Der ehemalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil war zwar bei der Sitzung zum neuen Programm nicht dabei, übte aber danach scharfe Kritik an Parteichef Christian Kern.

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Wien – Nachdem der burgenländische Landesrat und frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Donnerstag via "Kronen Zeitung" Kritik am Kurs der Bundes-SPÖ geübt hat, rücken jetzt diverse Landesorganisationen zur Verteidigung von Parteichef Christian Kern aus.

Mehrheitlich versuchen die Roten in den Ländern zu kalmieren, einige üben aber auch teils heftige Kritik an Doskozil. Nur in Wien will man sich vorerst lieber nicht in die Debatte einmischen.

Was war geschehen? Nach der Präsentation des neuen roten Parteiprogramms und dem von Kern hervorgehobenen Fokus auf Klimaschutz rückte der burgenländische Landesrat, der bei der entsprechenden Präsidiums- und Vorstandssitzung selbst nicht anwesend war, mit folgender Botschaft aus:

Das Thema Migration dürfe nicht ignoriert werden, der neue Kurs mit den Schwerpunkten Klima und Weltoffenheit habe ihn überrascht: "Wir dürfen keine grün-linke Fundi-Politik betreiben. Da schaffen wir uns selbst ab."

"Migrationsthema bewegt Österreicher"

"Das muss doch in der Grundlinie der Partei sein, dass wir uns um Themen kümmern, die die Österreicher bewegen. Und Migration gehört hier dazu", sagte Doskozil laut Online-"Krone". Es sei zwar wichtig, dass die SPÖ für gesunde Lebensmittel und gegen die Glyphosat-Verseuchung der Böden kämpft, allerdings müsse das Thema Zuwanderung sehr wohl auch von der SPÖ besetzt werden: "Dazu wird's einen Leitantrag beim Parteitag im Oktober geben", kündigte er an.

Kurz nachdem Parteichef Christian Kern das neue Parteiprogramm präsentiert hat, in dem der Klimaschutz eine zentrale Rolle spielt, mahnt der burgenländische Landesrat und frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil seine Partei sehr deutlich: "Wir dürfen keine grün-linke Fundi-Politik betreiben."

ORF

Laut "Kurier" habe die Themensetzung auf den Klimawandel auch parteiintern für Erklärungsbedarf von Kern und Bundesgeschäftsführer Max Lercher gesorgt. Unmut soll es auch in den Ländern gegeben haben, da man diese nicht vorab informiert hat, dass man die Öko-Karten stärker spielen will. Die "Krone" zitierte einen Sprecher Kerns, der den Kurs verteidigte: "Christian Kern ist ja kein linker Träumer. Natürlich werden Migrationsfragen nicht ausgeblendet."

Unterstützung für Kern gab es jedenfalls umgehend auf Twitter – unter anderem von seinem Sohn. Dieser stellte in den Raum, dass Doskozils Beliebtheitswerte dürftig seien.

Ähnlich sieht das der niederösterreichische Abgeordnete Andreas Kollross: "Vielleicht sollte man den Freunden im Burgenland, die da regelmäßig über das Leithagebirge nach Wien Diverses ausrichten, mal genauer vor Augen führen, wie groß der prozentuelle Anteil am SPÖ-Gesamtergebnis ist. Glaube, es sind um die sechs Prozent. Mein Wahlkreis hat nicht viel weniger", schrieb Kollross am Freitag auf Twitter.

Brückenbauer Niessl

Den kolportierten Unmut wollte man in den Ländern so nicht stehen lassen. Eine Landesorganisation nach der anderen meldete sich am Freitag – durchaus positiv angetan vom neuen Programm – zu Wort. Zuletzt rang sich auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl eine Erklärung ab, in der er mehr oder weniger Kerns wie Doskozils Position als berechtigt empfindet.

Neben Klima- und Umweltschutz hätten auch die Themen Sicherheit und Migration für viele in der SPÖ einen hohen Stellenwert. Beides sei durchaus kompatibel. "Wenn man ausschließlich auf Klimaschutz, Naturschutz und Umweltschutz setzen würde, wäre das schlecht", findet Noch-SPÖ-Landeschef Niessl.

Zur Frage, ob Kern noch der bevorzugte Parteivorsitzende sei, sagte Niessl: "Ich gehe davon aus, dass Christian Kern als einziger Kandidat beim Parteitag als Vorsitzender antritt." Er erwarte sich sowohl für Kern als auch für Doskozil als einen seiner Stellvertreter gute Wahlergebnisse.

