Die Diskussion mit Homöopathie-Gläubigen ist trotz klarer Faktenlage mühsam. Wer bei seiner eigenen Gesundheit auf Magie setzt, lässt sich von peer-reviewten Beiträgen in medizinischen Fachjournalen nicht beirren. Wer "Feinstoffliches" in die Diskussion einbringt, den jucken wissenschaftliche Studien nicht. Bei Diskussionen mit Anhängern der Pseudomedizin sind Fakten und Evidenz untaugliche Werkzeuge. Dem Schwurbelnarrativ der Globuli-sten muss mit knackigen Analogien gekontert werden. Eine Anregung für vorerst zehn diskussionstaugliche Metaphern: 

1. Es gibt weder Alternativmedizin noch Alternativphysik

Es gibt Medikamente, Behandlungen und Therapien. Sie wirken oder sie wirken nicht. An der statistisch feststellbaren Kausalität der Wirkung misst sich die Berechtigung, als Medizin bezeichnet, als Medikament zugelassen oder als Therapie eingesetzt zu werden. Die Begriffe "sanfte Medizin", "Alternativmedizin" oder "Komplementärmedizin" sind Bedeutungsraster (oder: "Frames"), die vom Marketing der Pseudomedizinbranche gezielt und – das muss man neidlos anerkennen – erfolgreich gesetzt wurden. "Alternativmedizin" gibt es allerdings ebenso wenig wie Alternativphysik. Das ist auch der Grund dafür, warum wir in der Regel aus Liebe zum eigenen Leben im Auto auf den Sicherheitsgurt vertrauen. Newtons Regeln von der Trägheit der Masse gelten nämlich ausnahmslos für jeden und nicht nur für Anhänger einer "Schulphysik". Ein Aufprall mit 100 km/h ist fataler als einer mit zehn km/h. Und ebenso gilt – nicht in einer fiktiven Schulmedizin – sondern in der Medizin: Ein Aspirin mit 500 Milligramm Wirkstoff wirkt stärker als eines mit 250 Milligramm und Zuckerkugeln mit einem lediglich fest und lieb hineingedachten Wirkstoff, der analytisch in keiner Weise feststellbar sind, wirkt weder "alternativ" noch "sanft", sondern gar nicht.

2. Schulmedizin versus Homöopathie

Eine "Schule" ist im besten Fall die "homöopathische Lehre" Samuel Hahnemanns. Die mehr als 200 Jahre alten Paradigmen wie "Potenzierung" oder das "Ähnlichkeitsprinzip" sind zwar wissenschaftlich längst ad absurdum geführte Konstrukte, sie werden aber von den Gralshütern der "homöopathischen Schule" nach wie vor nicht in Frage gestellt. Das nennt man Schultreue im besten Fall, angebrachter wäre Borniertheit.

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3. Die Erde ist nicht flach!

Wir müssen niemandem beweisen, dass die Erde eine Kugel ist. Dabei tut es nichts zur Sache, dass es tatsächlich ein paar schrullige Kerle gibt, die sich in der "Flat Earth Society" organisieren und eine – zum Teil ganz amüsante – wissenschaftliche "Beweisführung“"für die Scheibenform der Erde bemühen. Aber daraus lässt sich nicht ableiten, dass es einen ernsthaften wissenschaftlichen Disput zur Gestalt unseres Planeten gibt. Über einen Lehrstuhl für "Flacherde-Theorie" am Institut für Geografie würde die Welt lachen, an homöopathische Ambulanzen in öffentlichen Krankenhäusern haben wir uns scheinbar gewöhnt. 

Dafür gibt es keinen guten Grund. Die Homöopathen sind die Flat-Earther der Medizin. Der wissenschaftliche Diskurs zur Nicht-Wirksamkeit der Homöopathie ist eindeutig, auch wenn es die Proponenten der Homöopthie nicht beeindruckt. Für die Marketer der Pseudomedizin haben wir ein Angebot: Legt Beweise für die kausale Wirksamkeit der Homöopathie auf den Tisch. Dass die Milchzuckerkugeln dem Onkel eines Schwagers bei Ohrenschmerzen geholfen haben, oder die kühne Behauptung, dass bei der Tante nach der Brustkrebsoperation Globuli "die Heilung unterstützt" hätten, reicht nicht.

