In der und um die Kirche von Jaunstein in Südkärnten finden heuer zum ersten Mal archäologische Ausgrabungen statt – durchgeführt von einem Team des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Der Fundort selbst ist kein neuer. Wegen mehrerer Meldungen von Knochenfunden südlich der Kirche wurden im Sommer 2008 südlich und östlich davon erstmals systematische Grabungen begonnen und im darauffolgenden Sommer fortgeführt. Dabei konnten 44 Gräber dokumentiert und teilweise geborgen werden. Wie in christlichen Friedhöfen üblich, waren in den Gräbern kaum Gegenstände im Sinne von Grabbeigaben, sondern lediglich einige wenige Bestandteile der Bekleidung zu finden. Dazu zählten beispielsweise Ohrringe und Gürtelschnallen. Diese erlaubten bereits 2009 eine erste chronologische Einordnung des Friedhofs in das späte 8. und 9. Jahrhundert, die Zeit des frühen Mittelalters.

Slawischer Vorgängerbau

In dieser Zeit war Kärnten Teil des slawischen Fürstentums Karantanien, das sich um die Mitte des 7. Jahrhunderts als eigenständige politische Einheit etablierte. Im Jahr 741/743 fällt Karantanien unter bairische Oberhoheit und wird am Ende des 8. Jahrhunderts gemeinsam mit Bayern von Karl dem Großen ins Frankenreich eingegliedert. Die Franken machen aus Karantanien eine Grenzmark gegen die Awaren. Erst im Jahr 976 wird die Karantanische Mark von Bayern getrennt und von Kaiser Otto II. zum eigenständigen Herzogtum Kärnten erhoben. Mit der bairischen Herrschaft werden die ursprünglich heidnischen Slawen Mitte des 8. Jahrhunderts zunehmend auch von der Christianisierung erfasst. Dies manifestiert sich nicht nur in einem Wandel der Bestattungssitten von Brandbestattungen zu Körperbestattungen, sondern auch in der Neugründung zahlreicher Kirchen im gesamten karantanischen Gebiet. Friedhöfe wurden von nun an rund um diese Kirchen angelegt.

Die Kirche von Jaunstein mit den beiden Grabungsschnitten im Friedhof südlich und westlich der Kirche.
Foto: M. Binder/ ÖAI@ÖAW

Während jedoch Friedhöfe aus karantanischer Zeit archäologisch gut belegt sind, sind frühe slawischen Kirchen größtenteils nur aus den schriftlichen Quellen bekannt. Auch in Jaunstein war bis dato nur die Existenz des Gräberfeldes aus dem Frühmittelalter bekannt, denn schriftlich wird in Jaunstein eine Kirche erstmals 1154 erwähnt. Doch legt das Gräberfeld mit seiner Datierung ins 8. Jahrhundert die Vermutung nahe, dass es einen Vorgängerbau gegeben haben könnte. Einen entsprechenden Hinweis auf einen frühmittelalterlichen Ursprung der Kirche könnte das Fragment einer Chorschranke mit Flechwerkzier, die in der Nähe der Kirche gefunden wurde und heute die Außenwand der Kirche ziert, bieten. Daher war es außerordentlich verlockend, als sich der archäologisch und historisch ausgesprochen interessierte Pfarrer von Globasnitz, der auch für die kleine Filialkirche in Jaunstein zuständig ist, bereiterklärte, erstmals auch im Innenraum der Kirche Ausgrabungen zu ermöglichen.

Die Chorschranke, die auf die Anwesenheit einer frühen slawischen Kirche im 8./9. Jahrhundert in Jaunstein hindeuten könnte.
Foto: F. Glaser/ Landesmuseum Kärnten)

Kirchengeheimnis

So wurde im Juli 2018 erstmals der Boden der nördlichen Kirchenhälfte sowie im Bereich vor dem Altarraum geöffnet – ein nicht unaufwendiges Unterfangen, wurden die Bodenplatten doch erst vor 20 Jahren in einem massiven Betonestrich verlegt. Im Laufe der Grabung konnten insgesamt drei verschiedene Bodenniveaus sowie verschiedene bauliche Reste vom Barock zumindest bis ins Hochmittelalter (10. bis 12. Jahrhundert) dokumentiert werden. Obwohl direkte Beweise, die die Existenz einer frühmittelalterlichen Kirche zweifelsfrei belegen könnten, bisher fehlen, deutet der Fund zweier – jedoch bisher undatierter – Gräber, die im westlichen Innenraum der Kirche von den mittelalterlichen Mauern gestört waren, darauf hin, dass die ältere Kirche wohl deutlich kleiner war.

