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Steve Bannon, Trumps Ex-Chefstratege, macht in Europa mobil, um Wahlen durch rechte Gruppierungen zu beeinflussen und den Nationalismus zu stärken.

Foto: REUTERS/Jonathan Bachman

"Es wird nie wieder eine Wahl geben, in der Trolling, Hacking und rechtsextreme Politik keine Rolle spielen", schrieb der amerikanische Neonazi und Hacker "weev" alias Andrew Auernheimer am Tag nach der letzten US-Wahl. Während diese Äußerung vor knapp zwei Jahren noch nach einer lächerlichen Übertreibung klang, liest sie sich heute wie eine treffende Beschreibung der Realität. Seit Donald Trumps Wahlsieg ist kaum eine europäische Wahl vergangen, die nicht von groß angelegten Trollaktionen und Manipulationsversuchen begleitet war.

Falsche Infos im Mainstream

Zunehmend schließen sich rechte und rechtsextreme Gruppen zusammen, um den Ausgang demokratischer Wahlen mithilfe koordinierter Desinformationskampagnen zugunsten rechtspopulistischer Parteien zu beeinflussen: die französischen Präsidentschaftswahlen, die deutsche Bundestagswahl, die österreichische Nationalratswahl und die italienischen Parlamentswahlen sahen eine überregionale Mobilisierung rechter Gruppen, die den politischen Diskurs durch raffinierte Online-Kampagnen steuerten. Rechtsextreme Hashtags schafften es in die Top-Trends, Falschinformationen über die Flüchtlingskrise gingen viral, und Verschwörungstheorien über den "großen Austausch" – die Idee eines schleichenden Genozids an weißen Europäern durch Migration – gelangten in den Mainstream.

Unsere Demokratien sind unter Beschuss, und zwar in völlig neuartiger Weise: die Verwendung von Big Data, die Algorithmen der sozialen Medien und künstliche Intelligenz erlauben raffinierte Manipulationskampagnen, die es ermöglichen, nicht nur die Infrastruktur zu hacken, sondern auch die Köpfe der Wähler. Nicht die Wahlurnen oder demokratischen Institutionen sind primär bedroht, sondern unsere demokratische Kultur.

Steve Bannon, globaler Strippenzieher

"Kulturkrieg", so nannte es Trumps Ex-Chefstratege Steve Bannon. Jetzt schmiedet er auch für Europa große Pläne. Mit seiner neu angekündigten ultrarechten Supergruppe "The Movement" will er bei Europas Rechtsruck nachhelfen. Umfragen, Datenanalysen und Beratung zu Kommunikationskampagnen sollen Teil der Aktivitäten der neuen Stiftung sein. Mit Hauptsitz in Brüssel ist es ihr erstes Ziel, ein Drittel der Sitze in den Europäischen Parlamentswahlen 2019 für rechtspopulistische Vertreter zu ergattern. "Ich will nichts anderes sein als ein globaler Makler für eine globale Bewegung des Populismus", hatte Bannon bereits zu Beginn des Jahres gesagt.

Auf seiner Europatour im März traf Bannon AfDs Alice Weidel and Beatrix von Storch in Zürich, fuhr nach Italien, um Matteo Salvinis Lega Nord vor der Wahl zu unterstützen, und tauchte unerwartet neben Marine Le Pen bei der jährlichen Front-National-Konferenz in Lille auf. Auch mit Viktor Orbán und Nigel Farage hatte er freundliche Gespräche, um Ungarn und Großbritannien in seine Pläne einzubinden. Sein Ziel? Nationalismus transnational machen, Antiglobalisierung globalisieren. Nachdem Bannon in den USA den Stein ins Rollen gebracht hat, will er sich jetzt auf die "rechtspopulistische Revolte" in Europa konzentrieren. "Die Mainstream-Medien sind die Hunde des Systems. Jeden Tag werden wir stärker, und sie werden schwächer", versicherte er seinen Zuhörern in Frankreich.

Nationalismus transnational machen

Sein Ziel ist leider realistischer, als es klingt. Sowohl als Chefstratege im Weißen Haus als auch als "Breitbart"-Direktor war Bannon federführend in der Schaffung einer alternativen Medienökologie, in der nationalistisches und rassistisches Gedankengut gedeihen konnten. Die Alt-Right-Bewegung, die als Nebenprodukt seiner Kommunikations- und Beratungstätigkeiten gilt, ist mittlerweile auch in Europa angekommen. Selbst im deutschsprachigen Raum verwenden immer mehr junge rechte Online-Aktivisten die Begriffe, Symbolik und Techniken der amerikanischen Alt-Right.

In verschlüsselten Chatgruppen der Nachrichtenapplikation "Discord" sprechen sich tausende deutschsprachige Rechtsextreme ab, wie sie am besten vorgehen, um ihren "Infokrieg" gegen den politischen Mainstream und "die Lügenpresse" zu gewinnen. Sie teilen Falschinformationen zum demografischen Wandel, dem "großen Austausch", irreführende Statistiken zu Migration, Kriminalität und Terrorismus und Links zu pseudo-akademischen Journals. "Redpilling" (ein Euphemismus für Radikalisierung mit Referenz auf den Film "Matrix") und "Larping" (Live Action Role Playing) gehören zu ihrem Standardvokabular, Pepe the Frog ist ihr Maskottchen.

