Bild nicht mehr verfügbar.

Kann ich´s mir leisten zu wechseln – oder einfach nur raus zu gehen?

Foto: Picturedesk

Glückskinder sind selten. Der Berufseinstieg gelingt oft nur holprig. Der Job läuft nicht so, wie man es sich erhofft hat. Die letzten Berufsjahre werden zur Tortur. Im Lebensabschnitt 50 plus verliert man einen gutbezahlten Job. Selten gelingt zu diesem Zeitpunkt noch ein gleichwertiger Anschluss, sowohl finanziell als auch fachlich. Ist es einfach Glück, wenn es im Beruf läuft, oder liegt es an etwas anderem? Ist es gut, wie es ist?

Eintrittsbarrieren für junge Menschen in den Arbeitsmarkt beunruhigen sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Gleichzeitig gewinnt mit dem demografischen Wandel auch die Beschäftigungssituation älterer Jahrgänge an Bedeutung.

Humankapital wird teilweise tatsächlich als "Kapital" gesehen: ein Produktionsfaktor für Güter und Dienstleistungen, beruhend auf dem Leistungspotenzial der Arbeitskräfte. Dementsprechend herrschen permanente Bestrebungen, dieses Leistungspotenzial immerfort zu steigern.

Fehlende Alternativen?

Zu den jüngeren Entwicklungen zählen die vielfältigen Initiativen, um gezielt Corporate Identity und Branding im War for Talent und im Recruiting zu nutzen. Mit dem errichteten Selbstbild des Unternehmens werden sinnstiftende Werte, Empathie und Begeisterung vermittelt. Aufgaben und Verantwortung übernehmen, vertrauensvolles Miteinander und der "fremde Stallgeruch" der "Anderen" lassen die eigene Position als eine Komfortzone erscheinen. Diese Botschaften kommen gut an. Gehören doch Selbstwertgefühl, sozialer Kontakt und ein strukturierter Alltag zu jenen zentralen Beweggründen, weshalb ein Job wertgeschätzt wird.

Die finanzielle Situation spielt bei alldem eine höchst individuelle Rolle. Das Gefühl, mit der Finanzlage derart in den eigenen Bedürfnissen gefangen zu sein, führt häufig zur Überzeugung einer existenziellen Abhängigkeit vom Arbeitgeber und scheinbar fehlender beruflicher Alternativen.

Die Frage nach Veränderung stellt sich spätestens dann, wenn die Vorteile einer Beschäftigung die Nachteile nicht mehr aufwiegen. Doch was zählt wie viel, wenn es darum geht, abzuwägen? Handelt es sich vielleicht um ein vorübergehendes Tief mit Aussicht auf Besserung?

Jeder mit sich

Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen sind allesamt Punkte für jenes Match, welches jeder mit sich selbst austragen muss.

Die gute Nachricht ist, dass man kein Glückskind sein muss, um erfolgreich neue Weichen für die Zukunft zu stellen. Dort, wo vielleicht vor fünf oder zehn Jahren Veränderungen noch keinen Platz hatten, ist heute oft kein Stein mehr auf dem anderen. Wenn Bewegung in das große Ganze kommt, hat der Einzelne es in der Hand, neue Aufgaben in Angriff zu nehmen. Dabei bilden sich zukunftsfähige Gemeinschaften unter jenen, die die Zeichen der Veränderung sehen und nach neuen Wegen suchen. Menschen, die nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein möchten. Wo hat Ungewissheit im Leben einen berechtigten Platz und wo nicht?

Oft sind Erwartungen an Kommendes nicht von Optimismus geprägt. Es erscheint in einer Zeit der rasant wachsenden Informations- und Kommunikationstechnologie absurd, dass gleichermaßen Informationsdefizite wie auch ein Zuviel an Information die Findung konkreter Antworten auf die eine oder andere bange Frage erschweren. Die meisten haben (noch) keine höchstpersönliche Strategie zur Informationsbeschaffung gefunden. Dennoch könnte sie einen wichtigen Baustein bilden, um Selbstverantwortung in unserer Informationsgesellschaft wahrzunehmen.

Je vielfältiger Wissen und Erfahrung gesammelt werden, desto leichter fallen Perspektivenwechsel und Veränderung. Dabei wächst die Fähigkeit, in neuen Situationen unkonventionell zu denken, um etwas Neues mit Nutzen zum Entstehen zu bringen. Expertenwissen und Bereitschaft für Unbekanntes sind ein essenzielles Substrat für Kreativität.

Lässt sich die Rolle der Generation 50 plus neu denken?

Liegt in der Verbindung von fundierter Expertise und Bereitschaft für Neues die Chance der 50-plus-Generation? Egal ob unternehmerisch, wissenschaftlich-lehrend oder kunstschaffend bis ins hohe Alter – wer kennt sie nicht, die immer und immer Neugierigen und Begeisterten?

Förderprogramme für ältere Mitarbeiter am Arbeitsplatz haben ihre soziale Berechtigung, dennoch kann und soll damit nicht das gesamte vorhandene Potenzial einer Generation 50 plus erschlossen werden. Unsere Volkswirtschaft und auch unsere Gesellschaft hat die Chance, die Bereitschaft vieler zu nutzen, aktiv zu sein. Umgekehrt liegt es für jeden Einzelnen im Bereich des Möglichen, in den späten Berufsjahren und darüber hinaus am Ball zu bleiben und dabei mit Leidenschaft aktiv zu sein.

Wie Neues begonnen werden kann, unterscheidet sich nicht für Jung und Alt. Für einen ersten Schritt sollten bedeutende finanzielle Investitionen nicht erforderlich sein, und Start-up kann vorerst durch Pop-up ersetzt werden. So wie sich heute Chancen und Risiken darstellen, handelt es sich nicht um die Ergebnisse der Konzepte junger Generationen.

Vielmehr ist es die Summe der Resultate bei der Suche nach Antworten auf die Frage, welche Möglichkeiten der Einzelne hat oder Gemeinschaften haben, um zukunftsfähig zu werden. Oft fehlt bei Netzwerken und vor allem bei der Sharing Economy die soziale Verbundenheit. Es hakt dabei weniger an regional versus global, mehr an individuell versus anonym.

Wie viel Altes, wie viel Neues?

In Anbetracht der stattfindenden Veränderungen wird es spannend, inwieweit das Alte Bestand im Neuen findet. Die Erfahrung legt nahe, mit Erwartungen vorsichtig zu sein. Information, Wissen und Bildung sind dennoch klare Dreh- und Angelpunkte unserer Zeit. Nutzen wir sie als wertvolle Impulse, die gerade auch ältere Generationen leisten können.

Die Glückskinder unserer Zeit sind jene, die einen Perspektivenwechsel vollziehen und sich auch in Zukunft zuversichtlich ihren Aufgaben stellen. Im sinnstiftenden Tun liegt gleichermaßen der Wert für den Einzelnen und für resiliente Gemeinschaften. Dazu ließen sich viele Überlegungen anstellen und viele Vorsätze formulieren – am meisten lernen wir jedoch durch tatsächliches Tun. (6.7.2018)