Der Fall Özil schlägt in Deutschland weiter hohe Wellen.

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FC-Bayern-Boss Uli Hoeneß wird nach seinen "dummen" Aussagen von Özil-Berater Erkut Sögüt zurechtgestutzt.

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DFB-Boss Reinhard Grindel sieht sich schwerer Kritik ausgesetzt.

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Berlin – Die harsche Kritik von Uli Hoeneß an Mesut Özil hat dessen Berater Erkut Sögüt auf den Plan gerufen. Sögüt attackiert nun den Bayern-Präsidenten. "Die Kommentare von Herrn Hoeneß verfehlen den eigentlichen Sinn komplett. Er versucht die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema, dem Rassismus und der Diskriminierung in Deutschland, abzulenken", sagte Sögüt dem Internetportal "Goal". "Außerdem kann er seine dummen Aussagen, die komplett übertrieben sind, nicht belegen", so Sögüt.

Özils Berater strich noch einmal die Leistungen seines Schützlings im DFB-Trikot hervor. Nicht weniger als 63-mal war der Weltmeisters von 2014 an Toren beteiligt, außerdem wurde er fünfmal zum Teamspieler des Jahres gekürt. Anlass für die Konterattacke waren Äußerungen von Hoeneß, der vor dem Abflug der Bayern zu einer US-Tour gesagt hatte: "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mistleistung hinter diesem Foto."

Sögüt fand nun seinerseits heftige Worte: "Herr Hoeneß, wir werden keine weitere Zeit und Energie aufbringen, um mit Ihnen über ein Thema zu reden, von dem Sie keine Ahnung haben. Sie sind nicht nur eine Schande für sich selbst, sondern vor allem für Bayern München und die Leute in Deutschland."

Grindel zum Rücktritt aufgefordert

Özils Rückzug und der Umgang des DFB mit der Causa befeuern weiterhin auch die politische Debatte in Deutschland. Grünen-Politiker Cem Özdemir hat DFB-Chef Reinhard Grindel den Rücktritt nahegelegt. Grindel habe sich "durch seine Äußerungen dermaßen außer Gefecht gesetzt", dass er nicht sehe, "wie der Neubeginn der Nationalmannschaft funktionieren soll mit ihm an der Spitze des DFB", sagte Özdemir der "Welt".

Grindel solle "sich kritisch hinterfragen, ob er noch der richtige Mann für dieses Amt" sei, so Özdemir. Der DFB hätte von Anfang an, unmittelbar nach dem umstrittenen Foto Özils mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, eingreifen und die Sache bereinigen müssen, sagte Özdemir. "Er hätte eine Klarstellung auch von Özil selber intern anmahnen müssen."

Eskalation

Stattdessen habe Grindel "im Vorfeld zugelassen, dass der öffentliche Streit in die Mannschaft hineingetragen wurde, und im Nachhinein wurde dann versucht, sich dieser Stimmung zu bedienen, und das Scheitern gewissermaßen ausschließlich Mesut Özil angelastet", kritisierte der Grünen-Politiker mit Blick auf das frühe WM-Aus der deutschen Nationalelf. "Das ist unverantwortlich – um nicht zu sagen: unanständig."

Özil hatte sich am Sonntag erstmals zu seinem Treffen mit Erdogan im Mai geäußert und anschließend erklärt, er wolle nicht mehr für Deutschland spielen. Er prangerte einen weit verbreiteten Rassismus gegen ihn als Deutschtürken an und erhob insbesondere schwere Vorwürfe gegen Grindel.

Mehrheit für Rücktritt Grindels

Die Mehrheit der Deutschen ist laut einer repräsentativen Umfrage des Nachrichtenportals "t-online.de" für einen Rücktritt von Grindel. 49,7 Prozent der 5.569 Befragten stimmten mit "Ja, auf jeden Fall" oder "Eher ja". Nur 36,6 Prozent sind dagegen und beantworteten die Frage mit "Eher nein" oder "Nein, auf keinen Fall". Nur 13,7 Prozent der Befragten gaben an, in dieser Frage unentschlossen zu sein.

Auffällig dabei ist, dass dies vor allen die Deutschen mit der Wahlabsicht SPD (71,4 Prozent), Grüne (75,1) und Linke (70,3) so sehen. Dagegen sind 73,8 Prozent der Deutschen mit Wahlabsicht AfD der Meinung, dass Özil zu Recht zum Sündenbock gemacht wurde. Auch eine Mehrheit der FDP-Anhänger (51,9 Prozent) bewertet das so.

Erdogan stellt sich hinter Özil

Anerkennung für seinen Schritt erntete Özil vom türkischen Präsidenten Erdogan, der den Kicker nach dessen Rücktritt angerufen und die Entscheidung begrüßt hat. "Ich habe am Montagabend mit ihm gesprochen. Seine Haltung ist national und einheimisch. Ich küsse seine Augen. Sie können unser gemeinsames Foto nicht hinnehmen. Ich stehe hinter Mesut aufgrund seiner Äußerungen", sagte Erdogan nach einer Parlamentssitzung in Ankara.

Mangelnde Vorbildfunktion

Der türkischstämmigen Linken-Politikerin Sevim Dagdelen fehlt bei Özils Angriffen auf den DFB wegen seiner unklaren Position zu Erdogan die nötige Redlichkeit. "Seine Kritik ist zwar berechtigt, aber Özil verspielt seine eigene Glaubwürdigkeit, wenn er sich mit Erdogan gemein macht, der dabei ist, in der Türkei einen islamistischen und ultranationalistischen Unterdrückungsstaat zu etablieren, der Kurden, Aleviten und andere Minderheiten diskriminiert", sagte die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag der "Augsburger Allgemeinen".

Aus Dagdelens Sicht ist Özils kritiklose Haltung gegenüber Erdogan und dessen Regime, die Özil in seiner Rücktrittserklärung zeigte, inakzeptabel. "Es ist ein Schlag ins Gesicht der unzähligen politisch Verfolgten in der Türkei, wenn die beschworene Verpflichtung gegenüber der Herkunft der Eltern nicht einmal jetzt dazu führt, dass Özil auch nur ein Wort über die Inhaftierung von deutschen Staatsbürgern als politische Geiseln oder die Verfolgung kritischer Journalisten verliert", sagte sie. "Das ist kein Ruhmesblatt für einen Spieler der deutschen Nationalmannschaft, der Vorbildfunktion hat und für Fair Play stehen sollte, nicht nur auf dem Rasen."

Löw nicht umfassend informiert

Nicht gerade ideal dürfte auch die Kommunikation zwischen Özil und Joachim Löw gelaufen sein, denn der Teamchef soll vom Rücktritt seines Schützlings aus dem Internet erfahren haben. "Weder der Bundestrainer noch ich waren vorab informiert", sagte Löws Berater Harun Arslan der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. Özils Berater Sögüt hatte den DFB demnach nur informiert, dass es am Sonntag eine Stellungnahme geben werde.

Löw urlaubt derzeit auf Sardinien, Arslan betreut ihn seit vielen Jahren. Seit Jahresbeginn hat Arslan auch eine Kooperation mit Özils Berater Sögüt und Ilhan Gündogan, dem Onkel und Berater von Nationalspieler Ilkay Gündogan. (APA, AFP, red, 24.7.2018)

Das war Özils Karriere im deutschen Nationalteam.
DER STANDARD