Die Polizei hat ein Problem. Das gibt sie auch ganz offen zu: "Leider ist Rekrutierung nicht mehr so einfach wie früher, als man sich durch Säcke voller Bewerbungen wühlen und die besten Bewerber aussuchen konnte." Der Satz ist auf der Website des Bundesministeriums für Inneres zu lesen, in einem Artikel über neue Wege in der Personalsuche.

Bewerber gibt es zwar nach wie vor genug, ihre Qualität lasse aber teilweise zu wünschen übrig, sagt der Kommunikationschef des Innenministeriums, Alexander Marakovits. "Unser Motto ist es, die Besten der Besten zu finden. Die Leute müssen sportlich sein, aber auch Empathie zeigen und die rechtliche Materie kennen. Es ist ein vielfältiger Beruf, für den man viel mitbringen muss."

KTM mit einem besonderen Geschenk an die Salzburger Polizei: einem Sportwagen mit 300 PS. Er soll bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter helfen.
Foto: BM.I/Joel Kernasenko

Letztes Jahr habe man deswegen beschlossen, beim Recruiting anzusetzen und die Personalsuche zu modernisieren. "Wir haben uns angesehen, was die Polizei bisher gemacht hat. Da ist uns aufgefallen, dass das nicht gerade viel war", sagt Marakovits. Statt nur Inserate in Zeitungen zu schalten – was noch immer gemacht wird, auch im bereits mehrfach vom Presserat verurteilten "Wochenblick" –, gehe man nun dorthin, wo die Zielgruppe ist: "sportliche, lässige junge Menschen".

Infostände zum Polizeiberuf habe es beispielsweise bei der Formel 1 in Spielberg gegeben, beim Erzebergrodeo, aber auch auf einer Maturareise in Kroatien. Und als Recruitingmaßnahme dient auch der am Wochenende von KTM an den Generalsekretär des Innenministeriums übergebene Sportwagen: 300 PS stark und 100.000 Euro teuer. "Bewirb dich. Jetzt", ist auf der Tür zu lesen. Wenige Tage zuvor überreichten Niki Lauda und Mercedes' Formel-1-Teamchef Toto Wolff Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen Mercedes-Benz G 500 – ebenfalls für Rekrutierungsmaßnahmen.

Vorbild: Privatwirtschaft

Natürlich ist man auch online unterwegs und in allen sozialen Netzwerken aktiv. "Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass junge Menschen genau das konsumieren, wo wir inserieren." Man habe sich an den Recruitingaktivitäten von Unternehmen der Privatwirtschaft orientiert. "Mit ihnen konkurrieren wir ja schlussendlich", begründet Marakovits.

Kritik an der neuen Strategie – die, wie Marakovits betont, ohne externe Berater erarbeitet wurde – blieb nicht aus. Der oberste Polizeigewerkschafter Reinhard Zimmermann meinte etwa, dass mit einer Mär geworben werde, wenn man Luxusautos zeige.

Viele Rückmeldungen

Für Marakovits erfolgte die Kritik "zu Unrecht". Der Besuch bei der Maturareise sei eine der erfolgreichsten Veranstaltungen überhaupt gewesen. Und das Fahrzeug sei das billigste Werbemittel, das es gebe: "Das wird fotografiert, die Leute sprechen darüber und teilen das auf Social Media. Genau das wünschen wir uns." Außerdem könne man bei den Leuten voraussetzen, dass sie nicht glauben, man übe den Polizeidienst im Sportwagen aus. "So klug sind die Menschen schon."

Am wichtigsten sei ohnehin das persönliche Gespräch – und die Formulare, die von Interessenten ausgefüllt werden. 500 bis 1.000 Rückmeldungen gebe es pro Veranstaltung. "Das Konzept funktioniert, sonst hätten wir es bereits verworfen."

Fast 30.000 Menschen folgen der Polizei auf Instagram, wo auch um Bewerber geworben wird.

Zu einem etwas anderen Befund kommt Bernhard Heinzlmaier, Mitgründer des Instituts für Jugendkulturforschung. Für ihn wirkt das Werben eher wie eine "Verzweiflungstat", was er aber nachvollziehen kann, schließlich sei die Polizei, was den Nachwuchs angeht, in einer wirklichen Notsituation. Ähnlich wie beim Bundesheer ziehe man Menschen eines spezifischen Gesellschaftsmilieus an, "und zwar eher die Underdogs als die Akademiker".

Materialistische Anreize

Die aktuelle Strategie erinnert Heinzlmaier an die 1950er-Jahre: junge Menschen mit Konsumangeboten locken. "Damals warb etwa die Jungschar mit der Teilnahme an Ferienlagern, wenn man sich anschließt. Das ist purer Materialismus, aus idealistischen Gründen kommt da niemand zur Polizei."

Ein anderes Beispiel seien die Werbeaktionen von Banken gewesen, die für die Kontoeröffnung Konzerttickets verschenkten. "Da haben die Leute dann drei oder vier Konten gehabt und überall die Vorteile abgeräumt. Aber geblieben sind sie dann schlussendlich bei der Bank, bei der ihre Eltern sind."

Das Ziel könne das nicht sein. Vielmehr müsse eine bessere soziale Durchmischung erreicht werden. "Autoritäre, hierarchische Organisationsstrukturen, die bei Bundesheer und Polizei sicher notwendig sind, kommen in diesen Zeiten bei besser Gebildeten nicht gut an. Da müsste man sich also etwas überlegen."

Damit nicht nur pure Nutzenmaximierer kommen, empfiehlt Heinzlmaier, auch die sogenannten "Postmaterialisten" zu suchen und anzusprechen. Für sie zähle Moral mehr als Status. "Ihnen müsste man erklären, was die Polizei für den Zusammenhalt der Gesellschaft tut. Da gibt es ja eine Reihe an verdienstvollen Dingen." (Lara Hagen, 23.7.2018)