Chinas Außenminister Wang Yi enthüllte am Sonntag die Plakette für die Botschaft von Burkina Faso beim Afrika-China-Gipfel in Peking.

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Regierungschefs aus Europa pilgern derzeit nach Afrika. Vergangene Woche bereisten hintereinander Theresa May und Kanzlerin Angela Merkel mehrere Staaten. Sie wollten Geschäfte mit dem Schwarzen Kontinent machen und strategisch die lokale Wirtschaftsentwicklung fördern, um so Fluchtursachen vorzubeugen.

Peking reagierte gereizt, sieht es doch noch andere Beweggründe. Seine "wachsende Präsenz in Afrika" sei die Ursache für "die neue Dimension", die Europas Beziehungen zu Afrika annehmen, kommentierte das Parteiblatt "Global Times". Peking sei es zwar "gleich", ob die europäischen Länder allein unterwegs sind und nicht mit China zusammenarbeiten wollten: "Wir sind aber gegen Großmachtspiele um Afrika."

China fühlt sich in seinem Heimspiel bedrängt. Seit 2010 stieg es zum weltgrößten Investor, Kreditgeber und Handelspartner für viele afrikanische Staaten auf, legte sich in Dschibuti seine erste Militärbasis zu. Donald Trumps "America first"-Politik beschleunigte seinen Annäherungsprozess mit Afrika.

China-Afrika-Gipfel

Der am Montag in Peking startende zweitägige China-Afrika-Gipfel FOCAC soll nun noch tiefere Pflöcke einschlagen. Zum Auftakt beschwörte Pekings Propaganda auf Plakaten überall "die neue Einheit". Mehr als 30 Staatschefs, 1069 Regierungs- und Firmenvertreter aus 53 Staaten Afrikas machen Präsident Xi Jinping ihre Aufwartung. Ein offizieller Videoclip wirbt, dass China und Afrika "eine Familie" sind, verwoben in einer "Schicksalsgemeinschaft". Peking stehe bereit, Afrika zu unterstützen, seine Infrastruktur mit chinesischem Kapital und technischer Hilfe im Rahmen der neuen Seidenstraße zu erschließen.

Es ist das Paradeprojekt des chinesischen Staatschefs, für das Xi beim Gipfel "Afrikas Staaten neue Milliardeninvestitionen für Infrastrukturprojekte anbieten will", meldete die "South China Morning Post". 20 Staaten Afrikas sind auf dem Seeweg mit der "neuen Seidenstraße" nach Europa verbunden. 2013 offerierte Xi Afrika 20 Milliarden US-Dollar an Schenkungen und Darlehen und stockte diese 2015 um weitere 60 Milliarden US-Dollar auf. Sie flossen in Regierungsbauten und Sportstätten, in neue Häfen, Airports, Energie und Telekommunikation, in Freihandelszonen, Eisenbahnen und Straßen. Für mehrere afrikanische Länder wurde China so zum größten Gläubiger. Peking widerspricht allen Vorwürfen, es betreibe eine "Schuldenfallen-Diplomatie".

Viele Chinesen in Afrika

3200 chinesische Unternehmen sind inzwischen in Afrika ansässig. Immer mehr Chinesen lassen sich dort nieder, und Afrikaner kommen nach China. Genaue Zahlen seien schwer überprüfbar, sagte der renommierte Renda-Institutsleiter für Finanzwirtschaft und Afrika-Spezialist Wang Wen. Er geht von rund zwei Millionen Festlandchinesen aus, die heute in Afrika lebten. Umgekehrt hätten sich 200.000 bis 300.000 Afrikaner in der Volksrepublik China niedergelassen. Unter ihnen seien 80.000 Studenten, Techniker und Wissenschafter.

