Rapper Drake. Sein neues Album Scorpion besteht aus zwei Alben und dauert 90 Minuten. Ganz schön lang.

Foto: Universal Music

Heavy, aber langsam, so muss es sein. Denn Schweiß auf der Stirn wäre schlecht fürs Make-up. Die Beats sind so produziert, dass Drake nicht aus der Fasson gerät. Drake ist wieder da, der schöne Drake. Der Kontrollfreak, der modellierte Superrapper, der Sensible, der Gangster mit dem Tagebuch.

Weg war er nie, aber wie sehr er auf sich insistiert, belegt sein neues Album Scorpion. Das umfasst 25 Tracks, nennen wir es Größenwahn. 90 Minuten dauert das Ding, das ist für die Generation Smartphone wie Ben Hur, alle Star Wars-Filme sowie dreiunddreißig Jahre Lindenstraße in einem, sollte die Aufnahmefähigkeit also entsprechend stimulieren. Das ist schwierig.

Denn nach Nonstop wird es ein bisschen länglich. Und Nonstop ist schon der zweite Track. Der ist super: eine bohrende Bassmelodie, Minimal Funk und der Vortrag des aus Toronto stammenden Stars. Vortrag ist wichtig. Drake ist zwar Rapper, doch seine Formulierungen wirken oft professoral, dargebracht mit dem Ernst eines Meisters aller Klassen.

Nonstop – Track Nummer zwei auf Drakes Album Scorpion.
Anonymous π

Gut, ein paar Zweifel beschleichen ihn schon, das gehört sich so bei einem sensiblen Mann. Als solcher wurde der 31-jährige Aubrey Drake Graham zu einem der erfolgreichsten Rapper der Welt. Doch schon Elevate, der dritte Track, übertreibt es mit der Sensibilität. Da kippt sein Singsang ins Fach des Schlager-Rap: Dieser Stil muss sich erst durchsetzen.

Strömungsrekorde

Ungeachtet aller Einwände wurde Scorpion schon am Tag seines Erscheinens über 300 Millionen Mal im Netz geströmt. Das ist ein Streamingrekord und zeugt von den Erwartungen, die dem Rapper entgegenschlagen. Der zückt derweil alle Joker seiner Kunst und beginnt ausgerechnet ein Stück, das er Emotionless nennt, mit einem emotionsgeladenen Damenchor. Der Track bestätigt, was Terrence Thornton behauptet hatte.

Sohn "Adonis"

Thornton nennt sich Pusha-T und ist einer der Lieblingsfeinde von Drake. Pusha-T streute das Gerücht, Drake habe einen Sohn, den er geheimhalten soll. Emotionless ist Drakes Erklärstück für den Umgang mit seinem Nachwuchs, der einer Beziehung mit einer, ähm, Ganzkörperschauspielerin entstammen soll. Er wollte den kleinen Adonis – kein Schmäh! – nicht verleugnen, ihn bloß vor der Welt beschützen. Drake, der Beschützer.

Drake – Nice For What.
DrakeVEVO

Ein wenig schwappt das also in die Klatschspalten rüber, in die Galas dieser Welt. Dort fallen derlei Geschichten auf ebenso fruchtbaren Boden wie in den sozialen Medien. Beides sind Spielflächen, die Stars vom Range eines Drake imagepflegend bedienen.

24-Karat Trainingsanzug

Die Musik verkommt dabei zum Vehikel für Gossip, zum akustischen Geplätscher hinter Gerüchten und Halbwahrheiten. Wobei Drake das alles mit existenziellem Ernst betreibt, sodass der Kurs seiner Ich-AG nicht ins Trudeln gerät.

Doch die behauptete Bedeutungsschwere ist über eine Länge von 90 Minuten Hip-Hop selbst für einen Großwesir des Fachs schwer einzulösen. Deshalb legt er für die zweite Hälfte des Albums etwas Gemütlicheres an. Einen 24-Karat-Trainingsanzug vielleicht, dazu Sneakers von Swarovski.

Erst einmal Duschen

Musikalisch verfügt er sich in Richtung R’n’B und glänzt mit Tracks wie Nice For What. Danach muss er erst einmal Duschen. Zuviel Aufregung, der Puls mit 120 im lebensbedrohlichen Bereich. Also fährt er bei Finesse das Tempo runter und lässt das Autotune für sich singen.

Drake mit etwas Old-School-Magie: Sandra's Rose (Produced by DJ Premier)
Ama Hussla

Eines dieser 25 Drake-Manifeste hat DJ Premier produziert. Der war eine Hälfte des genialen Hip-Hop-Duos Gang Starr. Er verleiht Sandra’s Rose Old-School-Magie, und siehe da: Drake lässt sich davon verführen – bevor er sich wieder fängt. Contenance. Das wie in Marmor gemeißelte Image darf nicht leiden – das muss er sich wert sein. (Karl Fluch, 7.7.2018)