Wenn einmal wirklich Beweise für die Wirkung der Homöopathie geliefert werden, dann stechen wir in See, um zu beweisen, dass die Erde wirklich eine Kugel ist. Versprochen!

4. Besser eine Hühnersuppe!

Homöopathie zeigt in jenem Ausmaß Wirkungen, in dem auch ein Placebo wirkt. Das ist nett, aber wenn es ernst wird, nicht ausreichend. Der Anästhesist wird uns, wenn der Blinddarm schmerzhaft seinen Abschied ankündigt, oder wenn wir mit zerborstenem Oberschenkel aus dem Straßengraben geborgen wurden, eine Dosis Anästhetikum verpassen, die an Gewicht, Art und Dauer des Eingriffs und sonstige Parameter unseres stofflichen Körpers wohltuend exakt und allopathisch angepasst ist. Tumore, die wachsen, werden mit Bestrahlungen im Zaum gehalten und reihenweise werden älteren Personen neue Knie oder Hüften in den Körper montiert. Das ist zwar eine verdammt kalte Apparatemedizin, sie ist aber aber in der Regel und im Ernstfall effizient und wird einer steten Evaluierung unterzogen.

"Sanfte Medizin" kann da kaum etwas ausrichten, aber sie hilft tatsächlich, wenn uns der vielzitierte Schuh drückt. Die Hühnersuppe bei Erkältungen, das auf der Brust verschmierte Zwiebelschmalz bei Husten, der grausliche Käsepappeltee bei Übelkeit – das sind sanfte Naturheilmittel. Sie kosten kaum etwas, wirken in vielen Fällen besser als der teure Zucker, der von gewieften Pharmakonzernen als Homoöpathie verkauft wird.  

5. Globuli-Romantik adé

Homöopathie hat mit einem medizinischen Anti-Establishment nichts zu tun. Die Hersteller der Zuckerkügelchen sind probate (Pharma-)Konzerne mit dreistelligen Millionenumsätzen.   

6. Homöopthie im Supermarkt

Eine liberale Gesellschaft erlaubt Werbung, in der Getränkeabfüller ihren Kunden Flügel versprechen dürfen, Mineralwasser Sinne belebt und die Macher eines Zuckerpuddings kühn und keck verkünden dürfen, dass ihr süßer Topfen so wertvoll sei wie ein kleines Steak. Da dürfen Globuli gegen Heuschnupfen, Halsweh oder Trennungsschmerzen nicht hintanstehen müssen. Niemand fordert ein Verbot von Globuli und Co. Sie gehören nur nicht in die Apotheke, sondern in den Drogeriemarkt zwischen Reiswaffeln und Ahornsirup. Die Dilutionen – Homöopathie-Tropfen in einer Alkohollösung – machen sich besser zwischen den Wodka-Flascherln und den Gurktaler-Almkräuter-Stamperln im Supermarkt kurz vor der Kasse. 

7. Kein Vodoo in der Apotheke

Apotheken indes sind aus gutem Grunde (noch) geschützte Einrichtungen. Der Kunde darf auf die Verantwortung und die naturwissenschaftliche Ausbildung der Apotheker vertrauen. Es würde vermutlich für Irritationen sorgen, wenn uns der Pharmazeut in der Stadtapotheke einen Flakon Weihwasser zur Linderung unseres Bluthochdrucks empfiehlt oder in einer Nische Vodoo-Püppchen feilbietet und die Nadeln zum Zustechen gegen Scheidenpilze oder Asthma obendrein. Warum nehmen wir – oder in dem Fall der Gesetzgeber – an den Zuckerkügelchen, die dort teuer verkauft werden, keinen Anstoß?

