Hauptverbandschef Alexander Biach ist über das Vorgehen der Regierung verärgert: Das Gesetz wurde ohne Vorwarnung "durch die Hintertür" beschlossen.

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Es ist ein großes Projekt, das sich die türkis-blaue Regierung vorgenommen hat: die Neuordnung der Sozialversicherungen. Künftig soll es nur noch fünf statt der bisher 21 Sozialversicherungsträger geben. Doch das ehrgeizige Vorhaben geht nicht ohne Störgeräusche über die Bühne. Zuerst die offene Drohung, die Unfallversicherung aufzulösen, nun wurde den Sozialversicherungen ohne Vorwarnung eine "Ausgabenbremse" gesetzlich verordnet. ÖVP, FPÖ und Neos beschlossen Donnerstagabend im Parlament, dass die Versicherungsträger bis Ende 2019 keine "überbordenden Ausgaben" – wie es der ÖVP-Klubchef August Wöginger formulierte – tätigen dürfen. Wöginger begründet das Vorhaben damit, in Vorbereitung der Sozialversicherungsreform dafür zu sorgen, "dass da nicht überproportional Ausgaben getätigt werden, die uns größere Probleme bereiten, wenn die neuen Strukturen aufgebaut sind".

"Durch die Hintertür" beschlossen

Detail am Rande: Die Verordnung wurde nicht als eigenes Gesetzesvorhaben eingebracht, sondern im Rahmen des Erwachsenenschutzanpassungsgesetzes – eine Abkürzung des üblichen Gesetzeswerdungsprozesses: Türkis-Blau erspart sich dadurch ein Begutachtungsverfahren.

Ein Vorgehen, das Hauptverbandschef Alexander Biach missfällt. Im STANDARD-Gespräch kritisiert er, dass das Gesetz "durch die Hintertür" beschlossen wurde. Dabei – und das ärgert Biach besonders – werde nur "das manifestiert, was wir längst einhalten".

Konkret dürfen künftig keine neuen Bauten oder Umbauten in Auftrag gegeben werden, Personal darf nur befristet bis 2019 eingestellt werden, und bei neuen Verträgen gilt, nicht mehr auszugeben als eingenommen wird.

Schon jetzt werde jede Investition genau geplant und in den Gremien beschlossen, durch die Regierungsvorlage werde den Sozialversicherungen unterstellt, nicht wirtschaften zu können. Das Misstrauen gegenüber den Krankenkassen belaste das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Regierung und Hauptverband.

Auch bei Neueinstellungen richten sich die Versicherungen bereits nach einem Dienstpostenplan, erklärt Biach. Nun könnte es schwierig werden, qualifizierte Ärzte für auf eineinhalb Jahre befristete Stellen zu finden.

Risiko bei Ärzten

Unbehagen über die Vorgangsweise gibt es auch bei der Ärztekammer. Längst fällige Investitionen würden gebremst werden, kritisiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Standesvertretung. Leistungen für den niedergelassenen Bereich werden für mindestens zwölf Monate eingefroren. "Das gesamte Versicherungsrisiko wird den Ärzten aufgebürdet." Er verweist auf den Vertragsabschluss in der Bundeshauptstadt, wo es im Frühjahr eine Einigung zwischen Ärzten, Gebietskrankenkassen und der Stadt Wien gegeben habe – mit dem Ziel, dass Patienten vermehrt von Kassenärzten und weniger in Ambulanzen behandelt werden. Steinhart vermutet, die Regierung fürchte, andere Bundesländer könnten das Modell übernehmen. Das Gesetz sieht er als Angriff auf den Gesamtvertrag, die Kammer werde weitere Schritte beraten.

Scharfe Kritik kommt auch von den Gebietskrankenkassen, die nach der Reform in einer Gesundheitskasse zusammengefasst werden sollen. Sie fürchten, dass die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems durch die Sparvorgaben ausgebremst werde. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kalmiert. Sie spricht von "Panikmache" der Kassen, Leistungskürzungen für Patienten werde es nicht geben.

Die "Ausgabenbremse" gilt bis Ende 2019, bis dahin soll dann auch die Sozialversicherungsreform greifen. Im Laufe des Sommers soll das Gesetz in Begutachtung geschickt werden. (Marie-Theres Egyed, 6.7.2018)