Lotta Jacobsson ist die Leiterin für Unfallvermeidung bei Volvo.

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Der erste rückwärts gerichtete Kindersitz in einem Buckelvolvo.

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Kindersitze im Volvo P244.

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Volvo verbaut direkt in die Rücksitzbank zweifach höhenverstellbare Kindersitz-Erhöhungen

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Der Nachfolger HY5 ist ebenfalls ein Kindersitz der rückwärts gerichtet montiert wird.

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Der HY5 ist faltbar, weil er mit Druckluft in Form gebracht wird. Die Pumpe dafür ist im Sitz verbaut.

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Weniger als fünf Kilogramm wiegt der neue Kindersitz aus Österreich.

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Das Thema Kindersicherung hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. War es in den 1970er-Jahren noch durchaus üblich, Kinder auf kurzen Strecken schon auch einmal vollkommen ungesichert im Auto mitzunehmen – wir erinnern uns, die Gurtpflicht wurde in Österreich erst 1976 eingeführt -, ist das Bewusstsein für Sicherheit heute ein anderes.

Unfallstatistik

Laut KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) gab es 2017 690 Unfälle, bei welchen Kinder im Alter von null bis neun Jahren in Pkws verletzt, drei sogar getötet wurden. Nahezu alle dieser Kinder waren gesichert. Dennoch sind Experten davon überzeugt, dass sich diese Zahlen weiter senken ließen. Etwa weil aus falscher Sorge fatale Fehler gemacht werden, wie Lotta Jacobsson, Senior Technical Leader für Unfallvermeidung im Volvo Cars Safety Center erklärt. "Furchtbar sind Unfälle, bei denen das Kind auf dem Schoß gehalten wird, in der Überzeugung, dass man es festhalten kann, und es dann zwischen Wageninnerem und Erwachsenem zerquetscht wird."

Jacobsson kennt auch Beispiele, bei denen der Gurt um das auf dem Schoß sitzende Kind gelegt wurde, wobei es zu schweren Verletzungen und Quetschungen entlang der Gurtbahn kam. "Häufiger passiert es", erklärt Jacobsson, "dass der Gurt unter dem Arm oder hinter dem Rücken durchgeführt wird. Das passiert aus der falschen Wahrnehmung heraus, dass dies die sicherere Alternative sei, als den Gurt nahe am Hals zu haben." Schwerste Verletzungen der inneren Organe sind die Folgen, wenn ein Kind bei einem Aufprall so in den Gurt gepresst wird.

Der Anatomie geschuldet

Überhaupt: Statt vor dem Bauch sollte der Sitzgurt über die Oberschenkel geführt werden, um den Kindern die größtmögliche Sicherheit zu bieten, erklärt Volvo. Noch besser ist es, Kinder überhaupt in rückwärts gerichteten Kindersitzen zu sichern. "Der Kopf eines Kindes ist im Vergleich zum übrigen Körper groß und schwer, die Muskeln und Wirbel im Nacken sind noch nicht voll entwickelt", erklärt Jacobsson.

Und weiter: "Wir empfehlen für Kinder bis zu einem Alter von vier Jahren, rückwärts gerichtete Sitze zu benutzen, danach, bis zu einer Größe von 1,40 Metern, spezielle Kindersitze oder Erhöhungen."

Buckelvolvo als Versuchsträger

In Skandinavien ist diese Art des Kindersitzes schon lange etabliert – besser als bei uns. 1964 entwickelte Bertil Aldman, inspiriert von der Sitzposition der Astronauten, den ersten rückwärts gerichteten Kindersitz. Aldman war Arzt und später Professor für Verkehrssicherheit an der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg. Gemeinsam mit Volvo testete er den Sitz damals in einem "Buckelvolvo", dem PV544.

Die Vorteile eines solchen Sitzes sind, dass sich "die bei einem Crash auftretenden Kräfte über den ganzen Körper verteilen", sagt Lotta Jacobsson und erklärt weiter: "Zudem bieten diese Kindersitze einen besseren Schutz bei Seitenaufprallen, da bei den meisten dieser Unfälle eine Vorwärtskomponente vorhanden ist, etwa weil sich das Auto beim Einschlagen vorwärts bewegt, wodurch das Kind in den Sitz gedrückt wird."

Doch was ist, wenn ein Auto in das Heck eines stehenden Fahrzeugs knallt? "In diesem Fall treten für das Kind die gleichen Belastungen auf wie bei einem Frontalzusammenstoß gleichen Ausmaßes bei einem nach vorn ausgerichteten Kind. Frontalzusammenstöße sind jedoch weitaus häufiger und insgesamt schwerer", erklärt Lotta Jacobsson.

Kindersitz-Innovationen

Schon allein wegen der Vision 2020, mit der Volvo das Ziel verfolgt, dass ab diesem Zeitpunkt niemand mehr in einem neuen Volvo bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet werden soll, widmet sich der schwedische Autohersteller dem Thema Sicherheit, stellt Unfallszenarien nach und entwickelt aus den Erkenntnissen neue Produkte, wie in die Rückbank integrierte zweistufige Kindersitze, ein Kindersitzkonzept das auf einem drehbaren Kindersitz auf dem umgelegten Beifahrersitz basiert, oder einen aufblasbaren Kindersitz, wenn wir nur Neuerungen auf dem Themengebiet Kindersicherheit betrachten.

Einen aufblasbaren und zusammenfaltbaren Kindersitz brachte vor kurzem das österreichische Unternehmen "Nachfolger" auf den Markt. Der HY5 ist für Kinder ab der Geburt bis zum Alter von fünf Jahren und ist ebenfalls rückwärts gerichtet. Der Sitz ist mit nicht einmal fünf Kilogramm Gewicht deutlich leichter als herkömmliche Sitze, bläst sich auf Knopfdruck auf und ist zusammengefaltet einfach zu verstauen.

Car-Sharing-Kunden

"Wir stellten uns selbst die Frage, warum Kinderautositze immer schwerer und komplizierter wurden", gibt Gerd Mitter, der seit 15 Jahren für andere Hersteller Kindersitze entwickelte, an. So entstand ein Kindersitz, der die Bedürfnisse der Menschen erfüllt, die vor allem Mietautos oder Car-Sharing nutzen.

Kindersitzexperte Steffan Kerbl vom ÖAMTC bemerkt positiv das geringe Gewicht, die gute Verarbeitung und das Konzept hinter dem HY5, dafür ist die Handhabung komplizierter. Derzeit testet der ÖAMTC den HY5 im Zuge seines Kindersitztests, der Ende Oktober veröffentlicht wird. (Guido Gluschitsch, 26.8.2018)