Frankreich senkte die "Tamponsteuer" 2015 von 20 auf 5,5 Prozent.

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"Stop taxing our bloody tampons!" fordern Aktivistinnen und Aktivisten in ganz Europa und darüber hinaus seit mehr als drei Jahren. Monatshygieneprodukte wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen unterliegen als Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs in allen Mitgliedstaaten der EU der Umsatzsteuer. Die Forderung nach Abschaffung der "tampon tax" zielt darauf ab, diese ausschließlich Frauen treffende Besteuerung gänzlich zu beseitigen beziehungsweise Monatshygieneprodukte wie andere Gegenstände des täglichen Bedarfs zumindest mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen.

Im Gegensatz zu anderen Hygieneprodukten wie zum Beispiel Rasierern, deren Verwendung optional ist, stellen Tampons, Binden und dergleichen für Frauen eine Notwendigkeit dar. Eine vergleichbare, nur für Männer unverzichtbare Produktgruppe gibt es nicht. Diesem Umstand wurde in der Gesetzgebung vieler Länder bislang keine Beachtung geschenkt, was auf mangelnde Sensibilität und unzureichenden Umsetzungswillen für frauenpolitische Anliegen hinweist.

Unter welchen Voraussetzungen könnte die "Tamponsteuer" in Österreich abgeschafft – wie zuletzt in Indien – oder, wie es die Bundesjugendvertretung fordert, reduziert werden? Ein Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben und die österreichische Rechtslage:

Was mit Unionsrecht vereinbar wäre

Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stellt die primärrechtliche Grundlage für Bestimmungen zur Harmonisierung der Mehrwertsteuer dar. Konkrete Vorgaben finden sich in der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie: Artikel 96 und 97 schreiben einen Mehrwertsteuersatz von mindestens 15 Prozent vor. Davon abweichend können für die in Anhang III genannten Kategorien von Gegenständen und Dienstleistungen ermäßigte Steuersätze vorgesehen werden, allerdings dürfen diese nicht weniger als fünf Prozent betragen. Das Unionsrecht erlaubt also eine selektive Anwendung der ermäßigten Steuersätze. Die Aufzählung in Anhang III basiert derzeit auf keinem "logischen oder strukturierten Konzept", heißt es in einer Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, sondern auf der Rechtslage der einzelnen Mitgliedsstaaten Anfang der 90er-Jahre.

Monatshygieneprodukte werden darin explizit angeführt, weshalb Mitgliedsstaaten den Steuersatz darauf jedenfalls auf fünf Prozent senken könn(t)en. Niedrigere Steuersätze wären mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, es sei denn, sie wurden bereits vor 1991 angewendet. Auf Grundlage dieser Vorgaben besteuern die Mitgliedsstaaten Monatshygieneprodukte sehr unterschiedlich: In Ungarn sind zum Beispiel 27 Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten, in Frankreich 5,5 Prozent, in Irland hingegen gar keine.

Im Jänner 2018 hat die Kommission eine Änderung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie vorgeschlagen, die den Mitgliedsstaaten die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes unter fünf Prozent sowie einer Mehrwertsteuerbefreiung ("Nullsatz") ermöglichen würde. Derartige Steuerbegünstigungen sollen aber nur zulässig sein, wenn sie den Endkonsumentinnen und -konsumenten zugute kommen und im allgemeinen Interesse sind. Sofern der Rat diesem Vorschlag zustimmt, wäre eine Abschaffung der "tampon tax" möglich.

Die nationale Rechtslage dazu

Nach Paragraf 10 des Umsatzsteuergesetzes sind steuerpflichtige Umsätze mit dem Normalsteuersatz von 20 Prozent oder mit einem ermäßigten Steuersatz von zehn beziehungsweise 13 Prozent zu besteuern. Begünstigt sind die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen: Teils decken sie den täglichen Bedarf, teils handelt es sich um landwirtschaftliche, soziale oder kulturelle Umsätze. So wird der Steuersatz von zehn Prozent auf Lebensmittel, aber auch auf Blindenhunde, Arzneimittel und Bücher angewendet.

Welche Warenumsätze steuerbegünstigt sind, ergibt sich aus Anlage 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes. Monatshygieneprodukte werden darin nicht angeführt und unterliegen somit dem Normalsteuersatz. Ermäßigte Steuersätze mögen zwar in vielen Fällen aus "gewichtige[n] sozial- und preispolitische[n] Gründe[n]" gerechtfertigt sein, eine Systematik ist dahinter aber nicht zu finden. Dies könnte erklären, warum Monatshygieneprodukte derzeit nicht darunter fallen, zugleich steht es ihrer künftigen Begünstigung nicht entgegen.

Eine Änderung wäre Aufgabe des einfachen Gesetzgebers. Entsprechende Forderungen gibt es auch seit einiger Zeit: Einem offenen Brief von Aktivistinnen und Aktivisten an den Finanzminister im Jahr 2016 folgte ein Entschließungsantrag im Nationalrat, der jedoch auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Auch sonst wurde die Thematik nicht wieder aufgegriffen.

Tabuthema Menstruation

Wird der Vorschlag der Kommission angenommen, wäre der Weg zur gänzlichen Abschaffung der "tampon tax" aus unionsrechtlicher Sicht geebnet. Die geplante Novelle der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie ermöglicht niedrigere Steuersätze und Mehrwertsteuerbefreiungen, allerdings ohne die Mitgliedsstaaten dazu zu verpflichten. Damit liegt die Entscheidung weiterhin beim österreichischen Gesetzgeber.

Das Unterfangen, die "Tamponsteuer" auf die politische Agenda zu bringen, erweist sich als besondere Herausforderung, wird Menstruationsblut doch seit langem gesellschaftlich stigmatisiert und als Tabuthema gehandelt, über das auch viele Frauen nur äußerst zurückhaltend sprechen. Deutlich wird dies auch durch den Großteil der Werbungen für Binden und Tampons, denn Blut wird hier durch sterile blaue Flüssigkeiten dargestellt.

Bekenntnis zur Gleichstellung

Immer wieder wird eingeworfen, dass die "tampon tax" finanziell vernachlässigbar sei und die Forderung, sie abzuschaffen, nur von wichtigeren Anliegen der Gleichstellungspolitik ablenke. Der Gender-Pay-Gap sowie die mangelnde Repräsentation in Machtpositionen stellen zwar die wohl am meisten beachteten Benachteiligungen von Frauen dar, doch existieren daneben unzählige weitere, die sich auf nahezu alle Lebensbereiche erstrecken. Mögen manche davon auch gering erscheinen, wie zum Beispiel die Belastung durch die "tampon tax", so wäre die vollständige Beseitigung aller Nachteile Bedingung für eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter.

Gerade deshalb ist es wichtig, jeden einzelnen aufzuzeigen und verschiedene Forderungen nicht gegeneinander auszuspielen. Nur so ergibt sich ein umfassendes Gesamtbild der nach wie vor bestehenden gesellschaftlichen Schlechterstellung von Frauen. Durch die Abschaffung oder Verringerung der "tampon tax" könnte die Gesetzgebung zeigen, dass sie nicht blind ist und ihr verfassungsrechtlich verankertes Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter ernst nimmt. (Judith Fitz, Lilo Martini)