Mit dem Atlas-Teilchendetektor am Large Hadron Collider wurde das Higgs-Boson nachgewiesen. Nun konnte auch der Zerfall des Teilchens in Bottom-Quarks beobachtet werden.

Foto: Cern

Genf/Wien – Sechs Jahre nach seiner Entdeckung haben Forscher einen bestimmten Zerfall des Higgs-Bosons beobachtet, nach dem sie schon lange gesucht hatten. Die Atlas- und CMS-Forschungsteams am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf berichteten am Dienstag vom Nachweis des Zerfalls zu sogenannten Bottom-Quarks.

Der Nachweis des Higgs-Bosons 2012 war eine Sensation, lieferte es doch eine Bestätigung für die Theorie, dass dieses Teilchen allen anderen Elementarteilchen Masse verleiht. Dem Modell zufolge erhalten die Elementarteilchen ihre Masse durch die Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld, das das ganze Universum durchzieht. Eine weitere Bestätigung für diese Theorie liefern nun unabhängig voneinander die Forschungsteams des Atlas- und des CMS-Experiments am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Cern. Es sei ihnen geglückt, den Zerfall des Higgs-Bosons zu sogenannten Bottom-Quarks zu beobachten.

Meilenstein in der Higgs-Forschung

Quarks sind Grundbausteine der Materie und kommen in sechs "Geschmacksrichtungen" (engl. "flavours") vor: Up-, Down-, Charm-, Strange-, Top- und Bottom-Quark. Das Bottom-Quark ist der zweitschwerste der sechs Quark-Typen. Gemäß dem Standardmodell der Teilchenphysik müsste das Higgs-Boson in 60 Prozent der Fälle zu einem Paar Bottom-Quarks zerfallen. Allerdings war das bisher extrem schwierig nachzuweisen, weil Bottom-Quarks auch auf andere Art und Weise bei Teilchenkollisionen entstehen können.

Die echten Signale in diesem Grundrauschen – und damit die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen – zu identifizieren, erforderte Kollisionen bei hohen Energien (7, 8 und 13 Teraelektronenvolt) und komplexe Analysemethoden, die auch lernende Algorithmen umfassten, teilte das Cern am Dienstag mit. "Diese Beobachtung ist ein Meilenstein in der Erforschung des Higgs-Bosons", sagte Karl Jakobs, Sprecher des Atlas-Forschungsteams.

Über das Standardmodell hinaus

Die Forscher am Cern spüren dem Higgs-Teilchen deshalb so genau nach, weil sie hoffen, damit einer Physik jenseits des Standardmodells auf die Schliche zu kommen. Dieses mathematische Modell beschreibt einen Teil des Universums sehr gut. "Kleinste Abweichungen könnten aber eindeutige Hinweise für bisher unentdeckte Physikphänomene liefern", sagte Jochen Schieck, Direktor des Instituts für Hochenergiephysiker der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Mitglied der CMS-Forschungsteams.

Bisher wurde das Standardmodell immer wieder in Experimenten bestätigt – auch im aktuellen Fall durch den Nachweis des Zerfalls des Higgs-Bosons zu Bottom-Quarks. "Die derzeitige Genauigkeit der Messungen lässt allerdings noch Raum für mögliche Beiträge von Prozessen, die im Standardmodell nicht vorgesehen sind", so Schieck. Noch bessere Präzisionsmessungen, die auch am Institut für Hochenergiephysik entwickelt werden, sollen hier Klarheit schaffen. (APA, red, 28.8.2018)