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Als im März dieses Jahres im slowenischen Kranj das erste Bitcoin-Denkmal der Welt eingeweiht wurde, hatte der Abwärtstrend bereits lange Schatten auf den Markt für Kryptowährungen geworfen.

Foto: REUTERS/Borut Zivulovic

Knapp zehn Jahre nach ihrer Erfindung haben Kryptowährungen in Österreich zwar einen hohen Bekanntheitsgrad, kämpfen aber nach wie vor um die Akzeptanz in der Bevölkerung. Fast vier von fünf Erwachsenen haben zwar schon davon gehört, aber nur acht Prozent besitzen bereits Bitcoin oder ein Pendant. Auf längere Sicht geht ein knappes Fünftel davon aus, zu einem späteren Zeitpunkt Kryptowährungen zu erwerben. Das ergibt eine Studie der ING-Diba, die in 13 europäischen Ländern sowie den USA und Australien durchgeführt wurde.

Mit diesen Werten liegt Österreich beim Bekanntheitsgrad an der Spitze der Untersuchung, im Mittelfeld beim Besitz, ist aber besonders skeptisch das Potenzial von Bitcoin betreffend. Bloß 20 Prozent der Österreicher sehen in dem Kryptogeld die Zukunft des digitalen Zahlungsverkehrs, während im europäischen Durchschnitt mit 35 Prozent ein deutlich höherer Anteil daran glaubt.

Zulauf in Krisenländern

Auffallend sind in der Studie die herausragend hohen Umfragewerte in der Türkei, wo die trudelnde Landeswährung Lira gegenüber dem Euro derzeit um ein Viertel weniger wert ist als noch vor einem Jahr. Dort verfügen bereits 18 Prozent über Kryptowährungen, und 45 Prozent planen dies für die nähere Zukunft. "Kryptowährungen haben wahrscheinlich eine vielversprechende Zukunft in Ländern, in denen das traditionelle Finanzsystem weniger effizient oder teurer ist", sagt Teunis Brosens, Chefvolkswirt der ING.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Analyst Mati Greenspan vom Onlinebroker eToro. Er hebt hervor, dass in Argentinien und im Iran, wo es wegen der wirtschaftlich angespannten Lage beider Länder unlängst zu Protesten gekommen sei, die Bitcoin-Akzeptanz steige: Als Alternative zum derzeitigen Währungssystem "können digitale Vermögenswerte vor allem dort eine stabile Währung abseits der Kontrolle von Regierungen und Banken sein, wo hohe Inflation herrscht". Damit wäre übrigens ein Einwand hartnäckiger Kritiker zumindest teilweise widerlegt, die Bitcoin nicht als Geld ansehen, da es wegen der hohen Kursschwankungen nicht zur Wertaufbewahrung tauge.

Wobei es bei den Kryptowährungen an Kurskapriolen, zumindest in der Leitwährung Dollar betrachtet, nicht mangelt. Der sagenhafte Höhenflug des Vorjahres, der Bitcoin im Dezember bis auf das bisherige Rekordhoch von 19.843 Dollar geführt hatte, wandelte sich bis Mitte 2018 in einen regelrechten Bärenmarkt, wie eine lang anhaltende Phase sinkender Kurse genannt wird. Die gute Nachricht für Anhänger der Kryptowährung: Mit einem Verlust von ziemlich genau zwei Dritteln auf derzeit 6589 Dollar seit dem Höchstwert dürfte kursseitig wohl ein großer Teil des Abwärtspotenzials bereits ausgeschöpft sein.

Allerdings, so die weniger gute Nachricht, gibt es noch keine Anzeichen einer dauerhaften Wende nach oben. Weiterhin trägt jeder Abwärtsschub den Preis auf niedrigere Zwischentiefs, eine Bodenbildung ist im Kursverlauf bisher nicht auszumachen. Zuletzt hatte im Juni das Schwingen der regulatorischen Keule in Staaten wie Südkorea, wo vergangene Woche strengere Richtlinien zur Geldwäschebekämpfung eingeführt wurden, zu einem Ausverkauf geführt. Auch in der ING-Umfrage herrscht hinsichtlich der Kurserwartungen ein pessimistischer Grundton. Dass der Wert von Kryptowährungen bald wieder steigt, glauben im europäischen Mittel 35 Prozent, in Österreich sind es gar nur 21 Prozent.

Mit Kurssprung ins Halbjahr

Dabei hat sich der Bitcoin-Kurs innerhalb zweier Jahre immer noch fast verzehnfacht, zumal das zweite Halbjahr mit dem stärksten Kurssprung seit April begonnen hat. Auslöser war ein Bericht der Financial Times, wonach erwartet wird, dass die Schweizer Regierung und die Aufsicht in den nächsten Monaten alle Hindernisse aus dem Weg räumen wollen, um im Bereich der Kryptowährungen tätigen Unternehmen vollen Zugang zum eidgenössischen Bankensystem zu gewährleisten.

"Ich lese aus dieser Kursrallye nicht allzu viel heraus", drosselt aber Geschäftsführer Kyle Samani von Multicoin Capital die Erwartungen. Der Markt für Kryptowährungen sei eben sehr stark schwankend. Zudem sind die Handelsumsätze laut dem Handelsplatz Bitstamp im Juni auf den tiefsten Stand seit über einem Jahr gefallen – und in umsatzschwachen Märkten fallen Kursausschläge generell stärker aus.

Ebenso ungewiss wie die weitere Kursentwicklung von Bitcoin ist auch der Ursprung. Denn der Schöpfer, der im November 2008 das Konzept der ersten Kryptowährung veröffentlicht hat, ist bis heute nur unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt. Wobei nun im Internet Neuigkeiten aufgetaucht sind, und zwar in Form eines 21-seitigen Papiers mit dem Titel "Duality", das von Nakamoto stammen soll.

Rückkehr des Erfinders

"Dabei handelt es sich offenbar um einen Auszug aus einem bald erscheinenden Buch", erklärt Analyst Greenspan. Allerdings räumt er ein, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass es sich beim Autor tatsächlich um den Bitcoin-Erfinder handelt. Sollte dies aber zutreffen, könnte der Markt erbeben. Denn Nakamoto hat Schätzungen zufolge rund eine Million Bitcoins angesammelt, die ihn zum Dollarmilliardär machen würden, aber schon seit etlichen Jahren nicht mehr angefasst wurden – sowohl er als auch die Bitcoins gelten als verschollen. Sollte Nakamoto doch eines Tages nur einen Teil davon versilbern wollen, droht bei einem Umlauf von derzeit 17,1 Millionen Bitcoins ein veritabler Kursrutsch. (Alexander Hahn, 5.7.2018)