Graz – Am Anfang war Verzweiflung, vielleicht auch Wut, sicherlich aber Trauer. 2012 gingen im roten Graz die Lichter aus. Die steirische Landeshauptstadt wurde gänzlich schwarz. Der ehemalige österreichische Fußballmeister GAK stellte nach insgesamt vier Konkursen den Spielbetrieb ein. Nach den Hiobsbotschaften der vergangenen Jahre – darunter der Zwangsabstieg und zwei verpasste Aufstiege in die damalige zweite Liga – erreichte die Fans die endgültige Sterbeanzeige.

Der Nachruf auf die Grazer war voller Hohn und Gehässigkeiten. Fußballösterreich spottete über den Konkursverein. Der Meistertitel 2004 verlor an Glanz. Die Verantwortungsträger der Misere waren längst weitergezogen, die Ermittlungen gegen sie dauern nunmehr elf Jahre. Beim Anhang herrschte Trauer, sicherlich ein bisschen Wut, aber vor allem Verzweiflung.

"Wir sind aus der Verzweiflung entstanden. Die Austria Salzburg mehr aus Wut", sagt Matthias Dielacher. Das Vorstandsmitglied des Nachfolgevereins wird manchmal noch auf die Parallelen zur Austria Salzburg neu (2005 nach der Übernahme des Bundesligisten durch Red Bull gegründet) angesprochen. Auch der neue GAK musste, ja wollte ganz unten starten. Raus aus der Wohlfühloase des Profifußballs und dem hellen Rampenlicht der Tradition. Stattdessen gab es Rumpelkick im steirischen Unterhaus. SV Peggau, USV Stiwoll oder FC Stattegg statt Sturm, Rapid oder Salzburg. Die Altlasten und die Dramen der vergangenen Jahre sollten weg: einmal vom Schmetterling zur Raupe und zurück.

Nur neun Jahre lagen zwischen dem 1:0 in der Qualifikation zur Champions League beim FC Liverpool und dem ersten Spiel des Nachfolgevereins GAC beim USV Judendorf in der steirischen 1. Klasse Mitte A. Der GAC, also Grazer Allgemeiner Club für Fußball, wurde später wieder in den Stammverein eingegliedert und heißt seither Grazer AK 1902. Die ehemalige Heimstätte Merkur-Arena überließ man dem Stadtrivalen Sturm und übersiedelte in den Norden von Graz. Das Sportzentrum Graz-Weinzödl ist gemietet und war zu Beginn grad einmal ein besserer Trainingsplatz. Mittlerweile fasst die Spielstätte 2500 Zuseher. Es gibt ein Vereinsheim und Trainingsplätze. Mit-, und umgebaut haben vor allem die Fans.

Fünf Jahre nach dem Neustart ist bei den Roten von Verzweiflung jedenfalls nichts mehr zu spüren. "Wir sind selbst überrascht", sagt Dielacher. Der GAK hatte den fünften Meistertitel in Folge gefeiert, stieg von der Landesliga in die Regionalliga auf. Am Samstag scheinen die Grazer nach sechs Jahren wieder in der ersten Runde des ÖFB-Cups auf. Der FC Marchfeld Mannsdorf aus Niederösterreich ist zu Gast. Es geht glamouröser, es geht aber auch bedeutend unbedeutender. Aber nicht viel klarer: Der GAK triumphierte mit 6:0.

Pfitschipfeil und Potpourri

In den vergangenen fünf Jahren brauste der GAK wie ein Pfitschipfeil durch das Unterhaus. Präsident Harald Rannegger (54) ist zufrieden, no na: "Der Anspruch war immer, es schnell wieder nach oben zu schaffen. Aber sicher nicht um jeden Preis." Beide Funktionäre wirken gelassen, an der Wand hinter ihnen hängen Devotionalien. Eine Wand voller Erinnerungen an die größeren Zeiten. Hier hat die Vergangenheit keinen Mief. Zwischendurch kommt ein älterer Mann in den Barbereich, zahlt eine Runde Getränke und lächelt.

