Wie viele Mädchen verschleiert sind, weiß niemand. Im April hat das Bildungsministerium Zahlen angekündigt, bis heute ist nichts passiert.

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Erst passierte eine Weile lang nichts, dann musste es plötzlich sehr schnell gehen, und jetzt ist wieder Stille eingekehrt: Das Kopftuchverbot an Kindergärten und Schulen, für das die Bundesregierung eigentlich vor den Sommerferien einen Entwurf präsentieren wollte, scheint noch länger auf sich warten zu lassen. Auf eine STANDARD-Anfrage hin heißt es im Bildungsministerium, man sei derzeit noch "in Gesprächen" mit Außen-, Frauen- und Familienministerium, Ergebnisse könne man aber noch nicht vorlegen. Auch auf einen Zeitplan will man sich im Büro von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) noch nicht festlegen. Wann das Kopftuchverbot für Mädchen tatsächlich in Kraft treten soll, steht also in den Sternen. Es sei eben "ein ziemlich komplexes Thema", das viel Zeit brauche, sagt die Ministeriumssprecherin.

Verhandlungssache

Komplex könnten auch die Verhandlungen mit den unterschiedlichen Beteiligten werden. Für die Volksschulen brauchen ÖVP und FPÖ nur eine einfache Mehrheit im Nationalrat, können das Verbot also allenfalls allein beschließen. Anders in den Kindergärten: Diese sind Ländersache, das Kopftuchverbot müsste also in einer Bund-Länder-Vereinbarung verankert werden.

Auch Gespräche mit den Bundesländern seien derzeit im Gange, heißt es im Bildungsministerium. Im SPÖ-regierten Bundesland Wien zeigt man sich darüber verwundert: Bis dato sei noch überhaupt nicht über ein Kopftuchverbot gesprochen worden, heißt es im Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) auf STANDARD-Anfrage. Es gebe zwar derzeit Verhandlungen auf Beamtenebene über drei verschiedene Bund-Länder-Vereinbarungen im Schul- und Kindergartenbereich, bei der letzten Verhandlungsrunde Ende Mai sei das Thema Kopftuchverbot aber "mit keinem Satz erwähnt worden", sagt eine Sprecherin von Stadtrat Czernohorszky.

Ursprünglich hatte sich Faßmann eher skeptisch gezeigt, was ein Kopftuchverbot anbelangt. Anfang April trat er dann mit der überraschenden Ankündigung vor die Medien, dass er von der Regierungsspitze "den Auftrag erhalten" habe, ein solches Verbot ausarbeiten zu lassen. Unabhängig vom Verbot wollte Faßmann zudem bis zum Sommer erheben lassen, wie viele kleine Mädchen überhaupt derzeit in der Schule oder im Kindergarten mit einer Verschleierung erscheinen. Doch auch daraus wurde nichts, wie eine Sprecherin Faßmanns bestätigte.

Protest der Islamvertreter

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hat für den Fall, dass das Kopftuchverbot jemals in Kraft tritt, jedenfalls angekündigt, sich mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu wenden. Man sehe ein solches Verbot als rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf freie Religionsausübung.

Bald nach der Ankündigung der Regierung, dass man ein Kopftuchverbot ausarbeiten werde, gaben Verfassungsjuristen unterschiedliche Einschätzungen darüber ab, ob ein solches Verbot verfassungswidrig wäre oder nicht. Die Regierung sieht keinen Konflikt mit der Religionsfreiheit, weil es im Islam ja gar kein Gebot gebe, das Kinder im Kleinkind- und Volksschulalter eine Verschleierung tragen müssen. Jenen Eltern, die ihren weiblichen Kindern dennoch ein Kopftuch aufzwingen, gehe es also gar nicht um die Religion, sondern um eine kulturelle Tradition anderer Art, so die Argumentation. Insofern könne sich niemand auf die Religionsfreiheit berufen.

Namhafte Verfassungsjuristen sahen das im STANDARD-Gespräch anders: Da die Regelung nur muslimische Kinder betreffe, ziele das Verbot sehr wohl auf eine Religion ab. Zudem könnte es diskriminierend sein, muslimischen Mädchen Kopfbedeckungen zu verbieten, jüdischen Buben aber nicht.

Die Bundesregierung hatte zuvor mehrmals betont, kein allgemeines Verbot religiöser Kopfbedeckungen von Kindern einführen zu wollen, sondern mit dem geplanten Gesetz nur auf muslimische Mädchen abzuzielen. (Maria Sterkl, 3.7.2018)