Rainhard Fendrichs Single "Strada del Sole" markierte 1981 den Beginn der bis heute anhaltenden Karriere des Austropop-Stars.

Philips

Rainhard Fendrich zählt zu den wichtigsten Künstlern des Austropop und ist zugleich ein schwieriger Fall. In seinem Werk findet auf engstem Raum zusammen, was man am A-Pop lieben oder hassen kann. Da ist der Schmäh, der manchmal lässig, oft platt ist. Da ist die Sensibilität eines politisch Menschen, dort die Großkotzigkeit des Stars. Da ist das vielseitige Talent, das sich als Schauspieler, Musiker oder TV-Moderator offenbarte, hier der durch die Klatschspalten gewalkte Steuersünder, die reuige Koksnase, die im Moment des Bedauerns aufs Eis geführt wird, ausrutscht und auch noch einbricht – vor Publikum, wie es sich für einen Showman gehört.

Dazu gibt es den missverstandenen Fendrich. In Macho Macho macht er sich über diesen Typ Mann lustig, in der Disco grölten dann genau diese Typen bei dem Lied mit, als wäre es ihre Hymne. Apropos: I Am From Austria war ebenfalls ein Irrtum. Fendrich schrieb es 1989 als kritisches Lied mit Kurt Waldheim im Visier.

Jetzt erst recht

Zur Erinnerung: Österreich hatte damals mit Waldheim einen Bundespräsidenten, der früher Mitglied der SA war und das Land diesbezüglich belogen hatte. Was taten die Österreicher? Sie wählten ihn – jetzt erst recht. Fendrich hielt mit I Am From Austria dagegen, heute gilt das an Pathos im 24. Monat schwangere Lied als eine Art inoffizielle Landeshymne – und ausgerechnet Anhänger der FPÖ singen es gern an Wahlabenden, wenn sie einen Sieg errungen haben oder sich eine Niederlage schöntrinken.

Ein viel strapaziertes Lied. Von der FPÖ nicht kapiert, in der Käsewerbung im Einsatz – die inoffizielle Hymne des Landes: I Am From Austria.
Markus Ortner

Gleichzeitig steht das Lied für eine weitere Facette Fendrichs, den Schmalzlieferanten. Denn Schmalz kann er. Man denke nur an das Lied mit der seltsamsten Metapher der heimischen Popmusik: Weusd a Herz hast wie a Bergwerk. Ein schwarzes stickiges Loch? Nein, Fendrich meinte das anders. Er betrachtete das Bergwerk nicht aus der Perspektive des Grubenarbeiters, sondern aus der des Besitzers. Als etwas, das von außen nicht offenbart, welche Schätze es birgt.

Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" das ganze Jahr lang österreichischer Popmusik. Einzelne Alben, Songs und Künstler, die die heimische Populärmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.

Der 1955 in Wien geborene Liedermacher tauchte zu Beginn der 1980er im Genre auf. Da boomte gerade die Neue Deutsche Welle – in der Muttersprache zu singen war angesagt, Fendrich führte diese im Austropop bereits etablierte Tradition mit großem Selbstverständnis fort, bereicherte sie aber mit einer besonderen Note: Mit einem Schmäh, bei dem man oft nicht wusste, singt der so arrogant, weil es das Thema des Liedes verlangt oder weil er so ein Schnösel ist? Dazu muss man sagen, dass der Schauspieler Fendrich erst über den Umweg der Popmusik richtig populär wurde.

"Weusd a Herz hast wie a Bergwerk" – seltsame Metapher, einer der größten Hits des Rainhard Fendrich – und auch ein ordentliches Schmalzfass samt Zeitgeistsaxofon.
VillacherBier

Als er auftauchte, war er ein schmaler Strich. Mittelscheitel, Flinserl und ein G'schau, das im Schulhof oder im Gemeindebauhof nachgerade um Watschen bettelte. Er besang übersteuerte Zuneigungen zu Motorrädern oder die Schrecken von Eltern mit dem Buben in der Kommune.

