Monsanto hat wegen seiner Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat Millionenklagen am Hals.

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Die Ackerfurchen sind tief, die Schollen trocken und hart, doch Paul François stolpert über etwas anderes – ein Wort. Diesmal will ihm das Substantiv "Anbau" nicht einfallen, als er erzählt, er habe mittlerweile vollständig auf Bioanbau umgesattelt. "Ab und zu habe ich ganz kurze Aussetzer, wie Gedächtnislücken", meint der Landwirt, der sonst ebenso rasch wie präzis spricht. "Es ist, wie wenn der Motor für eine Sekunde stockt. Dann springt mein Gehirn wieder an."

Schuld ist sein Unfall, doch darüber redet er ungern. Lieber berichtet der 53-Jährige über die Entwicklung seines 240 Hektar großen Guts in Bernac in Westfrankreich, auf dem er geboren ist. "Die Umstellung auf Bio dauerte Jahre und verlangte viel Einsatz, doch heute bewirtschafte ich die grünen Bohnen, den Raps und Weizen nur noch nachhaltig." Unkrautvertilger kommen nicht mehr zum Einsatz. Dafür ein zusätzlicher Angestellter, meint François mit Genugtuung. Ohne Chemie erfordere der Anbau – jetzt kommt das Wort problemlos über die Lippen – etwas mehr Aufwand.

Praktische Herbizide

Der temperamentvolle Westfranzose legt Wert auf die Feststellung, er setze nicht erst seit seinem Unfall im Jahr 2004 auf Bio. Schon Jahre zuvor habe er sich mit der Idee befasst. Aber er räumt ein: Auf dem elterlichen Gut Beauregard habe man früher stets mit Herbiziden und Pestiziden gearbeitet. "Das war praktischer und ging schneller."

Hat die Dämpfe eines Unkrautmittels von Monsanto eingeatmet: Bauer Paul François.
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Als er den Hof übernommen hatte, blieb er zuerst dabei. Bis zu seinem Unfall. Dieses Wort muss der 53-jährige Getreidebauer nicht suchen. Auch das Datum nicht: "Es war am 27. April 2004, einem Tag mit blauem Himmel." François öffnete einen Tank mit dem Pflanzenvernichtungsmittel Lasso, um nachzuschauen, ob es aufgebraucht war. War es nicht. In der Hitze hatte es aber starke Dämpfe entwickelt – die François inhalierte, als er den Deckel geöffnet hatte. Bald darauf wurde ihm schlecht und schwindelig. Ins Haus zurückgekehrt, verlor er das Bewusstsein. Seine Frau, eine Krankenschwester, rief die Ambulanz und forderte die Notfallstation auf, das Beatmungsgerät zu aktivieren. Das rettete möglicherweise sein Leben.

Schwere Symptome

Seither kämpft François gegen schwere Symptome wie Kopfschmerzen, Gedächtnislücken, Immunschwäche. Und er kämpft gegen den US-Konzern Monsanto, den Hersteller von Lasso. Der Franzose fand schnell heraus, dass das Herbizid in Ländern wie Kanada und England wegen seiner Gefährlichkeit verboten war. Auf der französischen Etikette stand hingegen zu lesen: "Erfordert keine spezielle Ausrüstung." Also auch keine Atemschutzmaske.

Monsanto bestreitet noch heute jeden Bezug zu François' Gesundheitsproblemen, vergeblich verlangte der Landwirt Entschädigung. 2007 ging er vor Gericht. Wenige Monate danach untersagte auch Frankreich den Einsatz von Lasso. Bleibt der Rechtsstreit. Es ist ein Präzedenzfall: Wenn der Landwirt aus der Gegend von Charente vor Gericht recht bekommt, dürften andere Lasso-Opfer folgen und auch Kunden von Glyphosat. In Frankreich, dem größten Agrarland der EU, könnten die Geschädigten in die Hunderte gehen, schätzt der Verein Phyto-Victimes, der sich für Chemieopfer wie François einsetzt.

Prozess seit zehn Jahren

François hat bereits 50.000 Euro in den Rechtsstreit investiert, wovon nur ein kleiner Teil durch Spenden des Vereins gedeckt ist. "Ich habe vor Gericht noch nie einen Vertreter der Firma zu Gesicht bekommen. Nur die Anwälte lassen sich blicken, um eiskalt zu erklären, ich hätte nach dem Einatmen der Lasso-Dämpfe zuerst einen Gerichtsvollzieher holen sollen, um alles aufzuzeichnen." Die Notfallambulanz hätte warten sollen. Der Prozess dauert bereits zehn Jahre. Auf dem Instanzenweg erhielt François zweimal recht mit dem Argument, das Lasso-Etikett habe ungenügend auf die Gefährlichkeit des Produktes hingewiesen. Der Kassationshof befand hingegen Ende 2017, die Kernfrage – die Gefährlichkeit des Unkrautmittels – sei nicht genügend abgeklärt worden, und ordnete einen neuen Prozess an.

Monsanto kommuniziert das Verfahren nicht, hat aber seinen Standpunkt in einem Kommuniqué zusammengefasst: "Die fundierte Analyse des Falles hat ergeben, dass es für den Zusammenhang zwischen dem Herbizid Lasso und den Symptomen von Herr François keinen Beleg gibt."

Abwehr geschwächt

François verweist dagegen auf Studien, die bestätigen, dass der Lasso-Wirkstoff Monochlorbenzol das Immun- und Nervensystem angreift. "Mein Abwehrsystem ist so geschwächt, dass jede Infektion tödlich sein kann", erklärt der Landwirt. Dank einer Algentherapie falle er wenigstens nicht mehr regelmäßig ins Koma wie früher."

Dennoch muss François am Nachmittag eine Pause einlegen: Er wird plötzlich sehr müde. Auf dem Rückweg ins Büro sinniert er, ob die Übernahme des US-Multis durch den deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer vielleicht etwas an dem – wohl erst 2020 entschiedenen – Gerichtsfall ändern könnte. "Das politische Umfeld ist in Deutschland und Frankreich anders." In Paris sei eben der grüne Umweltminister Nicolas Hulot zurückgetreten – auch, weil sich Präsident Emmanuel Macron geweigert habe, Glyphosat zu verbieten. "Seither gilt Hulot als mutig, Macron als lobbyabhängig", sagt François.

Jetzt bricht er das Gespräch ab. Zu den Besserungswünschen meint er: "Wünschen Sie das den Bauern in China und Afrika. Dort scheint dieses Herbizid noch zugelassen zu sein." (Stefan Brändle aus Bernac, 7.9.2018)