Udo Landbauer musste wegen der Liederbuchaffäre seine Funktionen zurücklegen – obwohl er nur als Zeuge geführt wurde.

Foto: Matthias Cremer

Wiener Neustadt – Die Staatsanwalschaft hat die Ermittlungen wegen Paragraf 3g Verbotsgesetz 1947 gegen die Pennälerschaft Germania (Motto: "Deutsch und treu in Not und Tod") zu Wiener Neustadt eingestellt. Ihr und ihren Funktionären war vorgeworfen worden, mit ihrem Liedgut Nazi-Ideologie verbreitet zu haben.

Relevant wurde das während des Wahlkampfs zur niederösterreichischen Landtagswahl im Jänner, weil der damalige FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer jahrelang Funktionär dieser Pennälerschaft gewesen ist. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte kurz nach Bekanntwerden der Liederbuch-Affäre, dass sie nicht mit Landbauer zusammenarbeiten werde, sollten die Freiheitlichen ihn in die Landesregierung entsenden. Landbauer legte daraufhin seine Funktionen zurück.

Spott über "siebente" Holocaust-Million

In der Sache ging es um den Text eines Spottliedes. In diesem wird beschrieben, wie die Alten Germanen auf Bärenhäuten am Rhein gelegen sind und zunächst Tacitus in ihre Mitte tritt, der als "Bruder der Achse" begrüßt wird. In unterschiedlichen, auch in katholischen Kreisen populären Versionen des Liedes werden Nazi-Größen verspottet – in der im Liederbuch der Germania abgedruckten Fassung stand aber auch, dass "der Jude Ben-Gurion", also der Staatsgründer Israels, dazugekommen sei. Im Text heißt es weiter: "Wir schaffen die siebente Million", was als Anspielung auf die sechs Millionen von den Nazis im Holocaust ermordeten Juden verstanden werden muss.

Diese Zeilen aber waren in den Liederbüchern, die der Staatsanwaltschaft nach einer Beschlagnahmung vorgelegen sind, geschwärzt – was bedeutet, dass sie nicht mehr zu singen sind. In einem vom "Falter" zitierten Exemplar waren sie nicht geschwärzt – die Veröffentlichung und die folgende Diskussion haben massive Auswirkungen auf den Landtagswahlkampf inklusive Rücktritt des Spitzenkandidaten Landbauer gezeitigt.

Mögliche Verjährung, unklarer Zeitpunkt

Das Buch war zuletzt 1997 gedruckt worden, wenn es sich beim Druck um Wiederbetätigung gehandelt haben sollte, wäre das inzwischen verjährt. Gerichtlich geprüft kann das nicht mehr werden. Es ist nämlich unklar, wann den Mitgliedern der Pennälerschaft zuletzt die ungeschwärzte Version vorgelegt wurde.

"Mangels vorliegender Beweise für eine propagandistische Wiedergabe der strafrechtlich relevanten Textpassagen im Kreis der Mitglieder der 'Pennalen Burschenschaft Germania Wiener Neustadt' und aufgrund des Umstandes, dass trotz einer chemischen Analyse der Zeitpunkt der Schwärzung der inkriminierten Textpassagen in den Liederbüchern nicht mehr exakt und damit eine Beweismittelfälschung in Bezug auf das Ermittlungsverfahren nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte, wurde auch das Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter wegen §§ 3g Verbotsgesetz 1947 und § 293 Abs 1 StGB aus Beweisgründen eingestellt", teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Kein ausreichender Verdacht gegen Landbauer

Die Anklagebehörde hat übrigens darauf hingewiesen, dass der freiheitliche Politiker Landbauer nur "als Zeuge einvernommen" worden ist. "Seitens der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurde gegen ihn im Zusammenhang mit dieser 'Liederbuchaffäre' auch eine Anzeige wegen des Verdachts nach § 3g Verbotsgesetz 1947 eingebracht, diesbezüglich jedoch mangels entsprechenden Anfangsverdachtes von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen."

ÖVP bleibt auf Distanz

Die niederösterreichische ÖVP bleibt auf Distanz: "Udo Landbauer hat mit seinem Verhalten während der Liederbuchaffäre die Basis für eine Zusammenarbeit in der Niederösterreich Landesregierung selbst zu Nichte gemacht. Nach Auftauchen der schwerwiegenden Vorwürfe hat Landbauer die Tragweite völlig ignoriert. Während jeder im Land an Aufklärung interessiert war, hat Landbauer den Kopf in den Sand gesteckt. Wer solche heiklen Situationen derart falsch einschätzt und wegdrückt, während Aufklärung und Antworten gefragt sind, kann kein Partner in einer NÖ Landesregierung sein", sagte VP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner in einer Aussendung.

Die Kultusgemeinde IKG ist enttäuscht: "Das ändert nichts an der politischen Verantwortung für die Verharmlosung der Schoah und anderen antisemitischen und neonazistischen Texten im offiziellen Liederbuch der Burschenschaft Germania", sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch.

Comeback für Landbauer enttäuscht IKG

Nun dürfte Landbauers Comeback bevorstehen. Der niederösterreichische FPÖ-Chef Walter Rosenkranz sagte am Freitag, er würde sich darüber freuen – die Frage ist, wie es technisch möglich ist, den 32-jährigen nach seinem Verzicht in den Landtag zu bringen und ihn womöglich zum Klubobmann zu wählen.

Auch hier hakt die Kultusgemeinde ein: Dass die FPÖ Niederösterreich den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Burschenschaft zur Rückkehr in die Landespolitik einlädt, sei ein Zeichen politischer Unreife und Geschichtsvergessenheit, sagt Deutsch. "Landbauer war ein Kopf dieser Organisation, gegen die selbst die Bundesregierung ein Auflösungsverfahrung angeregt hat. Seine Rückkehr in die Politik könnte nicht nur dem Ansehen Niederösterreichs, sondern auch der Republik insgesamt schaden."

Burschenschaft sieht sich rehabilitiert

Die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt hat sich naturgemäß "erfreut" über die Einstellung des Verfahrens gezeigt und ihre "Integrität" wieder hergestellt gesehen. Das eingeholte Gutachten habe die Aussagen der Mitglieder bestätigt, wonach die inkriminierten Textpassagen bereits vor Jahrzehnten geschwärzt wurden. Darüber hinaus sei belegt worden, "dass diese Lieder nicht gesungen wurden". Es sei aber zu klären, "weshalb medial ein Liederbuch präsentiert wurde, das nicht jenem entspricht, das bei der Burschenschaft Germania Verwendung fand", fragt die Burschenschaft. "Angesichts dieses Umstandes sowie der zeitlichen Nähe zur Landtagswahl in Niederösterreich verbleibt ein schaler Nachgeschmack, der einer Aufarbeitung harrt."

Der Vorsitzende des Österreichischen Pennälerrings, Udo Guggenbichler, begrüßte die Einstellung des Verfahrens gegen die Burschenschaft Germania und sprach von einer "hundertprozentigen Rehabilitierung". Besonders wichtig sei ihm, dass die Germania die Textpassagen "aus eigenem Antrieb ohne Zurufe von außen unkenntlich gemacht hat". Einer Wiederaufnahme der Burschenschaft in den Pennälerring "steht nichts im Weg". Von den Medien erwarte er sich, "dass die Hexenjagd gegen Waffenstudenten nun beendet wird". (cs, APA, 24.8.2018)