Warum die Apotheker und ihre Vertretung selten an dem Humbug Anstoß nehmen, hat vermutlich einen recht banalen Grund: Pseudomedizin ist ein Geschäft. Und das lässt die Apothekerkammer bei dem Thema um eine wissenschaftliche Position mäandern, wie das Flachland den Amazonas. Auf der Website der Apothekerkammer heißt es lediglich: "Die Homöopathie ist immer noch heftig umstritten", und an anderer Stelle: "Der wissenschaftliche Nachweis einer Wirkung ist bei homöopathischen Arzneimitteln meist nicht oder nur schwierig zu erbringen.

Hier ist die Kammer mit Rücksicht auf die Registrierkassen ihrer Mitglieder etwas unscharf. Ich empfehle daher diesen Hinweis: "Homöopathie, Vodoo und Weihwasser wirken nicht, sie sind keine Heilmittel und werden daher in dieser Apotheke nicht geführt." 

8. Wasser in den Tank

Analog zum Kampfbegriff "Alternativmedizin" haben sich allerlei Schwurbeltermini rund um die Pharmaindustrie verfestigt. Das Kunstwort "Big Pharma" ist in der Verschwörer- und Pseudomedizinszene einigermaßen gut als Metapher etabliert. Suggeriert wird eine ausnahmslos skrupellose und menschenverachtende Industrie, die manipuliert, was das Zeug hält. Im besten Fall hält sie die Menschen krank, um an den Pharmaka zu verdienen. Im schlimmsten Fall macht sie die Menschen krank, um eine sieche Menschheit abhängig zu machen. Ein kurzer Disclaimer: Auch der Blogger geht nicht davon aus, dass die Aktionäre und die Akteure der Pharmaindustrie von schierer Menschenliebe getrieben sind. Aber das ist bei der Lebensmittelindustrie nicht anders und bei der Erdölindustrie und bei der Automobilindustrie auch nicht.

Wer Globuli nimmt, um der Pharmaindustrie eines auszuwischen, der kann sich auch Wasser in den Tank seines Autos leeren, um es Shell und BP mal so richtig zu zeigen und um dem Volkswagen-Konzern eine Retourkutsche für den Abgasskandal zu verpassen. Das ist übrigens – und dafür lege ich meine Hand ins Feuer – so lange kein Problem, so lange das Auto in der Garage steht. Dumm wird es erst, wenn wir den Motor starten müssen. Und so verhält es sich auch mit Globuli und Co: Solange wir nicht ernsthaft krank sind, so lange schadet uns das blinde Vertrauen in deren Zauberkräfte nicht.

9. Was ist dieses "feinstofflich"?

Irgendwann, in jeder Diskussion zur Homöopathie fällt er, der Begriff, der uns ratlos zurücklässt: Feinstofflich. So wirke die Homöopathie halt, darum könne man mit Analysen keine Wirkstoffe in Globuli festmachen und man müsse das auch gar nicht. Denn "feinstofflich" wabere eben der Geist einer Substanz in dem Milchzucker. Aha! Das ist etwa so zu verstehen: Wenn eine Klapperschlange in der Wüste Mexikos klappert, dann müssen wir in der Wachau husten, weil der Schwanz des Tiers so viel Staub aufwirbelt. 

10. Homöopathie ist ekelig

Wenn alles nichts hilft, darf auch der grobe Klotz ausgepackt werden. Auch wenn wir der Homöopathie blind vertrauen: Das wird weder im Drogeriemarkt noch in der Apotheke ein Verkaufsschlager werden: "Excremtenum caninum". Laut der – mittlerweile nicht mehr abrufbaren – Website "homöopathieforschung.de" zweier deutscher Homöopathen, ist der potenzierte Hundekot unter anderem bei "Schiefhals" bei Schülern, Lernschwierigkeiten und Arbeitslosigkeit indiziert. Wer sich näher einlesen will in die besondere Materie: Die beiden Experten haben sogar ein Dossier zur segensreichen Wirkung der Hundekacke verfasst. Mehr muss dazu wohl nicht mehr gesagt werden. (Christian Kreil, 23.7.2018)

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