Die Korona, eine Atmosphärenschicht der Sonne, wird bis zu eine Million Grad Celsius heiß. Sie zu beobachten ist eine Herausforderung für die Forschung.

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Etwa 6.000 Grad Celsius ist die Oberfläche der Sonne heiß. Es erscheint logisch zu glauben, dass mit steigender Entfernung vom Gestirn dieser Wert abnimmt. Aber im Gegenteil: In der Korona, jenem Atmosphärenteil, der die Sonne zum Teil in einer Ausdehnung von mehreren Sonnenradien umgibt, ist es ungleich heißer – etwa eine Million Grad Celsius.

Wie diese Aufheizung genau entsteht, ist eines der größten verbleibenden Rätsel der Sonnenphysik, wenn auch nicht das einzige. Zusammen mit den koronalen Masseauswürfen, den sogenannten Flares, sind die Vorgänge im Umfeld des Sterns für Sonnenstürme verantwortlich, die in intensiver Ausprägung eine Gefahr für Raumfahrt und sogar für technische Infrastrukturen auf der Erde sein können. Verlässliche und detaillierte Weltraumwetterprognosen sind aber noch eine entfernte Vision.

Sammlung von Daten

Sonnenphysik und Weltraumwetter waren vergangene Woche auch Thema bei der Sommeruniversität "Graz in Space", auf der aktuelle Aktivitäten der heimischen Weltraumforschung vorgestellt wurden.

Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Kommission für Astronomie und dem Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Institut für Physik der Universität Graz veranstaltet, beteiligt waren u. a. Joanneum Research, FH Joanneum, FH Wiener Neustadt und die Förderagentur FFG.

Im kommenden Jahrzehnt wird im Umfeld der Sonne einiges los sein. Im August schickte die US-Raumfahrtbehörde Nasa die Parker Solar Probe in Richtung Korona, wo sie 2024 ihren sonnennächsten Punkt erreichen wird. Sie wird erstmals Vorortmessungen in der Korona durchführen und den bisherigen Annäherungsrekord der Helios-Missionen aus den 1970er-Jahren um ein Vielfaches unterbieten.

2020 wird ihr der Solar Orbiter der Europäischen Raumfahrtagentur Esa folgen, um aus weiterer Entfernung und anderer Perspektive Daten zur Sonnenaktivität – vor allem auch im Inneren des Sterns – zu sammeln.

Teleskop-Duett

Doch nicht nur mittels Missionen in Sonnennähe werden die Bemühungen zur Erkundung der Sonnenphysik verstärkt. Auch auf der Erde tut sich einiges. In Europa soll bis 2025 der Bau des bisher größten Sonnenteleskops in Angriff genommen werden, erläutert Arnold Hanslmeier, der am Institut für Physik der Uni Graz auch in die Planungen involviert war.

"Das Teleskop, das auf Teneriffa gebaut werden könnte, ist mit einem Durchmesser von vier Metern etwa gleich groß wie jenes, das gerade in Hawaii entsteht", sagt der Sonnenphysiker. "Europa will hier gleichziehen. Zudem ergänzen sich die beiden Standorte, um die Sonne rund um die Uhr zu beobachten." Ob sich Österreich auch am Bau der Anlage beteiligen wird, ist ungewiss. Die Zusage des Wissenschaftsministeriums steht noch aus.

Das Zusammenspiel der beiden Teleskope bringt vor allem einen maßgeblichen Zugewinn bei der räumlichen Auflösung, die bei den bisher besten Anlagen etwa 100 Kilometer betrug und sich nun auf zehn bis 20 Kilometer verbessert. "Das ist notwendig, um aktuelle theoretische Modelle zur Sonnenaktivität überprüfen zu können", betont Hanslmeier.

Unterschiedliche Wellenlängen

Auch die Vermessung der Sonnenatmosphäre von der Erde aus soll genauer werden. "Wenn wir danach fragen, wie sich Massebewegungen ausbreiten, die von der Oberfläche der Sonne, der Fotosphäre, ausgehen, dann brauchen wir Untersuchungen in unterschiedlichen Wellenlängen", sagt der Physiker. Im sichtbaren Strahlungsbereich wird die Sonnenoberfläche beobachtet.

Um höhere Schichten in der Chromosphäre und der darüberliegenden Korona ins Visier nehmen zu können, werden kürzere Wellenlängen im ultravioletten Bereich eingesetzt. "Wir messen Schicht für Schicht und erstellen so eine Tomografie der Sonnenatmosphäre."

Nicht nur Teneriffa und Hawaii sind gute Orte für die Sonnenbeobachtung, sondern auch die Kanzelhöhe in Kärnten. "Es gibt hier eine besonders hohe Zahl an Sonnenstunden pro Jahr und gute atmosphärische Bedingungen, etwa gering ausgeprägte Luftunruhe", sagt Observatoriumsleiterin Astrid Veronig, Hanslmeiers Kollegin an der Uni Graz.

Sonnenflecken und -stürme

Die Bilder, die hier alle sechs Sekunden aufgenommen werden, fließen direkt in das Weltraumwetterprogramm der Esa ein. Wie koronale Massenauswürfe und Sonnenflecken, die ebenfalls beobachtet werden, zusammenhängen, ist im Detail noch unklar. "Wir wissen zumindest, dass die Energie der Flares aus starken Magnetfeldern innerhalb der Sonnenflecken kommt", sagt Veronig.

Beide Phänomene werden automatisch erkannt, berechnet, klassifiziert und an die internationalen Beobachtungsnetzwerke weitergemeldet. In letzter Zeit herrsche übrigens Ruhe, die Sonnenaktivität sei sehr gering, berichtet die Wissenschafterin.

Veronig und Kollegen sind aber auch an der Sonnenerkundung vom Weltall aus beteiligt – in Form von Stix (Spectrometer Telescope for Imaging X-rays), einem Instrument an Bord des Solar Orbiters. Die Aufnahmen des Teleskops, die im Röntgenbereich liegen, lassen auf die Beschleunigung von Teilchen in der Korona und atmosphärische Wechselwirkungen schließen.

Besonders interessant sind auch hier Strahlungsausbrüche, bei denen in kurzer Zeit enorm viel Energie freigesetzt wird und die als Sonnenstürme auch die Erde erreichen können. Die Temperaturen in diesen Outbursts liegen bei 20 Millionen Grad. Anders als die Parker-Sonde, die lokale und kleinräumige Werte vergleichsweise nahe bei der Sonne aufzeichnet, behalten die bildgebenden Instrumente von Solar Orbiter den Überblick und geben den Parker-Daten Kontext.

Auf diese Art soll auch das seit den 1940er-Jahren bestehende Rätsel um die erstaunlich hohen Koronatemperaturen gelöst werden. Im Wesentlichen gibt es zwei Theoriegruppen dazu, erklärt Veronig: "Die einen sehen Wellenbewegungen im Plasma, die durch die Magnetfelder der Sonne angestoßen werden und Energie aufnehmen, als Ursache. Die anderen vermuten die Herkunft der Energie in Nanoflares, also kleineren Strahlungsausbrüchen, die das Plasma der Korona ununterbrochen befeuern." Keine der Theorien konnte bisher bewiesen werden. Das soll sich nun ändern. (Alois Pumhösel, 16.9.2018)