Zwar stellen sich rund 20 Parteien zur Wahl, wie etwa die Kambodschanische Nationality Party, ...

Foto: APA/AFP/TANG CHHIN SOTHY

... Doch jeder weiß, wer auch diesmal der Sieger sein wird: Hun Sen und seine Kambodschanische Volkspartei (CCP).

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Sak schaufelt sich einen Teller Mekong-Fisch und Reis in den Mund. Dazu Wasser aus dem Plastikbecher. Der Tuk-Tuk-Fahrer macht Mittagspause vor einem Straßenrestaurant in Phnom Penh. "Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern", sagt der 28-Jährige mit vollem Mund.

So wie er sind 16 Millionen Kambodschaner am Wochenende aufgerufen, eine neue Regierung zu wählen. Sie werden es, das lässt sich schon jetzt vermuten, ähnlich sehen wie Sak – oder sehen müssen: Zwar stellen sich rund 20 Parteien zur Wahl. Doch weiß jeder, wer auch diesmal der Sieger sein wird: Hun Sen und seine Kambodschanische Volkspartei (CCP). Denn dafür hat der Premier gesorgt.

Seit Jahrzehnten führt der 65-jährige Ex-Offizier der Roten Khmer das Land mit eiserner Faust und mithilfe einer kleinen Gruppe von Generälen und Vertrauter. Internationale Organisationen werfen ihm Menschenrechtsverletzungen vor. Die Gerichte sind ihm hörig.

Großflächige Enteignungen von Grund und Boden gehören praktisch zum Alltag. Die Fälle gleichen einander: Arme Bauernfamilien werden von ihrem Land vertrieben, damit ein dem Regime assoziierter General oder Geschäftsmann die Bulldozer auffahren und ein Spielkasino bauen kann, eine Hotelanlage, ein Industrieprojekt. Hun Sen, seine Familie und Vertrauten kämen dabei nicht zu kurz, so Beobachter.

Widerstand im Flüsterton

Auf dem Papier zumindest ist das südostasiatische Land eine parlamentarische Wahlmonarchie – eine Demokratie. Doch das ist Fassade. Spätestens seit 2013 ist sie im Gegenteil Hun Sens Albtraum: Bei den Wahlen damals hatte es die oppositionelle Kambodschanische Rettungspartei (CNRP) auf 44 Prozent der Stimmen gebracht und sich 55 der 123 Parlamentssitze gesichert. Hun Sen werde "alles daransetzen, das diesmal zu verhindern", sagt ein Anhänger der Opposition in Phnom Penh. Er hat Angst, viel zu sagen. Schweigen oder strikte Anonymität sind heute in Kambodscha für Kritiker ein Muss.

"Sie sehen, ich flüstere sogar in meiner eigenen Wohnung", sagt die Journalistin Jodie DeJonge. Hoch über den Dächern Phnom Penhs sitzt sie in einem kleinen Apartment. "Vielleicht übe ich einfach Selbstzensur. So weit bin ich inzwischen", sagt sie.

Seit ein paar Monaten ist DeJonge arbeitslos. Die ehemalige Chefredakteurin von "Cambodia Daily" ist eines von vielen Opfern des Regierungsfeldzugs gegen die Medien. Im September musste das englischsprachige Qualitätsblatt schließen – auf Druck von Hun Sen. Die Zeitung hatte über illegale Abholzung berichtet, über Korruption und Machtmissbrauch durch Hun-Sen-Adlaten.

Gelegentlich bezahlen Andersdenkende mit dem Leben. 2016 wurde der regimekritische Kommentator Kem Ley am helllichten Tag in einer Tankstelle in Phnom Penh erschossen. Jodie DeJonge glaubt nicht, dass es im Umfeld der Wahlen zu Problemen kommen wird, und schon gar nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. "Die Leute haben nicht protestiert, als ihnen die Versammlungsfreiheit genommen wurde. Oder als Oppositionsführer Kem Sokha in Haft kam."

Pekings "bester Freund"

Die EU und die USA haben in den letzten Wochen ihre Unterstützung für die Wahlen aus Protest zurückgezogen. Brüssel will Sanktionen prüfen. Dabei ist es primär den Vereinigten Staaten und der EU zu verdanken, dass Kambodscha sich wirtschaftlich in den vergangenen 30 Jahren geradezu vorbildlich entwickeln konnte. Westliche Länder haben Milliarden in den Wiederaufbau investiert. Laut Weltbank ist das Land einer der besten Wachstumsperformer der Welt. Hunderttausende Arbeitsplätze wurden in den letzten Jahrzehnten geschaffen – allen voran in der Textil- und Schuhherstellung und im Tourismus. Die historische Tempelanlage Angkor Wat sehen viele als Muss-Destination.

Hun Sen kann es sich nun aber leisten, den USA und Europa den gestreckten Mittelfinger zu zeigen. Chinas Präsident Xi Jinping behandelt ihn wie seinen besten Freund. "China hat in wenigen Jahren mehr Geld investiert als die EU in den letzten Jahrzehnten", rechnet ein US-Geschäftsmann vor. Ob Hun Sens Strategie einer Verbrüderung mit China aber am Ende aufgehen wird? Unbestritten ist, dass die Rechnung steigt. Gegenwärtig schuldet Kambodscha dem "guten Freund" mehr als vier Milliarden Dollar.

Zudem teilen nicht alle Kambodschaner Hun Sens Begeisterung. In Phnom Penh und der Küstenprovinz Preah Sihanouk regt sich Widerstand gegen die vermeintliche "Übernahme" ganzer Stadtteile durch Chinesen.

Die lokale Bevölkerung fühlt sich teils verdrängt. "Chinesische Mafiakriminelle laufen Amok", sagt die 23-jährige Hotelangestellte San und rät Gästen davon ab, die Provinz zu besuchen. (Urs Wälterlin aus Phnom Penh, 28.7.2018)