Der 29-jährige österreichische Student und Autor Max Zirngast ist offenbar im Rahmen einer breiter angelegten Razzia gegen die linksgerichtete türkische Splitterpartei TÖPG festgenommen worden. Zeitgleich mit der Festnahme des Österreichers und zweier Mitglieder der Partei am Dienstagmorgen in Ankara ist ein weiterer Aktivist in Hatay, im Südwesten der Türkei, von der Polizei nach einer Hausdurchsuchung abgeführt worden. Das meldete die Aktionspartei für soziale Freiheit (Toplumsal Özgürlük Parti Girisimi).

Die TÖPG gehört dem Sammelbündnis Demokratischer Volkskongress (HDK) an, aus dem wiederum die prokurdische Parlamentspartei HDP hervorging. Zirngast wird angeblich Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen; damit dürfte die verbotene kurdische Untergrundarmee PKK gemeint sein. Universitätslehrer, die Zirngast kennen, halten das für aus der Luft gegriffen. Würde die kleine Gruppierung TÖGP tatsächlich illegale Ziele verfolgen, dann wäre dies ja eine Vorlage für den türkischen Staat, gleich die HDP zu verbieten, sagt Ismail Küpeli, ein Historiker der Ruhr-Universität in Bochum. Für Küpelis 2015 erschienenen Sammelband über die syrisch-kurdische Stadt Kobane hatte Max Zirngast einen Beitrag geschrieben.

Maximal zwölf Tage

Was die türkische Justiz dem jungen Steirer tatsächlich vorwirft – sein Engagement für eine linksgerichtete Partei, seine journalistischen Arbeiten oder beides -, könnte erst nach Wochen bekanntgegeben werden. Laut Gesetz müssten Zirngast und die mit ihm festgenommenen Parteimitglieder bis spätestens Freitag dem Richter vorgeführt werden. Dieser entscheidet dann über Freilassung oder Überstellung in die Untersuchungshaft. Die neuen Sicherheitsgesetze, die im vergangenen Juli das Regelwerk des Ausnahmezustands ablösten, lassen aber Verlängerungen zu. Bei Terrorismusvorwürfen kann der Richter die Viertagesfrist nach einer Festnahme zweimal erneuern. Zirngast könnte also bis zu zwölf Tage ohne Angabe von Gründen festgehalten werden. Nach Informationen der österreichischen Regierung ist der junge Mann derzeit in einer Polizeiwache in Ankara in Gewahrsam.

Zirngasts Anwalt Murat Yilmaz glaubt allerdings an eine Freilassung seines Mandanten, wie er gegenüber dem ORF in Istanbul erklärte.

Zirngast hatte sich 2015 für einen Masterstudiengang der Politikwissenschaften an der ODTÜ in Ankara eingeschrieben. Dort schloss er sich der Studentengruppe am Institut an und begann in linken Onlinemagazinen wie "Revolt" aus der Schweiz oder "Jacobin" aus den USA über die türkische Politik zu schreiben. Die Website der Partei TÖPG übernahm in einem Fall einen englischsprachigen Beitrag Zirngasts. Auch in der Monatszeitung der Partei, "Toplumsal Özgürlük", soll der Steirer Texte veröffentlicht haben. Solche Artikel zu schreiben oder Vorträge zu halten sei in Europa völlig belanglos, stellt Ismail Küpeli fest. In der Türkei jedoch könnte dies einem Autor wegen der dortigen Antiterrorgesetzgebung zum Verhängnis werden.

Österreicher war gefährdet

Zirngast war sich der Risiken durchaus bewusst, wie er in einem Gespräch in Ankara im Jänner 2017 erkennen ließ. Möglicherweise hielt er sein Eintreten für politische Überzeugungen am Ende für wichtiger als die Gefahr einer Inhaftierung. Zirngast sei gefährdeter als andere Ausländer gewesen, weil er zum einen als Journalist nicht so etabliert sei, andererseits aber permanent in der Türkei lebt, sagt Thomas Schmidinger, ein früherer Dozent Zirngasts an der Universität Wien. Die ehemalige grüne Nationalrätin Berivan Aslan hält für wahrscheinlich, dass Zirngasts Festnahme rein politisches Kalkül der türkischen Führung ist.

Dass der Österreicher und wenigsten zwei weitere türkischstämmige Österreicher nun in den Händen der Justiz sind, sei kein Zufall, erklärt Aslan. Die türkische Regierung stehe einer Wirtschaftskrise gegenüber und brauche dringend Geld. Mit Zirngasts Festnahme wolle die Türkei finanzielle Unterstützung durch die EU-Staaten erreichen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte am Mittwoch die Türkei auf, die Vorwürfe gegen Zirngast zu konkretisieren oder ihn sofort freizulassen. Anders als bei früheren Fällen festgenommener deutscher Staatsbürger in der Türkei hat das Außenamt zumindest sogleich die Möglichkeit zur konsularischen Betreuung des Österreichers erhalten. (Markus Bernath, 12.9.2018)