Ähnlich sieht das der steirische SPÖ-Vorsitzende Michael Schickhofer. Er findet: "Wir brauchen Christian Kern und Hans Peter Doskozil, wir brauchen die ganze Breite."

Heiß ist's

Der Kärntner Landesparteichef Peter Kaiser erklärte: "Beim Parteivorstand haben wir einhellige Zustimmung und eine sehr, sehr große Geschlossenheit gehabt." Über die Bedeutung der Klimastrategie habe es keine Diskussionen gegeben: "Was das angeht, sind wir die einzige ernstzunehmende Partei, die sich mit Fragen der Zukunft beschäftigt." Die Berichterstattung über die Kritik des burgenländischen Landesrats Doskozil hält Kaiser für überzogen: "Ich habe gehört, dass er das, was wiedergegeben wurde, nicht eins zu eins so gesagt hat." Und: "Man weiß ja, welche Jahreszeit derzeit ist."

"Missverständnis"

Für den niederösterreichischen SPÖ-Chef Franz Schnabl ist die entbrannte Diskussion "ein Missverständnis". Es sei "ganz klar, dass wir dem (in Ausarbeitung befindlichen, Anm.) Migrationspapier hohe Bedeutung beimessen". Mit dem Thema Klimawandel sei das Parteiprogramm "ergänzt und erweitert worden". Christian Kern sei "natürlich" der favorisierte Parteivorsitzende.

"Im Unterschied zu Doskozil" sei er, Schnabl, am Dienstag im Präsidium und im Vorstand dabei gewesen, sagte der niederösterreichische Parteivorsitzende am Freitag zur APA. Es gebe keine Priorisierung, vielmehr sei ein Thema ergänzt worden, "das Bedeutung hat". Immerhin sei Klimawandel neben Kriegen der Hauptauslöser für Flucht und Migration, so Schnabl. "Es gibt keinen Grund zur Aufregung."

Arbeitsgruppenleiter Doskozil und Kaiser

Das Migrationspapier einer von Landeshauptmann Kaiser und Doskozil geführten Arbeitsgruppe werde Ende des Monats fertig sein und am 13. September diskutiert. Schnabl gab sich auch überzeugt, dass Kern beim Parteitag im Oktober "einziger Kandidat" als Parteivorsitzender sein werde. "Und er wird ein super Ergebnis einfahren."

Auch Tirols SPÖ-Vorsitzende Elisabeth Blanik stärkt dem Chef den Rücken. Er sei "selbstverständlich" der geeignete Parteichef, das neue Programm hält sie für "ein sehr gutes". In Sachen Klimaerwärmung bestehe Handlungsbedarf, argumentierte Blanik: "Das geht uns alle an. Man braucht derzeit nur aus dem Fenster zu schauen." Außerdem sollte der Klimawandel in einem größeren Zusammenhang gesehen werden und welche Rolle er als Fluchtursache spiele. Die Sozialdemokratie sei bekannt für "internationale Solidarität", und diese sei auch in dem Bereich gefragt.

"PR-Geschichte"

Doskozils Kritik am Bundeskurs interpretierte Blanik als "PR-Geschichte". Wahrscheinlich wolle er die nötige Aufmerksamkeit auf seine Arbeitsgruppe und die Präsentation der Ergebnisse ziehen. Einen Graben mache sie innerhalb der Sozialdemokratie nicht aus. Es sei in einer Partei selbstverständlich, dass es zu unterschiedlichen Themen auch verschiedene Meinungen gibt, so Blanik: "Diese müssen dann konstruktiv diskutiert werden."

Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gersthofer erklärte: "Wir hatten gestern, als Herr Doskozil das gesagt hat, mit 37 Grad den Höhepunkt der Hitzewelle." Und: "Die paar Zwischenrufe aus dem Burgenland gehen im Neusiedlersee unter." Der Vorwurf, dass die Migration im Parteiprogramm nicht behandelt werde, "ist einigermaßen seltsam", findet Gerstorfer. Denn Doskozil leite gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann die Arbeitsgruppe Integration und Migration. "Diese Kritik richtet er also gegen sich selbst. Aber das lässt sich ja leicht ausräumen – Herr Doskozil müsste nur konkrete Ergebnisse vorlegen."

