Ob das Ringheiligtum bei Pömmelte seinerzeit tatsächlich so ausgesehen hat, wie die aktuelle Rekonstruktion zeigt, ist nur eines der vielen Rätsel um diese kultische Anlage.
Foto: APA/AFP/dpa/PETER GERCKE

Wenn das Ringheiligtum bei Pömmelte genannt wird, fällt häufig der Vergleich mit Stonehenge in Südengland. Tatsächlich spielen beide historisch gesehen in derselben Liga. Die ungewöhnliche Kreisgrabenanlage in der Nähe des Ortes Pömmelte in Sachsen-Anhalt ist eines der komplexesten prähistorischen Monumente Mitteleuropas. Heute steht an der Stelle im Salzlandkreis nahe Magdeburg eine spekulative Rekonstruktion. Wie der Kultplatz nach seiner Errichtung vor rund 4.300 Jahren im Detail ausgesehen hat, lässt sich allerdings nur mehr raten – und das, obwohl Pömmelte zu den am besten erforschten derartigen Ringheiligtümern überhaupt zählt.

Belegt ist, dass der Kultplatz mit einen Durchmesser von 115 Metern aus über 1.200 senkrechten Holzstämmen bestand, die in konzentrischen Kreisen angeordnet waren, umgeben von mehreren Erdwällen und Gruben. Die vier Zugänge orientierten sich exakt nach der Mitte zwischen Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen. Im Zentrum befand sich ein großer, freier Platz, der höchstwahrscheinlich religiösen Handlungen vorbehalten war.

Knochenfunde in Schachtgruben

Nun haben Archäologen die aktuellsten Grabungsergebnisse präsentiert – und dabei den vielen Rätseln um Pömmelte einige weitere hinzugefügt. Wie ein Team um André Spatzier vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Fachjournal "Antiquity" berichtet, dürfte die "Kirche der Vorzeit" zwischen der ausgehenden Jungsteinzeit und der beginnenden Bronzezeit überregionale kultische Bedeutung gehabt haben

Besondere Aufmerksamkeit erregten dabei 29 rund drei Meter tiefe Schachtgruben mit eindeutig rituellem Charakter, in denen im Verlauf von über 400 Jahren Keramikgefäße, Tierknochen, Mahlsteine, Beile und, wie es aussieht, auch Menschen begraben wurden.

Einigen Toten in den Schachtgruben wurden die Extremitäten abgetrennt. Vieles deutet darauf hin, dass sie rituell geopfert wurden.
Foto: André Spatzier / Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Zahlreiche Gewaltspuren

Diese menschlichen Überreste sind es, die nun einige Fragen aufwerfen: Spatzier und seine Kollegen identifizierten die Gebeine von insgesamt mindestens sieben Personen, allesamt Frauen, Jugendliche oder Kinder. Die Analysen der Knochen ergaben Spuren massiver Gewalteinwirkung. So fanden die Forscher Hinweise darauf, dass einigen Toten die Gliedmaßen entfernt worden waren oder der Schädel eingeschlagen wurde. Auch Fesselspuren wurden entdeckt. Überdies lässt die Art der Beisetzung auf eine Achtlosigkeit schließen, die man von anderen Gräbern der Anlage nicht kennt. "Die Positionen weisen darauf hin, dass die Toten einfach in die Schächte geworfen wurden", meint Spatzier.

Das Ringheiligtum bei Pömmelte hat einen Durchmesser von etwa 115 Metern und besteht aus mehreren konzentrischen Kreisen aus Palisaden, Erdwällen und Gruben.
Grafik: André Spatzier

Viele dieser Indizien lassen den Schluss zu, dass diese Frauen und Kinder Protagonisten einer rituellen Menschenopferung waren. Eine alternative Erklärung wäre, dass sie im Rahmen eines gewaltsamen Konfliktes starben. Dagegen spricht allerdings, dass bei den meisten der Toten die Arme und Beine ungewöhnlich sauber abgetrennt worden waren, was nicht unbedingt zu Kampfhandlungen passt.

"In jedem Falle waren diese Gewaltopfer bedeutsam für die mit diesen Schächten verknüpften rituellen Aktivitäten", ist Spatzier überzeugt. Wenn nicht ihre eigentliche Tötung, so habe zumindest ihre ungewöhnliche Beisetzung in den Schachtgruben des Ringheiligtums eine religiöse Bedeutung gehabt, vermuten die Forscher.

Männer mit Bedeutung

In krassem Kontrast dazu stehen 13 Flachgräber am Ostrand der Anlage. Die dort beigesetzten Toten waren ausschließlich Männer im Alter zwischen 17 und 30 Jahren. Obwohl in ihren Gräbern keine Beigaben entdeckt wurden, spricht allein schon ihre Ausrichtung dafür, dass es sich bei diesen Toten um hochrangige Personen gehandelt haben dürfte. "Die Lage der Gräber der Anlage und die Ausrichtung der Körper mit dem Gesicht nach Osten spiegelt die Verknüpfung von Tod und Sonnenaufgang wider und symbolisiert den Glauben an eine Reinkarnation oder ein Leben nach dem Tod", meint der Wissenschafter.

Letztendlich ist auch das Ende der Anlage von Pömmelte ungewöhnlich: Irgendwann um 2050 vor unserer Zeitrechnung wurde der Kultkreis anscheinend bewusst abgebaut. Eine bis zu 40 Zentimeter dicke Ascheschicht im Graben der Kreisgrabenanlage deutet darauf hin, dass der Kreis aus Holzstämmen mit Absicht entfernt und verbrannt wurde. Warum das geschah, bleibt vorerst ebenso ein Rätsel. (Thomas Bergmayr, 10.7.2018)