Die Mozartstadt soll mehr sein als schmucke Festspielkulisse. Man will vor allem bei der bildenden Kunst aufrüsten.

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Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) ist nach fünf Jahren Pause wieder für die Museumspolitik des Landes zuständig. Er hat große Pläne.

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Salzburg – Wenn über die Postkarten-Zwiebeltürme hinweg die Rufe nach dem Jedermann erschallen, ist die Stadt in ihrem Element. Mit der "Ouverture spirituelle" erfolgt in Salzburg heute der Auftakt zu den Festspielen. Das Signal, das sie mit Hugo von Hofmannsthal aussenden, ist seit fast 100 Jahren unverändert: Memento mori! – Bedenke, dass du sterblich bist! Einmal im Jahr wirft sich dafür Reich und (nicht immer) Schön in weiße Leinenanzüge und zitronengelbe Abendroben, die internationale Fachpresse spitzt ihre Bleistifte, Politiker präsentieren und repräsentieren.

Für den frisch im Amt bestätigten Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) ist der Jedermann-Ruf auch ein kulturpolitischer Auftrag. Bei allem Mozart-Tourismus gilt es Sorge zu tragen, dass die Festspielstadt nicht das restliche Jahr über im schönen Dornröschenschlaf versinkt.

Zwei große Projekte hat sich Haslauer für die kommenden fünf Jahre vorgenommen: Er will in Salzburg ein Fotomuseum des Bundes und eine Dependance des Wiener Belvedere errichten. Die Agenden für Museumspolitik hat der Landeshauptmann, nachdem man sie in den vergangenen Jahren dem grünen Koalitionspartner überließ, wieder zur Chefsache gemacht. Mit dem Regierungswechsel im Bund und dem Parteifreund als Kulturminister spürt man an der Salzach nun Oberwasser. Nicht zuletzt gegenüber Wien.

Auf Bundes- wie Landesebene werden derzeit Machbarkeitsstudien erstellt, wie ein Fotomuseum umzusetzen wäre. Salzburg, das ist bekannt, erfüllt gute Standortvoraussetzungen. Eine Fotosammlung des Bundes ist bereits dort, Haslauer will die wissenschaftliche Expertise forcieren, vielleicht eine Verkaufsmesse inzenieren. Von der Anbindung ans Museum der Moderne (MdM) bis hin zu einem Neubau sei vieles denkbar.

Ein Schaufenster für Wien

Schon ein paar Schritte weiter ist man mit den Überlegungen, in Salzburg eine ständige Dependance des Wiener Belvedere einzurichten. Konkret soll dafür der zweite Hof des Regionalmuseums Neue Residenz unterkellert werden. Dort sieht man die Idee positiv und freut sich über das Interesse des Belvedere. "Wir stehen aber erst am Beginn der Gespräche", so Direktor Martin Hochleitner.

Geht es nach Haslauer, sollen beide Häuser von der Kooperation profitieren und sich gegenseitig Publikum zuschanzen. Für das Belvedere hätte die Dependance eine "Schaufensterfunktion": Touristen holen sich den Gusto in Salzburg, gegessen wird in Wien. Welche Werke man konkret zeigen will, ist noch nicht klar, "jedenfalls keine Depotware", so Belvedere-Chefin Stella Rollig.

Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) unterstützt die Ideen, hat man die stärkere Präsenz von Bundessammlungen in den Ländern doch im Regierungspakt festgeschrieben. Im Austausch mit den Landeskulturreferenten gebe es diesbezüglich auch noch weitere Überlegungen mit anderen Bundesmuseen, meint Blümel. Konkreter will er aber nicht werden, denn budgetär gilt es in der Regierung den Ball flachzuhalten.

Klar ist: Die Salzburger Projekte wären kein Schnäppchen. Haslauer will das aktuell bei 47 Millionen Euro liegende Landeskulturbudget im Herbst aufstocken. "Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass die Kosten zu 100 Prozent von einer Stelle getragen werden können. Es wird ein gemeinsamer Weg gesucht", sagt er.

In Summe sind die Salzburger Kulturbudgets in den letzten Jahren trotz Finanzskandals nicht unter die Räder gekommen. Darüber freut sich etwa Thomas Randisek, Geschäftsführer vom Dachverband Salzburger Kulturstätten, der die Vielzahl an kleinen, freien Initiativen im Land politisch vertritt. "Die freien Gruppen bekommen derzeit 0,25 Prozent des Budgets, früher war es noch weniger, aber unser Ziel ist es, bei einem Prozent zu landen – dort liegt die Stadt Salzburg", so Randisek.

Vergebene Chance

Dass diese sich letztlich nicht für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 beworben hat, ärgert ihn: "Die Stadt hat eine Chance vergeben. Wir hätten damit raus aus der Rückschau kommen und nach vorne gehen können." Haslauer kümmere sich gerne um große, repräsentative Dinge, "man muss aber schauen, dass das Zeitgenössische nicht zu kurz kommt.

Hoffnung setzt Randisek in Heinrich Schellhorn. Dem grünen Landesrat obliegen nach der Ressortsplittung außer den Museen und Festspielen die restlichen Kulturagenden. Im März hat das Land einen umfassenden Kulturentwicklungsplan verabschiedet. 77 Einzelmaßnahmen, laut freier Szene "vorbildlich partizipativ erarbeitet", stehen an: Darunter die Schaffung von Ateliers und Probenräumen im ganzen Land oder ein biennal stattfindendes Festival für zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt auf dem ländlichen Raum.

Auch das müsste letztlich dem Kulturminister gefallen. Sorgen bereiten Blümel aber die offenen Baustellen seines Vorgängers: Sowohl das Haus der Geschichte in der Neuen Burg als auch die Sammlung Essl in der Albertina brauchen weitere Millionen, um langfristig bestehen zu können. Gelingt es ihm nicht, die Mittel aufzutreiben, wird wohl so manche kulturpolitische Idee bald ein Jedermann-Schicksal ereilen. (Stefan Weiss, 20.7.2018)