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Die Cyborgs kommen: Das jährliche kommerzielle Investment in die Forschung zur Verbindung von Computer und Gehirn wird auf über 100 Millionen Dollar geschätzt.

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Tesla-Chef Elon Musk scheint nicht nur wegen der Zukunft seiner Firma sinnbildlich "schlecht zu schlafen". Wie er vergangene Woche der New York Times erzählte, nehme er ab und zu das Schlafmittel Ambien, das bereits wegen seiner Nebenwirkungen, die zu Wahnvorstellungen führen können, für Aufregung gesorgt hat.

Besonders im Silicon Valley ist Ambien populär geworden, die Gründe sind naheliegend und bekannt: hoher Arbeitsdruck, ständige Erreichbarkeit, globaler Wettbewerb um die besten Arbeitsplätze. Doch diese lassen die Arbeitnehmer nicht nur zu Schlafmitteln greifen, sondern auch zu leistungssteigernden Mitteln wie den verschreibungspflichtigen Medikamenten Ritalin, Modafinil oder Piracetam, das eigentlich gegen Demenz eingesetzt wird, dem stimulierenden Mittel Medikinet oder zu Antidepressiva wie Prozac. Auch illegale Amphetamine wie Speed oder Kokain sowie LSD oder Psilocybin, der Wirkstoff von halluzinogenen Pilzen, in Mikrodosen gehören zum Sortiment des Neuro-Enhancements, wie das Hirndoping genannt wird.

Das ist kein neues Phänomen. Bereits im Zweiten Weltkrieg nahmen Soldaten Pervitin, um mehr Ausdauer und Konzentration zu haben. In den 80er-Jahren machten die Banker der Wallstreet mit Kokain Schlagzeilen. Und im Jahr 2011 stieß das Buch The Psychedelic Explorer’s Guide: Safe, Therapeutic, and Sacred Journeys des US-Psychologen James Fadiman die Debatte um Microdosing an.

Die Bereitschaft gesunder Menschen, ihre kognitiven Fähigkeiten mithilfe von Chemie zu optimieren, scheint zu wachsen. Und zwar nicht nur unter Programmierern, Grafikern oder Managern des Silicon Valley, sondern etwa auch bei Chirurgen oder Langstreckenpiloten oder in ähnlichen Berufen, in denen man sich lange konzen trieren muss. Von 2015 bis 2017 hat sich die Zahl der Hirndoper fast verdreifacht, von rund fünf auf knapp 14 Prozent, wie aus der aktuellen Global Drug Survey hervorgeht. In Österreich gaben 2015 rund zwei Prozent der Befragten an, leistungssteigernde Mittel genommen zu haben, zwei Jahre später waren es bereits 8,7 Prozent. Damit liegt Österreich im unteren Drittel, an der Spitze stehen die USA mit rund 30 Prozent.

Keine Belege für Wirkung

Bisher gibt es keine fundierten wissenschaftlichen Studien, die beweisen, dass Microdosing und Mittel wie Ritalin überhaupt wirken. Bei Ersterem gehen Wissenschafter davon aus, dass auch ein Placeboeffekt einsetze, weil die Personen eine hohe Erwartung an die Substanz haben. Bei Letzterem könne zunächst zwar eine positive Wirkung auf die Leistung erzielt werden, aber der Körper wird dadurch nicht wacher, das Gehirn nicht intelligenter, und die Nebenwirkungen können längerfristig sogar zu Psychosen führen, sagen Experten. Und nach heutigem Forschungsstand gelingt das auch nicht durch kopfhörerähnliche Geräte, die das Gehirn durch sanfte Stromstöße beeinflussen sollen.

Doch im Silicon Valley wird bereits das Geschäft mit dem Gehirn als Cashcow gesehen: Sogenanntes Brainhacking, die Verschmelzung von Mensch und Maschine, aus der Science-Fiction als Cyborg bekannt, soll durch technische Mittel das Denken schneller, präziser, besser machen. Das jährliche kommerzielle Investment in die Forschung zur Verbindung von Computer und Gehirn wird auf über 100 Millionen Dollar geschätzt. Laut dem Sharp-Brain-Index ist die Zahl der Patente und Patentanmeldung in den vergangenen zehn Jahren um 500 Prozent gestiegen. Microsoft, Accenture oder IBM sind hier vorne dabei.

Und Elon Musk ist überzeugt, dass die Menschheit künftig in einer von künstlicher Intelligenz durchdrungenen Welt nicht mehr mithalten könne, ohne Implantate zu haben, die unsere Gehirnleistung optimieren. Seine Firma Neuralink arbeitet daran, menschliche Intelligenz mit künstlicher Intelligenz zu verbinden. Einfach gesagt: Der Mensch denkt, der Computer hilft nach, indem sich der implantierte Chip etwa direkt mit Google vernetzt.

Transparenz gefordert

Auch wäre es denkbar, dass Menschen so per Gedanken Geräte steuern, E-Mails schreiben oder Erinnerungen teilen. Auch Facebook arbeitet daran. Und Forscher der University of California haben staubkornkleine Sensoren entwickelt, die künftig im Gehirn die Aktivität der Neuronen auslesen und die Daten an den Computer schicken können. Bislang sind solche Visionen weit von der Realität entfernt, bisher war man erst wenig erfolgreich, aus der Hirnaktivität einen gedachten Satz herauslesen. Bei diesen Anwendungen ist die Software eine künstliche Intelligenz, die die Hirnaktivitäten analysiert und die Befehle umsetzt. Sie lernt, wie es im Gehirn des Nutzers aussieht, wenn er sich konzentriert, und weiß so, welche Areale stimuliert werden müssen, um eine gewisse Stimmung hervorzurufen.

Petra Schaper-Rinkel ist Innovationsforscherin am AIT Austrian Institute of Technology und setzt sich unter anderem mit Neuro-Enhancement und künstlicher Intelligenz auseinander. Sie sagt: "Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass sie dabei ihre Daten hergeben und so potenziell von außen gesteuert werden können." Zudem sei dieser ständige Vergleich mit anderen hinderlich, neue Ideen zu entwickeln.

Momentan sind eingreifende Enhancement-Technologien noch in der Grundlagenforschung, vor allem vorangetrieben vom Militär. Deshalb sei es laut Schaper-Rinkel wichtig, die Transparenz der Brainhacking-Forschung zu gewährleisten. Doch die eigentliche Frage, die sich stelle, ist, "wie wir Technologien nutzen können, um die gesellschaftliche Lebensqualität zu erhöhen, damit sich Menschen nicht genötigt sehen, ihr Handeln hauptsächlich der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit anzupassen". Übrigens funktioniert das auch einfacher: Experten sagen, dass das Gehirn am besten nach acht Stunden Schlaf arbeite. (Selina Thaler, 25.8.2018)