Damit hat die internationale Migrationsdebatte auch China erreicht. Die Volksrepublik "verwandelt sich von einem Herkunftsland für internationale Migration zu einem Destinationsland für Einwanderung", stellt erstmals der Jahresbericht 2018 über "internationale chinesische Migration" fest. Die Pekinger Akademie für Sozialwissenschaften hat ihn soeben in ihrer Reihe "Blaubücher" veröffentlicht.

Restriktive Gesetzgebung

Als traditionelles Nicheinwanderungsland mit restriktiver Gesetzgebung ist China auf Migration nicht vorbereitet. Entgegen allen Beteuerungen, sich seit 40 Jahren der Welt zu öffnen, kommt es nur auf einen Anteil von 0,07 Prozent Ausländer an seiner Gesamtbevölkerung. Im Juli 2017 war in China gerade eine Million Ausländer registriert, die zum Zeitpunkt ihrer Erfassung für mehr als sechs Monate dort lebte. Die Expertengruppe unter Wang Huiyao, dem Leiter des Pekinger "Zentrum für China und Globalisierung" (CCG), nennt die Volksrepublik ein weltweites Schlusslicht beim Ausländeranteil ihrer Bevölkerung.

Umgekehrt nehme China einen der vorderen Plätze ein, wenn es um Abwanderung geht, mit heute 9,54 Millionen Festlandchinesen, die mit internationalem Migrationsstatus im Ausland lebten. Bürger Hongkongs, Macaos oder Taiwans seien dabei nicht eingerechnet.

Doch der Wunsch, nach China auszuwandern und dort zu arbeiten, wächst nach Umfragen des Blaubuchs sowohl bei den Afrikanern als auch bei Bewohnern von Ländern im Einzugsgebiet der Seidenstraße. Gerade viele Afrikaner sehen in China "im Weltvergleich einen neuen Treffpunkt für Auswanderer".

Viele Vorurteile

Eine neue Migrationspolitik ist für China nur der Anfang seiner Globalisierungspolitik. Mehrere Beiträge im Blaubuch befassen sich kritisch mit chinesischen Vorurteilen gegenüber Afrikanern. Darin spiegle sich seine unaufgearbeitete Geschichte als Bauernvolk und die Folgen der langjährigen Abschottung der Volksrepublik wider. Forscher Zou Yijie schreibt, dass auf der Werteskala aus chinesischem Blick trotz aller Öffnung der westliche Europäer hoch oben über dem Afrikaner stehe. Da tröste es nicht, dass die Afrikaner ebenso abschätzig auf Chinesen in Afrika herabblicken.

Obwohl die Autoren Begriffe wie Rassismus vermeiden, beschreiben sie dessen Phänomene. Viele Chinesen meideten den Kontakt mit Afrikanern, fühlen sich von deren Hautfarbe, Verhalten, Frisuren, Kultur bis Musik abgestoßen. Auch Pekings Propaganda müsse sich ändern. Sie lobe die Entwicklungshilfe für Afrika, aber nicht dessen selbstständige Wirtschaftsleistungen. Sie stelle immer nur strategische und politische Beziehungen oder die Freundschaft heraus, aber nicht den gleichberechtigten Partner.

Ein Anfang ist gemacht

Immerhin sind es Anfänge für eine Debatte über Aufklärung und Toleranz, statt nur in Überdosen an Propaganda und Milliarden zu investieren. Renda-Experte Wang Wen nennt es wichtig, die beiden größten Irrtümer zu erklären, die die Meinung von Chinas Bevölkerung wie auch der westlichen Öffentlichkeit über die Afrika-Politik seines Landes beeinflussten.

Viele Chinesen seien der Ansicht, dass Afrika arm, nicht wichtig sei und es sich nicht lohne, dort zu investieren. China müsse seine Aufmerksamkeit stattdessen auf entwickelte Länder richten, um keine Verluste zu machen. Das sei faktisch ebenso falsch wie die pauschale Kritik im Westen, die Pekings Vorpreschen in Afrika als "neuen Kolonialismus und Kreditimperialismus" verurteilt. (Johnny Erling aus Peking, 3.9.2018)