Der GAK besticht vor allem durch seine Vielfältigkeit. Dielacher erinnert sich: "Damals setzten sich Vertreter aus allen Fanbereichen zusammen und wollten etwas Neues aufbauen", sagt der 41-Jährige. Zum GAK kommen Alt und Jung, Hippe und weniger Hippe, Fußballromantiker, Träumer, Nostalgiker, Hardcore-Fans und jene, die das alles noch werden wollen. Vor allem kommen zum GAK aber viele: Mittlerweile haben die Roten mehr als 1000 Mitglieder, der Zuschauerschnitt war schon seit der Neugründung im oberen Bereich aller Vereine in Österreich: In der vergangenen Landesligasaison kamen zu jedem Heimspiel durchschnittlich 2020 Zuschauer.

Tragend im Unterhaus

"Die Fans haben uns durch die Ligen getragen", sagt Gerald Säumel. Der 32-Jährige trägt seit 2013 das rote Trikot. Gerade zu Beginn war das ein Potpourri: Fans, Bekannte von Fans und Bekannte von Bekannten von Fans schnürten die Schuhe. Der jüngere Bruder des ehemaligen Teamspielers Jürgen Säumel, damals beim Regionalligaklub Kalsdorf unter Vertrag, ordnete "persönliche Ambitionen dem Projekt unter. Der Reiz, etwas aufzubauen zu helfen, war größer." Vor so vielen Leuten zu spielen war für die meisten besonders. Auch für die Gegner: "Für die anderen Teams gab es zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt gleich auf, oder man wächst über sich hinaus. Viele unserer Gegner spielten gegen uns außerordentlich gut", sagt Säumel. Seine Vergangenheit beim Stadtrivalen Sturm war für die Fans nie ein Thema: "Ich bin dankbar."

In Graz wird es wieder roter.
Foto: GAK/Fabio Schaupp

Wo soll es hingehen? Rannegger, Dielacher und Säumel sind sich einig: "Der GAK gehört in die Bundesliga." Wirtschaftlich bewegt man sich auf Samtpfötchen. Zu schwer ziehen die Gewichte der Vergangenheit. Aus den Fehlern wurde gelernt, es gibt nur einen Angestellten: Karl (59) wurde im Zuge der Aktion 20.000 geholt und hilft im Büro. Der Rest arbeitet ehrenamtlich: "Wir sind fast ein bisschen übervorsichtig. Alles wird wieder und wieder geprüft. Das kostet Zeit und Energie, aber alles andere wäre fahrlässig", sagt Dielacher.

Die Reise des GAK ist eine bemerkenswerte. Der Schmetterling schlüpft langsam und vorsichtig. Rannegger: "Die Regionalliga ist eine schwierige Liga. Es wird hart. Und wenn es Jahre werden, ist das auch okay." Zu Sturm gäbe es wenig Kontakt. Reibereien zwischen den Fans vergangenes Jahr kommentierte der GAK kritisch, aber auch selbstkritisch in einem offenen Brief. Das letzte Grazer Derby fand am 12. Mai 2007 statt. Nicht viele bezweifeln, dass die Stadt irgendwann wieder in Rot und Schwarz aufgeteilt sein wird.

Präsident Harald Rannegger (oben) blickt nicht in die Vergangenheit. Matthias Dielacher bleibt vorsichtig.
Foto: privat/Ulrike Rauch

Vorgeschmack?

Einen kleinen Vorgeschmack gibt es Anfang August in der zweiten Runde der Regionalliga: Der GAK empfängt die Amateure des Stadtrivalen. Aus Sicherheitsgründen wird in Liebenau gekickt. Der ursprüngliche Plan seitens des roten Veranstalters war, die Partie am Samstag auszutragen. Sturms erste Mannschaft spielt da auswärts in Innsbruck. Da aber auch der TSV Hartberg am Sonntag in Liebenau kickt, war das den Stadionbetreibern zu eng und es wurde auf Freitag verschoben.

Die organisierten Sturm-Fans gaben bekannt, dass das Spiel für sie sowieso nicht relevant sei und riefen dazu auf, nicht hinzugehen. Beim GAK ist man nicht traurig: "Wir wollten und wollen unsere Ruhe. Natürlich sind aber jene Sturm-Fans willkommen, die einfach einen Fußball-Nachmittag genießen wollen", sagt Dielacher. Derweil arbeitet man im Grazer Norden weiter am Schlüpfen. (Andreas Hagenauer, 20.7.2018)