Die Hausdurchsuchungen in den Räumlichkeiten des BVT und in Privaträumlichkeiten von Beschuldigten waren zumindest teilweise rechtswidrig.

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Die Hausdurchsuchungen in der Verfassungsschutzaffäre waren größtenteils rechtswidrig. Mehrere Betroffene hatten Beschwerde erhoben, diese wurden vom Oberlandesgericht Wien (OLG) geprüft. Nun liegt die Entscheidung vor: Den Beschwerden wird stattgegeben, lediglich in Bezug auf den Hauptbeschuldigten wurde die gerichtliche Bewilligung der Hausdurchsuchung als rechtmäßig erachtet. Bei den Razzien im Büro des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und in den Wohnungen der übrigen drei Beschwerdeführer geht das OLG davon aus, dass die gerichtliche Anordnung rechtswidrig war.

Unverhältnismäßige Razzia

Wörtlich heißt es in der Erklärung des OLG, dass die Richter in Bezug auf drei Privatwohnungen "keine gegründete Wahrscheinlichkeit" sahen, "dass sich an den Wohnorten beweisrelevante Gegenstände befanden". Im vierten Fall könne man hingegen davon ausgehen, dass die Verdachtslage für eine Razzia ausreichte, weil es Indizien gab, dass der Betroffene – ein Referatsleiter – dort rechtswidrig gespeicherte Daten aufbewahre. In der BVT-Zentrale sei die Hausdurchsuchung jedenfalls "unverhältnismäßig" gewesen. Was die Razzia im BVT-Büro betrifft, sind die Aussagen des Gerichts eindeutig: Die Ermittler hätten sich die benötigten Unterlagen auf einem anderen Weg, und zwar via Amtshilfe, besorgen müssen.

Sie hätten also im Innenministerium, dem das BVT untersteht, um Herausgabe der Unterlagen ersuchen müssen. Das sei nicht passiert. Auch das zuständige Gericht, das Landesgericht für Strafsachen in Wien, hätte die Hausdurchsuchung nicht bewilligen dürfen. Rund um die Razzia sind noch weitere Beschwerden von Beschuldigten anhängig. Diese sind aber beim Straflandesgericht Wien anhängig, die Entscheidungen darüber stehen aus.

Nicht Teil der Beschwerden waren übrigens die Beschlagnahmungen, die im Zuge der Razzia vorgenommen wurden. Einsprüche gegen Sicherstellungen sind an das Straflandesgericht zu richten. Theoretisch sei es denkbar, dass eine Beschlagnahmung, die im Zuge einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung passiert ist, rechtmäßig ist, sagt ein Sprecher des Oberlandesgerichts auf Nachfrage des STANDARD. Und selbst in dem Fall, dass eine Beschlagnahmung nicht rechtmäßig war, bedeutet das noch nicht, dass der betreffende Gegenstand nicht als Beweismittel verwertet werden darf: Diese Entscheidung liegt dann, sollte es in der Affäre zu einer Anklage kommen, beim verhandelnden Gericht. Eine Vernichtung der Akten hätte zur Folge, dass diese zwar im Verfahren nicht, sehr wohl aber im U-Ausschuss zur Verfügung stünden. Diesem wurden die Akten nämlich schon übermittelt.

In der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die die Ermittlungen leitet, heißt es, die Entscheidung des OLG sei "zu akzeptieren". Man werde nun prüfen müssen, "wie mit den Ergebnissen der Ermittlungen umzugehen ist, die auf Basis der Erkenntnisse aus den Durchsuchungen gewonnen wurden", erklärt ein Sprecher. Das Ermittlungsverfahren werde derzeit gegen acht Beschuldigte geführt, heißt es. Es gehe um den Verdacht des Amtsmissbrauchs "sowie unterschiedlicher Korruptionsdelikte". Inzwischen seien rund 50 Einvernehmungen von Beschuldigten und von Zeugen durchgeführt worden. Gegen einzelne Beschuldigte habe sich der Anfangsverdacht "deutlich manifestiert".

Was den Anfangsverdacht betrifft, hat das Oberlandesgericht übrigens keine Einwände geäußert: Ein solcher sei gegeben, heißt es. Dass Ermittlungsschritte gesetzt wurden, war also rechtmäßig – allein die Hausdurchsuchungen seien unverhältnismäßig gewesen. Und auch hier hatte das OLG nicht die Arbeit der WKStA zu beurteilen, sondern allein die gerichtliche Bewilligung der Razzia durch das Landesgericht für Strafsachen. Für alle Personen gilt die Unschuldsvermutung. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) reagierte am Dienstag in ähnlicher Manier wie schon zuvor, wenn er mit der BVT-Causa konfrontiert wurde: Dies sei Sache der Justiz, so Kickl auf entsprechende Fragen am Rande einer Pressekonferenz. Sollten Fehler passiert sein, dann bei der Justizbehörde, sagte Kickl.

Moser kritisiert Vorgehen

Dennoch bringt die Entscheidung die ermittelnde WKStA unter Druck. Justizminister Josef Moser (ÖVP) übte am Dienstag in Alpbach Kritik an der Vorgangsweise der Behörde und kündigte eine genaue Prüfung der Abläufe und der Organisation an. So soll es künftig in Verfahren gegen ein bedeutendes Organ der Republik eine Berichtspflicht vor Hausdurchsuchungen an die Oberstaatsanwaltschaft geben. Diese Verpflichtung wurde erst 2015 abgeschafft.

Dass nur die WKStA diese Auflage erhält, andere Staatsanwaltschaften nicht, begründete Moser mit den "immer wieder sensiblen Fällen" der WKStA. Auch plädierte der Minister dafür, dass der Antrag zur Durchführung einer Hausdurchsuchung schriftlich gestellt werden muss, auch wenn ein Journalrichter Dienst versieht. Lediglich bei Gefahr im Verzug soll dann ein mündliches Ersuchen erfolgen dürfen.

Parallel zu den gesetzlichen Änderungen, für die auch die Ergebnisse des BVT-Untersuchungsausschusses abgewartet werden sollen, prüft die Staatsanwaltschaft Korneuburg die Abläufe. Dabei gehe es auch um etwaige "persönliche Verfehlungen", deutete Moser personelle Konsequenzen an. Auch organisatorische Veränderungen in der WKStA seien denkbar, meinte Moser, ohne genauere Angaben zu machen. Trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung machte der Minister der Anklagebehörde den "Vorwurf", Generalsekretär Christian Pilnacek nicht über die bevorstehenden Hausdurchsuchungen informiert zu haben. Die Kritik begründete Moser damit, dass der Generalsekretär des Innenministeriums Zeugen und Unterlagen an die Staatsanwaltschaft ver- und übermittelte. Bei einer Information des Justizministeriums hätte somit "Waffengleichheit" geherrscht. (Maria Sterkl, Andreas Schnauder, 28.8.2018)