können.

Viele große, empirische Studien zeigen: Wer jahrelang 50 oder mehr Stunden pro Woche arbeitet, hat ein erhöhtes Risiko für psychische Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Kopfweh und Erkrankungen des Bewegungsapparats. Andere Studien hingegen zeigen, was auch die Experten empfehlen: Wird die Arbeitszeit in Unternehmen bewusst reduziert, sinkt automatisch die Zahl der Krankenstände. (Bernadette Redl, 20.6.2018)