Stau in Wien wollen die Grünen per Maut verringern.

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Maria Vassilakou lässt nicht locker. Die grüne Vizebürgermeisterin Wiens pocht weiter auf die Citymaut. Und das obwohl sie sich bereits Anfang Juli Absagen sowohl aus Niederösterreich und dem Burgenland sowie aus Wien vom roten Koalitionspartner abgeholt hat.

Eine Erhebung der zuständigen Magistratsabteilung für Stadtentwicklung (MA18), die Vassilakou in Auftrag gegeben hatte, soll – wie DER STANDARD berichtete – mit Zahlen untermauern, was die Grünen-Politikerin seit Sommerbeginn predigt. Eine Citymaut innerhalb des Wiener Gürtels bringe weniger Autos, weniger Schadstoffe.

Das Verkehrsaufkommen entlang des Donaukanals würde sich laut Studie am Tag von 49.100 auf 35.700 Autos verringern, an der Wienzeile wird ein Rückgang von 36.300 auf 27.100 Kfzs prognostiziert. Die CO2-Belastung würde mit der Gebühr ab dem Gürtel um rund 20 Prozent auf 3.321 Tonnen pro Tag sinken.

Jede Gebühr lenkt

Die von der MA 18 berechneten Effekte seien "plausibel", sagt Ulrich Leth, Experte für Verkehr an der Technischen Uni Wien, zum STANDARD. Was in der Berechnung weiterhin fehlt, ist der Preis, der zu zahlen sein soll, wenn man den Gürtel queren will. Ein Lenkungseffekt tritt laut Leth bereits ab einem geringen Betrag von ein bis zwei Euro ein. Auch eine Gebühr, die entweder nur zu den Stoßzeiten eingehoben wird oder während dieser höher ist, könne helfen. "Der Verkehr verschiebt sich, zu Spitzenzeiten fahren nur noch diejenigen, die zu dieser Zeit auch wirklich unterwegs sein müssen", erklärt Leth. Je höher der Preis für die Stadtfahrt, desto eher der Umstieg auf andere Verkehrsmittel.

Ein soziales Problem sieht Leth in der Citymaut nicht, egal bei welchem Preis. Gerade die geringste Einkommensschicht leiste sich oftmals kein Auto.

Ein Problem stelle jedoch die technische Umsetzung einer Mautgebühr dar. Sollten Autofahrer ab dem Gürtel zur Kasse gebeten werden, müsse man entsprechende Kontrollen einführen; beispielsweise Überkopfkameras bei jeder Einfahrtsmöglichkeit in die Gebührenzone – was zu hohen Kosten führen würde. Und: Mautstellen seien sehr "unflexibel", erinnert Leth. Die Grenzen müssten von Anfang an fixiert werden, eine Anpassung könne – im Gegensatz zu Parkpickerlzonen – nur mit großem Aufwand erfolgen.

Frage nach Zielgruppe

Hier stellt sich für Leth die Frage, wer eigentlich die Zielgruppe der Maut sein soll. Bei einer Grenze ab dem Gürtel wären logischerweise nicht nur Pendler aus dem Wiener Umland betroffen, sondern auch Binnenpendler, die von den Außenbezirken in die Innenstadt fahren. Setzt man die Grenze außerhalb von Wien an, würde man hingegen den Binnenverkehr eher fördern und die Wiener entlasten.

Zudem braucht es parallel zu "Push-Maßnahmen" auch "Pull-Anreize". Etwa durch die Verbesserung des öffentlichen Verkehrsnetzes auch außerhalb der Stadtgrenzen. So bedürfe es etwa einer engeren Taktung der S-Bahn. Dies scheitere derzeit an der Finanzierung und der Koordination zwischen Wien und Niederösterreich. In Wien wünscht sich Leth eine Attraktivierung des Radverkehrs – mehr als die Hälfte aller Wege sei kürzer als fünf Kilometer und daher perfekt fürs Rad.

Keine Geldbeschaffung

Eine Citymaut sei jedenfalls keineswegs eine "Geldbeschaffungsmaßnahme", sondern habe lediglich das Ziel, den Verkehr umzulenken. Funktioniert die Maut, reduzieren sich die Einnahmen, weil weniger Autos in die Stadt fahren, sagt Leth. (Oona Kroisleitner, 3.8.2018)