Grabungsarbeiten im Inneren der Kirche.
Foto: H. Schwaiger/ ÖAI@ÖAW

Viele Kinderskelette

Auch im Friedhof westlich, südlich und östlich der Kirche wurden Grabungen durchgeführt. Wie bereits in den früheren Kampagnen konnte auch in den neuen Grabungsschnitten eine dichte Belegung mit West-Ost-orientierten Bestattungen festgestellt werden. Besonders auffallend war die große Anzahl an Kinderskeletten, die einen ersten Einblick in die Lebensbedingungen der Karantanen geben. Diese werden auch infolge eines bioarchäologischen Forschungsprojekts an den ausgesprochen gut erhaltenen Skeletten am ÖAI in Wien erforscht werden.

Frühmittelalterliche Bestattung im westlichen Gräberfeldbereich.
Foto: ÖAI/ÖAW
Reste eines frühmittelalterlichen Ohr- oder Haarrings aus Bronzedraht aus dem Grab eines Kindes.
Foto: M. Binder/ ÖAI@ÖAW

Unterstützung aus Ankara

Neben dem Forschungsaspekt war aber auch wieder die Ausbildung von Studierenden ein wichtiges Ziel der Grabung. So nahmen neben Studierenden der Urgeschichte und Historischen Archäologie sowie der Anthropologie auch drei Master- beziehungsweise PhD-Studierende des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Ankara im Rahmen eines neu initiierten Programmes an der Grabung teil. Dessen Ziel ist es, türkischen Archäologinnen und Archäologen die Gelegenheit zu bieten, einerseits einen tieferen Einblick in die Methoden der österreichischen Feldarchäologie in unterschiedlichen Facetten zu gewinnen und andererseits auch die regionalen Spezifika der österreichischen archäologischen Landschaft kennenzulernen. Ermöglicht wurde dieses Programm mit finanzieller Unterstützung von ÖTZ, dem Verein für österreichisch-türkische Zusammenarbeit.

Die beiden Archäologinnen aus Ankara beim Freilegen der Bestattung im Innenraum der Kirche.

An einem Fundplatz wie diesem hier in Jaunstein zu arbeiten bedurfte zweifelsfrei einer gewissen Umstellung, wenn man die Arbeit an archäologischen Stätten in der Türkei gewohnt ist. So sind die materiellen Hinterlassenschaften des Früh- und Hochmittelalters im inneralpinen Raum kaum mit jenen Anatoliens zu vergleichen und bedeuten eine Erweiterung des Erfahrungsschatzes. Die Bestattungen des Gräberfeldes und in der Kirche erlaubten ein erstes Kennenlernen beziehungsweise eine Vertiefung von spezifischen Freilegungsmethoden. Zusätzlich lag ein Schwerpunkt auf unterschiedlichsten Dokumentationsarten, die auch eine Erweiterung der bereits vorhandenen Kenntnisse darstellten.

Neben der Archäologie bot sich auch die Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen – dies auf der einen Seite durch Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung des Kärntner Unterlands und auf der anderen Seite durch den alltäglichen Kontakt. Besonders beeindruckend waren dabei die Kärntner Gastfreundschaft und das große Interesse der Bevölkerung an den archäologischen Arbeiten. So gab es unzählige Besuche von Interessierten, wobei vor allem der unmittelbaren Nachbarschaft auch das leibliche Wohl der Grabungsmannschaft am Herzen lag. (Michaela Binder, Helmut Schwaiger, Matthias Sudi, 26.7.2018)