In einer an Sommerlochthemen nicht armen Saison hat es die Stadt Wien geschafft, sich besonders hervorzutun. Ab September gilt in der U6, ab Jänner 2019 in allen U-Bahn-Linien der Stadt ein Essverbot. Viele Menschen fühlen sich in der Tat gestört, wenn ihr Sitznachbar einen Hotdog oder einen Döner verputzt und dementsprechend Gerüche verbreitet. Die Stadt argumentiert zudem mit zusätzlichen Kosten durch die entstehende Verunreinigung. Die Motivation hinter dem Verbot ist also im Grunde nachvollziehbar.

Toleranz in der Großstadt

Die Maßnahme bleibt dennoch falsch. Das Zusammenleben in der Stadt erfordert zwei Dinge: Rücksichtnahme und Toleranz. In einer Metropole begegnet man ständig wildfremden Menschen, die nerven. Manche sind laut, andere verhaltensauffällig, viele reden komisch oder kleiden sich ungewöhnlich – andere verbreiten Gerüche.

Das ist nicht zu ändern. Es gibt in der Stadt kein Recht auf ein stilles, ruhiges und nur von natürlichen Düften erfülltes Leben, das viele auf dem Land führen können. Dass sich nun viele Menschen in der Stadt nicht darum scheren, was um sie herum passiert, erlebt jeder im Alltag. Der Sitznachbar in der U-Bahn telefoniert extrem laut oder hält einem das stinkende Essen direkt vor die Nase. Zuerst aus- und dann einsteigen zu lassen ist für viele als Verhaltensregel im öffentlichen Verkehr offenbar zu kompliziert. Und zu wenige Menschen stehen für Ältere oder Familien mit Kleinkindern auf und machen einen Sitzplatz frei. Mehr Rücksichtnahme täte der Stadt gut. Aber genauso ist mehr Toleranz notwendig.

Geruchsbelästigung durch Essen ist im städtischen Kosmos zum Beispiel sogar eine vergleichsweise geringe Unannehmlichkeit, die sich aushalten lässt. Dass sich in einer Umfrage der Stadt Wien, an der sich online mehr als 50.000 Menschen beteiligt haben, eine deutliche Mehrheit für ein Essverbot in der U-Bahn ausgesprochen hat, und zwar wegen der Geruchsbelästigung, gibt zu denken. Sind wir solche Sensibelchen geworden?

Eine kluge Strategie der Wiener Linien wäre es gewesen, statt des Verbots auf eine Kampagne zu setzen, die mehr Bewusstsein schafft und alle anspricht. Also jene, die in jeder noch so vollen U-Bahn ein Leberkässemmerl essen müssen, und jene, die sich davon bis ins Mark erschüttern lassen.

Und das Argument der Wiener Linien mit der Verunreinigung vermag gar nicht zu überzeugen. Wenn die Stadt gegen Verunreiniger vorgehen will, soll sie diese härter und öfter strafen und nicht Essverbote für alle aussprechen.

Falsche Symbolik

Hinzu kommt, dass Wien und die Wiener Linien mit ihrer Maßnahme eine falsche Symbolik aussenden. Das beginnt damit, dass zunächst die Verbote nur in der U6 gelten werden, einer Linie, die von vielen als Strecke wahrgenommen wird, auf der besonders viele "Ausländer" unterwegs sind. Ist dieser Fokus auf die U6 wirklich notwendig und sachlichen Argumenten geschuldet? Zweifel bestehen. Warum bleibt eigentlich die Straßenbahn außen vor?

Hinzu kommt aber ohnehin noch ein anderer Aspekt: Die Großstadt war schon immer laut und schmutzig. In vielen Metropolen, gerade in Wien, hat sich in der jüngeren Vergangenheit einiges gebessert. Der Autoverkehr ist zurückgegangen, mehr Menschen fahren mit dem Rad. Die Stadt investiert in Lärmschutzprojekte, strengere Bauauflagen sorgen für besseren Lärmschutz bei Wohnungen.

Pkw-Motoren sind leiser geworden. Die Stadt hat auch viel gegen Verunreinigung getan. Wien ist also vermutlich leiser und sauberer als je zuvor. Dass angesichts dieser guten Entwicklung die Stadtverwaltung nun die Aufmerksamkeit ausgerechnet auf vermeintliche Probleme mit Essen in der U-Bahn lenkt, kommt einem politischen Eigentor der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) recht nah. (András Szigetvari, 16.8.2018)