Zwei Leben des Hans Beimer: Zuerst war er mit Helga (Marie-Luise Marjan) verheiratet, dann mit Anna (Irene Fischer).

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STANDARD: Am Sonntag stirbt Hans Beimer nach 33 Jahren in der ARD-"Lindenstraße". Wie viele Taschentücher brauchen eingefleischte Fans?

Luger: Ich darf natürlich nicht verraten, was genau passiert. Aber so viel kann ich sagen: Es wird sehr berührend, und es ist ein Tod, der zu Hans Beimer passt. Außerdem spielt das WDR-Funkhausorchester für diese außergewöhnliche Folge, für die wir viele Szenen draußen gedreht haben, die Filmmusik ein – und das live im WDR-Funkhaus vor 550 Gästen zeitgleich zur TV-Ausstrahlung um 18.50 Uhr. Ich werde mit 32 Kollegen der Serie im Saal sitzen und bin schon sehr gespannt.

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STANDARD: Waren Sie traurig, als die letzte Klappe fiel?

Luger: Ich hatte kaum Zeit für Sentimentalität, wir drehten bis zur letzten Minute, und ich hatte zu dem Zeitpunkt auch schon parallel Theaterproben. Alles ging am letzten Drehtag ein bisschen schnell. Aber der letzte Gang durch die Kulissen ein paar Wochen später ging mir schon nahe.

STANDARD: Sie waren von der ersten Folge an, also vom 8. Dezember 1985, dabei. Hatten Sie zu Beginn Ihres Engagements bei der "Lindenstraße" mit dieser langen Dauer gerechnet?

Luger: Überhaupt nicht. Hans Geißendörfer (Produzent, Anm.) kam damals auf mich zu und sagte: "Ich habe schon fast 100 Hans Beimers gecastet, aber du bist es." Ich zögerte anfangs, weil ich Theater spielen wollte, sagte dann aber doch für ein Jahr zu. Wir dachten ja alle, nach einem Jahr ist Schluss.

STANDARD: Ein Irrtum. Hans Beimer, der Sozialarbeiter, heiratete zweimal und bekam acht Kinder. Mochten Sie ihn?

Luger: Ja, er ist ja eigentlich sehr liebenswert – ein Kämpfer, aber kein Siegertyp. Ich habe auch privat für die Sympathie, die nicht auf der Sonnenseite stehen.

STANDARD: Wie viel von Ihnen selbst steckt in der Figur? Verschmilzt man in den 33 Jahren irgendwann?

Luger: In eine Alltagsfigur fließt natürlich einiges von dem ein, was man selbst erlebt. Aber grundsätzlich gibt es da eine klare Trennung, und ich bin auch ein ganz anderer Typ: ein fröhlicher Mensch, der gern draußen ist – etwa beim Paragliding. Hans Beimer ist ja eher ein grüblerischer, gebeutelter Drinnen- und Büro-Mensch, von vielen Schicksalsschlägen gezeichnet. Weil seine Rolle so schicksalsgeprägt ist, habe ich ja neben der Lindenstraße mit großem Vergnügen Boulevardtheater gemacht. In meinem ersten Vertrag in Lübeck stand, ich sei jugendlicher Charakter und Komiker. Das war ja in der Lindenstraße nicht möglich, aber jetzt kann ich es wieder richtig ausleben.

STANDARD: Konnten Sie die Figur eigentlich ein bisschen mitentwickeln und eigene Ideen einbringen?

Luger: Die Idee, dass Hans Beimer in der Midlifecrisis fremdgeht, kam von mir. Er war ja eh bis dahin immer sehr brav. Und dann kamen die großen Gefühle mit seiner zweiten Frau Anna: Tanzkurs im griechischen Lokal, Küsse im Mondschein, der Sohn erwischt ihn auch noch. Das waren tolle Szenen.

STANDARD: Sie wurden auch als Schauspieler dafür angefeindet.

Luger: Ja, die Leute konnten Serie und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten. Noch schlimmer traf es meine Kollegin Irene Fischer, die Hans Beimers zweite Frau Anna spielt. Sie wurde beim Einkaufen als Ehebrecherin beschimpft.

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STANDARD: Hatten Sie nie genug von der Figur?

Luger: Nein das nicht, und es gab ja auch Phasen, in denen Hans nicht im Mittelpunkt stand. Aber in den Neunzigerjahren hatte ich mal Schwierigkeiten mit einer Regisseurin und wollte aussteigen. Da überredete mich Hans Geißendörfer zu bleiben, mit den Worten: "Es gibt viele Regisseure, aber nur einen Hans Beimer."

STANDARD: Warum hält sich die Serie seit 33 Jahren im deutschen Fernsehen?

Luger: Anfangs wurden wir von der Presse total niedergemacht, die ganze Lindenstraße sei entsetzlich trivial, hieß es. Aber die Zuschauer liebten uns, denn es sind eben diese vielen Kleinbürgerszenen, in denen sich Menschen wiederfinden. Und die Lindenstraße hat alle großen politischen Themen aufgegriffen. Damit ändert sie zwar nicht die Welt, es liefert aber einen wichtigen Beitrag zu Debatten.

STANDARD: Warum gehen Sie jetzt? Vater Beimer hätte doch noch Opa werden seine Enkel erleben können?

Luger: Ich werde Anfang Oktober 75 Jahre alt, ich wollte noch einmal etwas anderes machen, wollte mehr Theater spielen. So eine Fernsehserie ist ja Fluch und Segen zugleich. Segen natürlich, weil sie regelmäßiges Einkommen bringt – vor allem, wenn man die vielen jungen Kollegen heute sieht, die um Engagements und Arbeitsplätze kämpfen.

STANDARD: Und Fluch, weil man der ewige Hans Beimer ist?

Luger: Fluch, weil andere Engagements ausbleiben. Ich habe einmal den Täter in einem Tatort gespielt und hatte auch Auftritte in anderen TV-Filmen. Aber mit der Zeit wurde dies weniger. Aber meine Fluchten waren ohnehin Kabarett, Kleinkunst und Komödien am Theater. Von dort komme ich, das macht mir Spaß, auch weil es im Theater ein direktes Feedback gibt.

STANDARD: Für viele Fans war der Tod von Hausmeisterin Else Kling im Jahr 2006 schwer zu verdauen. Was wird die "Lindenstraße" ohne Hans Beimer?

Luger: Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Sie geht weiter, wird jünger und frischer, und das ist auch gut so. Schwierig würde es vielleicht, wenn eines Tages Mutter Beimer stirbt.

STANDARD: Und "Hansemann" kommt nicht vielleicht doch zurück? Steht unter der Dusche und hat alles nur geträumt?

Luger: Nein. Hans Beimer stirbt morgen endgültig. (Birgit Baumann, 1.9.2018)

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