David Fuchs schreibt neben seinem Hauptberuf als Onkologe und Palliativmediziner.

Foto: Fotowerk Aichner

David Fuchs: "Bevor wir verschwinden". € 19,90 / 216 Seiten, Innsbruck – Wien: Haymon 2018.

Foto: Haymon

Wer hätte die Serie Klinik unter Palmen je aus medizinischen Gründen geschaut? Man wusste, sie ist nur Kulisse für Liebe und Grießschmarrn. Das Genre Arztserie – und in der Literatur der Arztroman – lässt sich kaum ohne begleitendes Liebesleiden denken.

So ist es auch im Romandebüt Bevor wir verschwinden von David Fuchs. Bereits 2016 gewann er mit einem Auszug den FM4-Literaturbewerb "Wortlaut". Der 37-Jährige ist selbst hauptberuflich Arzt, das trägt die 200 Seiten. Nicht zwischen Arzt und Krankenschwester knistert es bei ihm, sondern zwischen Arzt und Patient.

Grillhendl im Nachtdienst

Hauptfigur ist Medizinstudent Ben, der sein erstes Praktikum auf einer Krebs-Station absolviert. Unter den Patienten trifft er auf seinen Exfreund Ambros. Der wird sterben. Das Verschwinden ist Ambros’ Obsession, mit seiner Polaroidkamera hält er die anderen Sterbenden fest. Und Dinge, die er aus seiner Wohnung weggegeben hat. Sein Leben ist schon halb aufgelöst. Damit konfrontiert steigen alte Gefühle in Ben auf, sie waren in der Schule ein Paar.

Die Handlung spielt 2002, damals absolvierte auch der Linzer Autor erste Krankenhauspraktika. Die Liebesgeschichte ist erfunden, nicht aber die Vorgänge auf der Station. Fuchs verrät, was dort im Hintergrund läuft: Oberärzte grillen im Nachtdienst Hühnchen. Shops verkaufen überteuerte Merci-Schokolade, weil Patienten diese den Pflegern gern schenken. Das Anmeldeformular zur Sektion heißt kurioserweise "Obduktionseinladung".

Einblicke ohne Kitsch

Dann gibt es noch die resolute Krankenschwester Ed und die Patientin mit Wangentumor, der beim Essen Brösel aus dem Loch in der Backe rieseln. Wir sind beim Setzen einer Punktionsnadel dabei.

Die Einblicke sind oft witzig, dann wieder ernst oder nachdenklich. Die eher zurückhaltend erzählte Geschichte der jungen Männer bleibt dagegen weniger interessant. Doch sie umschifft Kitsch. Wer würde Bevor wir verschwinden wegen der Liebesstory lesen. (Michael Wurmitzer, 21.8.2018)