Linz/Wels/Wien – Ein Facebook-Profil, dessen Besitzer die FPÖ als mutmaßlichen Terrorsympathisanten angezeigt hat, dürfte nicht jenem von der Abschiebung bedrohten Lehrling gehören, mit dem sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte fotografieren lassen. Das ergaben laut APA-Informationen die polizeilichen Ermittlungen. Am Donnerstag bestätigte die Staatsanwaltschaft eine "Verwechslung".

Die Ermittlungen sollen abgeschlossen sein und zeigen, dass es sich bei dem von der FPÖ Beschuldigten nicht um den von den Freiheitlichen als "Asyl-Musterlehrling" bezeichneten Mann handelt.

Der oberösterreichische Landesrat Rudolf Anschober (Grüne) erhebt nun schwere Vorwürfe gegen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus: Dieser habe "einen völlig wehrlosen jungen Menschen öffentlich angeprangert. Und versucht jetzt wie ein Feigling die Schuld anderen umzuhängen."

Der Lehrling ist kein mutmaßlicher Terrorsympathisant, so die Staatsanwaltschaft.
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Anschober kündigte eine politische Erklärung "zu den notwendigen Konsequenzen dieses Skandals" unmittelbar nach der Präsentation der Ermittlungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft Wels an. Diese dürfte am Freitag erfolgen.

"Verwechslung" für Gudenus "bedauerlich"

Gudenus selbst sieht sich nicht für die falsche Beschuldigung des Lehrlings verantwortlich. "Ich finde das für ihn sehr bedauerlich", sagte er am Donnerstag der APA. Fehler habe man aber nicht gemacht: "Im Prinzip wurde nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." Vielmehr sieht Gudenus die Verantwortung beim oberösterreichischen Landesrat Anschober.

Der Lehrling sei ein "Opfer der Fahrlässigkeit des Herrn Anschober", beharrte Gudenus auf dem Standpunkt, den auch andere freiheitliche Vertreter schon vertreten hatten. Man habe die Informationen von der Facebook-Seite des grünen Landesrats "eins zu eins dem Verfassungsschutz weitergeleitet".

Keine Entschuldigung beim falsch Beschuldigten

Dass der falsche Link auf das Foto des Mannes aus freiheitlichen Reihen erfolgt sein könnte, um Vorwürfe gegen den Asylwerber und die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" zu konstruieren, schloss Gudenus aus und ergänzte: "Normalerweise verlinkt der Seiteninhaber – aber nicht immer."

Für den FPÖ-Klubchef ist die Causa jedenfalls abgeschlossen: "Im Prinzip ist die Sache für uns erledigt." Dennoch, betonte Gudenus, werde man auch künftig "immer, wenn es darum geht, radikalislamistische Inhalte zu bewerten, wachsam sein" und diese an die Behörden weiterleiten. Eine Entschuldigung in Richtung des falsch beschuldigen Lehrlings, wie von mehreren Seiten gefordert, gab es von Gudenus nicht.

"Menschlich widerlich und politisch verantwortungslos"

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher warf Gudenus am Donnerstag "Fake-News-Politik" vor. Für Alma Zadić von der Liste Pilz ist Gudenus' Vorgehen "menschlich widerlich und politisch verantwortungslos". Sie bot dem betroffenen Lehrling Rechtshilfe an.

Lercher zeigte sich "entrüstet". "Entweder war Gudenus' Facebook-Recherche tatsächlich so stümperhaft, und er ist nicht nur am rechten, sondern auf beiden Augen blind. Oder Gudenus hat vorsätzlich gehandelt, um politisches Kleingeld zu wechseln. Dann reden wir von Verleumdung." Er fordert eine Entschuldigung der Freiheitlichen.

"Neuer moralischer Tiefpunkt"

Für Zadić hat Gudenus mit seinen falschen Vorwürfen "wieder einmal einen neuen moralischen Tiefpunkt" innerhalb der Partei erreicht. Der Lehrling sei von der FPÖ in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden und könne sich auch dagegen wehren. Als ehemalige Rechtsanwältin bot sie ihm daher Unterstützung und ihre Expertise an, sollte er rechtliche Schritte erwägen. Auch den Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht Zadić in der Pflicht. Dieser müsse endlich "seinem Koalitionspartner FPÖ Einhalt gebieten und unsere Gesellschaft vor blauer Spaltung schützen".

Gudenus selbst ging am Donnerstag auf Tauchstation und wollte trotz mehrmaliger Anfragen nicht zur FPÖ-Blamage Stellung nehmen. Ein Pressesprecher von Gudenus verwies auf die Aussendung von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, in der dieser Landesrat Anschober für die Verwechslung verantwortlich machte.

Van der Bellen "froh"

Die Bestätigung der Staatsanwaltschaft, dass der von Van der Bellen besuchte Lehrling kein Terrorsympathisant ist, hat den Präsidenten bei einem Besuch in der Schweiz erreicht. Er habe deshalb noch "keine Gelegenheit gehabt, die Veröffentlichungen anzusehen", sagte er am Donnerstag.

Er wolle sich den Bericht der Staatsanwaltschaft und der polizeilichen Behörden nun "sehr genau anschauen und dann meine Schlüsse daraus ziehen", so Van der Bellen. Grundsätzlich wolle er die Sache "nicht aus der Schweiz kommentieren". Aber: "Wenn es so ist, wie Sie sagen, dann bin ich sehr froh darüber."

Anzeige von Gudenus

Das Bild des Asylwerbers war kürzlich durch die Medien gegangen, als er von Van der Bellen und Anschober an seiner Lehrstelle in einem Supermarkt in Oberösterreich besucht wurde. Der Bundespräsident wollte damit ein Signal an die Bundesregierung senden, eine humanitäre Lösung für den Aufenthalt von Asylwerbern in Lehre zu finden.

Gudenus hatte den Mann wegen einer möglichen Straftat im Internet dann angezeigt. Nebeneffekt des freiheitlichen Vorgehens: Anschobers Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" wurde so in Misskredit gebracht.

Anderer Name, anderes Aussehen

"Öffentlich ersichtlich war auf diesem Profil, dass ihm die Liwa Fatemiyoun gefällt – die unter anderem auch als Hisbollah Afghanistans bekannt ist", erklärte der oberösterreichische FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner. Die FPÖ bezog sich dabei auf "Gefällt mir"-Angaben.

Auf Anschobers Facebook-Seite ist ein Foto des Lehrlings markiert. Das dieser Markierung zuzuordnende Profil hat aber nicht nur einen anderen Namen, der Mann auf dem Profilbild ist auch korpulenter, trägt einen anderen Haarschnitt und gibt an, nicht in Oberösterreich zu leben. Für Anschober deutete deshalb schon im Vorfeld "vieles darauf hin, dass der Name nicht ident ist".

Gudenus sah darin eine "Schutzbehauptung". Anschober sei für seinen Facebook-Auftritt selbst verantwortlich und habe Erklärungsbedarf, "wie sich ein Fan der antisemitischen Terrororganisation Hisbollah auf seinem Facebook-Account verlinken kann". Für Anschober wiederum war "der Zeitpunkt der Diffamierung eines Lehrlings" kein Zufall. Er verlangte von Gudenus Belege für dessen Behauptungen. (APA, 6.9.2018)