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Am 25. August 2017 begann Myanmars Militär brutal gegen Rohingya im Bundesstaat Rakhine vorzugehen. Vergangenen Samstag erinnerten Frauen in einem Flüchtlingslager bei Cox's Bazar in Bangladesch daran.

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Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wird in einem UN-Bericht für ihr Schweigen heftig kritisiert.

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Rangun/Wien – "Viele, viele Missverständnisse" würde es geben, sagte Myanmars Regierungssprecher Zaw Htay am Dienstag und wies damit einen schockierenden Bericht der Uno zurück. In dem am Montag veröffentlichten Papier hat die Uno Myanmars Regierung zum ersten Mal die Absicht zum Völkermord an den Rohingya vorgeworfen.

Die Veröffentlichung kam fast genau ein Jahr nach der Eskalation der Gewalt in Rakhine, dem nordwestlichen Bundesstaat Myanmars. Damals hatten Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya etwa 30 Polizeistationen überfallen – das Militär schlug mit brutaler Gewalt zurück, die Lage eskalierte völlig.

Seitdem sind 700.000 Menschen, hauptsächlich Rohingya, nach Bangladesch geflohen, wo in Cox's Bazar, einem ehemaligen Flitterwochen-Paradies, das größte Flüchtlingslager der Welt entstanden ist.

Uno-Ermittler fordern Tribunal gegen Generäle

Gruppenvergewaltigungen, Sklaverei, Entführungen, auch von Kindern, Folter und Massenmorde an den Rohingya werden in dem Uno-Bericht dokumentiert. Wiewohl es seit Monaten Kritik an Myanmars brutalem Vorgehen hagelt, war es am Montag das erste Mal, dass die Uno Myanmar die "Absicht zum Völkermord" vorwarf. Die Militäraktionen von vergangenem Jahr seien vollkommen unverhältnismäßig zu tatsächlichen Sicherheitsbedrohungen gewesen.

Deshalb fordern die Uno-Experten, dass Militärchef Min Aung Hlaing und fünf weitere Generäle vor Gericht gestellt werden. Neben Genozid-Absichten – dem schwersten Verbrechen im Völkerrecht – legen sie ihnen auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Last. Außerdem fordern die Uno-Ermittler ein Waffenembargo gegen Myanmar.

Facebook sperrt Konten nach Vorwürfen

Regierungssprecher Htay verwies am Dienstag darauf, dass die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi selbst eine "unabhängige" Kommission eingesetzt habe. Diese setze sich auch mit dem Vorwurf auseinander, dass das Militär Menschenrechte verletzt habe.

Außerdem kündigte er an, dass Myanmar mit Facebook sprechen will: Der Internetkonzern hatte nach dem Uno-Bericht die Facebook-Konten von Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing und anderen Offizieren gesperrt. Insgesamt blockierte Facebook am Montag 18 Konten, 52 Facebook-Seiten und ein Instagram-Konto mit zusammen fast zwölf Millionen Followern.

Denn laut den Uno-Ermittlern trägt auch Facebook Mitschuld an der Eskalation in Myanmar. Über die soziale Medienplattform konnten Akteure Hassbotschaften und Aufrufe zu Gewalt verbreiten. "Obwohl es in den vergangenen Monaten besser geworden ist, war Facebooks Reaktion langsam und ineffizient."

China stellt sich hinter Myanmar

Die USA hatten schon am Montag die Kritik der Uno bekräftigt. Ob man die vorgeworfenen Taten wie die Uno als "Völkermord" oder doch als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnen werde, wollen die USA aber erst nach Vorliegen eines eigenen Berichts entscheiden.

Auch der britische Außenminister Jeremy Hunt zeigte sich am Montag erschüttert und gab bekannt, nach Myanmar reisen zu wollen. "Es darf keinen Unterschlupf für die geben, die diese Art von Gräueltaten verüben", twitterte er.

China stellte sich hingegen hinter Myanmar. Druck auf das Land auszuüben werde das Problem nicht lösen, gab Außenmnisteriumssprecherin Hua Chunying bekannt. Genauso wenig wie "einseitige Kritik", denn die Situation in Rakhine sei "extrem komplex".

Aung San Suu Kyi unter Druck

Der Uno-Bericht hat auch nicht mit Kritik an Regierungschefin Aung San Suu Kyi gespart. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 stand selbst jahrelang in Myanmar unter Hausarrest. Im Zuge einer Demokratisierungswelle wurde sie rehabilitiert und 2015 de facto Staatschefin. In dem Bericht wird ihr vorgeworfen, ihre moralische Autorität nicht genutzt zu haben, um Verbrechen zu verhindern.

Die Welt rätselt schon seit Monaten, ob sie nichts sagen darf oder nichts sagen will. Denn das Militär ist weiterhin an der Regierung beteiligt und die mächtigste Institution in Myanmar. Viel Handlungsspielraum haben politische Akteure deshalb nicht.

So soll das Militär etwa mit radikalen buddhistischen Gruppen wie Mabatha zusammenarbeiten, die offen gegen die Rohingya hetzen. "Mabatha ist so stark in Myanmar. Suu Kyi weiß, dass das Militär mit ihnen zusammenarbeitet. Wenn sie sie aktiv ablehnen würde, würde sie ihre Popularität verlieren", meint etwa Vishal Arora, Journalist in Delhi, zum STANDARD.

Erst vor einer Woche wurde der mehrfach ausgezeichneten Friedensaktivistin der Freedom-of-Edinburgh-Preis aberkannt, die siebente Aberkennung seit einem Jahr. Nach der UN-Kritik ist unklar, ob sie im September zur Uno-Generalversammlung nach New York reisen wird. (Anna Sawerthal, 28.8.2018)