Nach zögerlichem Händedruck setzten sich Donald Trump und Wladimir Putin zu ihrem Vieraugengespräch zusammen – assistiert von einem Team an Dolmetschern.

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Die amerikanische Journalistendelegation rechts, die russische links. Beim Einlass zur Pressekonferenz achteten beide Seiten streng auf Abgrenzung. Während der Pressekonferenz betonten Donald Trump und Wladimir Putin hingegen eher die Gemeinsamkeiten – zunächst zögerlich bei der Frage, ob Russland Einfluss auf die US-Wahl 2016 genommen habe, dann offensiver.

Gemeinsam zumindest hatten sie die Journalisten warten lassen, rund eineinhalb Stunden waren sie hinter dem Zeitplan zurück. Womöglich auch, weil die Frage, wer wen warten lässt, zwischen den beiden zu einer Art Machtkampf wurde. Erst landete Putin eine Stunde später als geplant in Helsinki. Dann ließ ihn Donald Trump warten, der so lange bei Finnlands Präsident Sauli Niinistö in dessen Residenz ausharrte, um effektvoll als Zweiter zum Gipfel zu erscheinen.

Dieser Machtkampf muss zunächst als unentschieden gelten. Zugeständnisse machte dabei keine Partei. Und trotzdem war das Tête-à-tête zwischen Putin und Trump laut Letzterem zwar "ein guter Start", endete aber letztlich – wie erwartet und trotz viel Lobes füreinander – ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung. Putin sprach von "fruchtbaren Gesprächen" , nannte den Kalten Krieg Geschichte und sagte: "Nun eint uns der Wunsch, unser Verhältnis zu reparieren und wieder Vertrauen herzustellen."

In vier Stunden alles geändert

Der Kremlchef dankte Trump zudem dafür, auf Dialog statt auf Konfrontation zu setzen. Trump selbst bezeichnete diesen Dialog als "konstruktiv und gut für die Welt". Gemeinsam müsse man neue Wege finden. "Vor vier Stunden ist unser Verhältnis, das nie zuvor so schlecht war, wieder besser geworden", sagte Trump.

Am nächsten kamen sich die beiden in der Syrien-Frage – und vor allem bei der mutmaßlichen russischen Einmischung in den US-Wahlkampf, deretwegen US-Sonderermittler Robert Mueller gerade gegen zwölf Agenten des russischen Geheimdiensts GRU Anklage erhoben hat. Bei letzterem Punkt stimmen beide überein, dass er – zumindest von staatlicher Seite aus – nicht stattgefunden hat.

Trump hatte den Tag in Helsinki schon mit Twitter-Meldungen begonnen, die die Affäre als "manipulierte Hexenjagd" kritisierten. Putin bestätigte dann, dass Trump das Thema angesprochen habe, aber "natürlich" habe Moskau dergleichen nie getan.

Trump will Putin glauben

Eine Einlassung des Kremlchefs war dabei allerdings brisant: Der Einmischung beschuldigt werde die Firma Konkord. Das könne er sich sogar vorstellen; doch selbst wenn es so sei, "repräsentiert sie nicht den russischen Staat", sagte Putin. Es sei dann eine reine Privatsache, ebenso wie die "Einmischung von US-Milliardär George Soros, der sich auch überall einmischt".

Privat? Nicht ganz. Konkord, die vielzitierte Petersburger Trollfirma, gehört dem Unternehmer Jewgeni Prigoschin. Der wiederum hat nachweislich beste und lukrative Beziehungen in den Kreml – er sahnte immerhin millionenschwere Aufträge für das russische Militär ab – und gilt als Vertrauter Putins. Wenn dieser nun Prigoschins Handeln mit einem Achselzucken als zwar denkbar, aber Privatsache abtut, würde Moskau damit genau dem kritisierten Schema der "hybriden Kriegsführung" entsprechen.

Trump zeigte naturgemäß wenig Interesse, die Nachforschungen zu vertiefen. Auf der Pressekonferenz sagte er, Putins Dementi stehe den Erkenntnissen der US-Geheimdienste entgegen – er betrachte es aber als "extrem stark". Am Montagabend beeilte sich Trump dann zu tweeten, dass er "großes Vertrauen" in die US-Geheimdienste habe.

Einigkeit über die künftige Syrien-Politik gibt es hingegen nicht zwischen beiden Seiten. Das Thema, wie die politische Zukunft des Landes aussehen soll, klammerten Trump und Putin daher aus. Dafür gibt es möglicherweise zumindest auf humanitärer Ebene Ansätze einer Kooperation: Trump betonte, dass er mit Russland gern beim Schutz der Zivilbevölkerung zusammenarbeiten würde.

Putin sprach von einer möglichen Kooperation auf humanitärer Ebene und führte speziell die Flüchtlingsproblematik an. Wenn es gelinge, den syrischen Flüchtlingen eine Perspektive zur Rückkehr in ihre Heimat zu geben, werde sich nicht nur die Situation in den Übergangslagern der benachbarten Staaten verbessern, sondern sich auch der Flüchtlingsstrom Richtung EU ausdünnen, sagte Putin. Konkret wurden zwar beide nicht, Putin teilte aber mit, eine solche Initiative habe er zuvor auch schon mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besprochen. Dieser war am Sonntag noch in Moskau zum Finale der Fußball-WM, wurde dort vom Kremlchef zwar buchstäblich im Regen stehengelassen, ist aber an dem Thema ebenso interessiert.

Bei anderen Themen hörten sich die Statements auf der Pressekonferenz eher wie das Wiederholen der jeweiligen Wunschlisten an: Trump forderte von Russland Hilfe bei der Lösung der Korea-Frage, Putin hingegen US-Druck auf die Ukraine, damit diese "gewissenhaft" eingegangene Verträge erfülle. Trump reagierte darauf nicht konkret.

Reden über Wirtschaft

Auch Trumps Vorliebe für das Thema Handel ist der russischen Führung nicht verborgen geblieben. Schon im Vorfeld hatte Präsidentenberater Juri Uschakow mehrere "konkrete" Wirtschaftsprojekte angekündigt, die Putin beim Treffen vorschlagen wolle, um das Verhältnis zu kitten. Richtig konkret wurde er aber auch hier nicht. Sein einziger Vorschlag belief sich auf die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, die Möglichkeiten zum Ausbau ausloten soll. Bei der Pipeline Nordstream 2, an der auch die OMV interessiert ist, gibt es zumindest eine vorsichtige Annäherung. Trump räumte ein, das Thema zuletzt in "starken Tönen" diskutiert zu haben, das Entscheidungsrecht darüber liege aber bei den Europäern.

In den USA wurde Trumps Performance nicht nur von Demokraten heftig kritisiert. Auch im konservativen Sender Fox News kamen zahlreiche Stimmen zu Wort, die Trump vorwarfen, er habe sich "schwach" verhalten. Selbst einer der größten Trump-Unterstützer, der Republikaner Newt Gingrich, sprach am Montagabend vom bisher ernsthaftesten Fehler des Präsidenten seit seinem Amtsantritt vor rund eineinhalb Jahren. Trump müsse seine Äußerungen über die US-Geheimdienste und Putin umgehend korrigieren. Andere Politiker beschrieben Trumps Auftreten mit Worten wie "beschämend", "schändlich", "verräterisch", "gefährlich" oder "schwach". Republikanische Berater sagten, sie hielten nun Rücktritte in der US-Regierung für möglich. (André Ballin, 17.7.2018)