"Zutiefst soziale Angelegenheit"

Rückendeckung für Kern kommt auch vom Salzburger SPÖ-Vorsitzenden Walter Steidl. "Unser Parteivorsitzender macht eine sehr gute Arbeit und hat meine hundertprozentige Unterstützung. Ich schätze seine Art der verbindlichen und verbindenden Politik." Steidl selbst hat am Dienstag urlaubsbedingt nicht am Bundesparteipräsidium teilgenommen. "Es ist aber eine zutiefst soziale Angelegenheit, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen der Migration zu finden, als auch die Gründe und die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen und eine intakte Umwelt und nachhaltiges Wirtschaften sicherzustellen." Allein schon deshalb, weil diese Punkte in direktem Zusammenhang stünden.

Auch der designierte Vorarlberger SPÖ-Landesvorsitzende Martin Staudinger zeigte sich "verwundert" über die Diskussion um den Kurs seiner Partei. Dass es im Parteivorstand am Dienstag über die grünen Themen unterschiedliche Positionen gab, bestritt Staudinger. "Nein, es wurde gar nicht gestritten. Ich erwarte mir, dass jetzt auch medial nicht gestritten wird", sagte er zur APA. Auch er sieht den Klimaschutz nur als eines von vielen Themen für seine Partei, "auch wenn es medial herausgegriffen wurde".

Wiener Schweigen

Einzig in Wien gab es am Freitag weder aus dem Büro des Bürgermeisters Michael Ludwig noch aus der Landespartei eine Stellungnahme zu dem Thema.

Sehr wohl kommentieren wollte die Debatte Nationalratsabgeordneter Harald Troch, der auch SPÖ-Bezirksparteichef in Simmering ist. Er sieht die Aussagen Doskozils "positiv". Es sei gut, dass Positionen in der Öffentlichkeit diskutiert würden. "Die SPÖ muss mehrheitsfähige Politik machen", findet Troch. Da werde man um die Themen Flüchtlinge, Migration und Integration nicht herumkommen, denn dies beschäftige viele Leute. "Und es genügt nicht nur, den Menschen zuzuhören, sondern man muss Vorschläge machen."

Parteichef Kern wollte Troch nicht angreifen – im Gegenteil, sogar "verteidigen". Denn dieser wolle verständlicherweise Akzente setzen. "Aber für den Parteivorsitzenden stellt sich eben die Frage: Was ist mehrheitsfähig?"

Klimaerklärung Kerns

Im Laufe des Freitagnachmittags meldete sich auch noch Parteichef Christian Kern selbst auf Facebook zu Wort. In dem Statement hielt er fest, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein Kampf für soziale Gerechtigkeit sei. Die Klimakrise sei ein Thema, das alle Lebensbereiche berührt, so der Parteivorsitzende.

"Der drohende Klimawandel ist zu einer sozialen Schlüsselfrage geworden", ob die nächsten Generation ein gutes Leben führen könne, werde sich daran entscheiden, ob es gelinge, den Klimawandel zu bremsen, verteidigte Kern den Fokus auf ursprünglich grüne Kernthemen. "Manche möchten vielleicht noch geneigt sein, dieses Thema als unwichtig oder Randerscheinung abzutun. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Sozialdemokratie mit gleicher Leidenschaft um dieses Thema kümmern muss, mit dem wir insgesamt unseren Kampf für soziale Gerechtigkeit führen", erklärte der Parteichef.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat

Die Auswirkungen des Klimawandels betreffe auch Österreich, verwies Kern auf Trockenheit, Ernteausfälle oder Überschwemmungen. "Die Klimakrise ist aber auch eine ganz entscheidende Ursache für Migration", gab er zu bedenken. Menschen, deren Lebensgrundlage zerstört ist, werde auch keine noch so hohe Mauer aufhalten: "Ohne Bekämpfung der Klimakrise kann es daher auch keine sinnvolle und vor allem wirksame Migrations- und Flüchtlingspolitik geben."

Zentrale Frage für die SPÖ seien die Arbeitsbedingungen in langen Hitzeperioden. So würde die SPÖ es "niemals zulassen, dass ein Pflasterer zwölf Stunden bei 36 Grad arbeiten muss". "Sozialdemokratische Klimapolitik rückt den Kern sozialdemokratischer Politik, nämlich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, auch ins Zentrum der Umweltpolitik", so Kern weiter. Auch sollen Entwicklungsländer in der Bewältigung der Klimakrise unterstützt werden. (APA, 10.8.2018)