Erster Hit

Sein erster großer Hit war Strada del Sole. Das war 1981. Ein Volltreffer. Jeder, der einmal in Lignano oder Jesolo die Zechen in den Sand bohrte und "Tschianti" zur "Polonaise" geordert hatte, fand sich darin wieder. Es jongliert mit Klischees, reimt Sandale auf Skandale und Lire auf fehlende Papiere.

Nach ähnlicher Bauart folgte eine Serie von heute als Klassiker geltenden Liedern wie Schickeria, Oben ohne, Es lebe der Sport, Ich bin ein Negerant, Madame, Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh’n, Vü schöner is des G'fühl, Macho Macho oder das erwähnte I Am from Austria – 1989 war das.

"Strada del Sole" – Fendrichs erster großer Hit.
Rainhard Fendrich

Fendrich hatte ein Gespür für Alltagsthemen, für Trends, die er auf seine Art aufgriff und umsetzte. Das ist bis heute so. Oft waren seine Lieder an der Grenze zur Parodie angesiedelt, fast immer bestachen sie mit eingängigen Refrains. Es waren Ohrwürmer, die man sogar sang, wenn man sie hasste, weil sie einem der Ö3-Wecker schon um sieben Uhr morgens wie einen Floh ins Ohr setzte.

Die deutsche Sprachbarriere nahm er spielend, und so wurde er auch jenseits der Grenze verstanden und populär. Fendrich war nicht nur weltberühmt in Österreich, auch in Deutschland lag man dem semmelblonden Sänger zu Füßen. Hierzulande war es nicht anders: 16 seiner 17 Studioalben standen an der Spitze der heimischen Charts, eines schaffte es auf Platz drei.

Für Obdachlose und Kinder

Wegbegleiter und sogenannte Kenner nennen Fendrich begabt und ehrgeizig, dabei soll er jedoch nicht selten rücksichtslos gewesen sein. Sein 2006 erfolgtes Geständnis, dass er 15 Jahre lang gekokst haben soll, mag das mit erklären. Einer von vielen Skandalen, die er viel zu öffentlich ausgetragen hat.

Auf der anderen Seite gibt es den bis heute Benefizkonzerte spielenden Musiker, der sich für Kinderrechte starkmacht – oder für Obdachlose. Müsste er nicht tun, er könnte auch in seinem Haus auf Malle sitzen und aufs Meer schauen.

Aus so einem sozialen Engagement heraus kam es zur Formation Austria 3, einer Supergroup mit Wolfgang Ambros und Georg Danzer, die 1997 gegründet wurde – auf Fendrichs Initiative. Ursprünglich kam sie nur für ein Benefizkonzert zusammen, doch entwickelte sich daraus ein extrem populäres Vehikel. 2007 spielte Fendrich – zwei Tage nach Danzers Tod – vor 200.000 Menschen auf der Donauinsel ein Konzert "statt und für Georg Danzer".

Wach und geschmeichelt

Bis heute ist Fendrich umtriebig, er ist geschmeichelt, wenn man ihm schmeichelt, lebt damit, wenn man ihn kritisiert. Trifft man ihn zum Interview, sitzt man einem wachen Geist gegenüber. Einem, der auf die Harte gelernt hat, nicht jedem zu vertrauen, aber deswegen nicht professionell misstrauisch wirkt. Einen, der nicht an Ruhe und Alterswerk denkt, sondern immer noch was will. Er spricht viel, derhaspelt sich manchmal, wenn er einen Gedanken zu weit weg vom Ausgangspunkt spinnt, fängt sich aber wieder. Etwas eitel wirkt er schon, aber welcher Schauspieler und Entertainer ist das nicht?

Zuletzt solidarisierte er sich mit Wolfgang Ambros, als der nach seinen Aussagen über die Politik der ÖVP-FPÖ-Regierung massive Kritik erntete. Obwohl die beiden als zerstritten gelten, gibt es für Fendrich offenbar Dinge, die wichtiger sind als persönliche Befindlichkeit. Nicht jeder in einer ähnlichen Position leistet sich so ein Rückgrat. (Karl Fluch, 1.9.2018)