Extreme Inhalte, die sich hinter Ironie verstecken, und Falschinformationen, die hinter akademisch aufbereiteten Artikeln lauern, sind noch lange nicht alles – Hasskommentare, rassistische und sexistische Memes und Posts sind ebenso fester Bestandteil ihres Repertoires der psychologischen Kriegsführung, um politische Gegner einzuschüchtern. Häufige Angriffsziele sind Minderheiten, aber auch Journalisten, Politiker und Aktivisten. Alle, die anderer Meinung sind, sollen mundtot gemacht werden – das Ganze unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit.

Rechte Strategien

Auch die Identitären haben sich die Kommunikationsstrategien und Begriffe der Alt-Right angeeignet. Ihr "Medienguerilla"-Handbuch erteilt Anleitungen für Techniken zur Einflussnahme in den sozialen Medien, darunter auch Aktionen mit absurden Namen wie "Sniper-Mission" oder "massiver Luftanschlag". Eine "Sniper-Mission" ist zum Beispiel ein gezielter verbaler Angriff auf einen "großen Feind-Account" mit dem Ziel, die Person dahinter bloßzustellen und abzuwerten.

In der Anleitung für den "massiven Luftanschlag" heißt es hingegen: "Visiere direkt auf Accounts vom Gegner: Politiker, Promis, Staatsfunk usw., und knall die Comments voll. Wie gesagt: Wechsle den Account alle 2–3 Tweets." Die Trolling-Aktionen werden zu einer Art Computerspiel, bei dem der Spaßfaktor darin besteht, gegen Minderheiten oder politische Gegner zu hetzen.

So harmlos diese Techniken auf den ersten Blick wirken mögen – sie haben Konsequenzen für die reale Welt, unter anderem auch auf die politische Stimmung. Deutschlands größte rechtsextreme Trollgruppe, die sich der Techniken der US-amerikanischen Alt-Right bedient, heißt "Reconquista Germanica" und hat über 8000 Mitglieder. In den zwei Wochen, die der Bundestagswahl vorausgingen, schafften es die Aktivisten der Reconquista Germanica, sieben ihrer Hashtags (unter anderem #TraudichDeutschland, #nichtmeinekanzlerin, #merkelmussweg, #reconquista) in den Top-20-Hashtags in Deutschland zu platzieren. Auch in Österreich hatten sie vor der letzten Nationalratswahl erheblichen Einfluss auf den Online-Diskurs und konnten zum Teil politische Themenschwerpunkte in den sozialen Medien bestimmen.

Das Internet und neue Kommunikationstechnologien haben zur Demokratisierung von Wissen und zur Auflösung vieler traditioneller Machtstrukturen geführt. Doch entgegen der utopischen Erwartungen vieler Tech-Enthusiasten sind dadurch völlig neue Hierarchien entstanden, die unsere Demokratien fundamental bedrohen. Durchschnittliche Nutzer sozialer Medien sind Datenmissbrauch, Dark Ads und Desinformationskampagnen machtlos ausgeliefert. Bürger, die ihren Facebook-News-Feeds mehr vertrauen als der "Zeit im Bild", sind besonders gute Zielscheiben für koordinierte Manipulations- und Trollkampagnen. Aber Techniken der psychologischen Kriegsführung, die unterschiedliche Zielgruppen bei ihren tiefsten Frustrationen und Ängsten abholen, können selbst bei kritischen Internetnutzern Misstrauen und Verwirrung auslösen.

Weitere Wahlen werden beeinflusst werden

Angesichts der anstehenden Wahlen in Europa steht viel auf dem Spiel. Bereits jetzt beobachten wir beim Institut für Strategischen Dialog koordinierte Versuche, die Wahl zum schwedischen Reichstag im September, die bayrische Landtagswahl im Oktober und die Europawahlen im Mai 2019 zugunsten rechtspopulistischer Kandidaten zu beeinflussen. Das Thema Migration dominiert die Online-Kampagnen rechter Trolle. Ihre Kernbotschaft lautet: "Multikulti ist eine Lüge, und das politische Establishment hat uns alle betrogen."

Migration steht auch im Mittelpunkt der derzeitigen österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Während Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz europaweite Kooperation in Bezug Grenzkontrollen in Aussicht gestellt hat, müsste ein Ansatz für "Ein Europa, das schützt" deutlich vielseitiger sein. Sich einzig darauf zu konzentrieren, Grenzen dichtzumachen, wäre eine Scheinlösung, denn das eigentliche Problem liegt woanders: Nicht die Migration per se ist es, die die demokratischen Grundsäulen Europas ins Wanken bringt, sondern der schleichende Vertrauensverlust in die Politik, Medien, Behörden und Demokratie selbst. (Julia Ebner, 24.8.2018)