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Die autoritären Tendenzen der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán befeuern seit Jahren eine Debatte darüber, ob Fidesz überhaupt noch ein Platz in der Fraktion der Europäischen Volkspartei gebührt.

Foto: AP / Tamas Kovacs

Am Mittwoch vergangener Woche votierte das Europäische Parlament (EP) zum ersten Mal in seiner Geschichte für ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Angenommen wurde dabei ein Bericht der niederländischen Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini, der zahlreiche Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in Ungarn dokumentiert.

Die autoritären Tendenzen der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán haben aber nicht nur zu diesem Votum im Europäischen Parlament geführt. Sie befeuern auch seit Jahren eine Debatte darüber, ob Fidesz überhaupt noch ein Platz in der EP-Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) gebührt.

Die EVP vereint christdemokratische und konservative Parteien aus allen 28 Mitgliedsstaaten und bildet mit 219 Mandaten die größte EP-Fraktion. Unter den europäischen Parteienfamilien ist die EVP klar dominant, sie stellt derzeit die Präsidenten des Europäischen Rates (Donald Tusk), der Europäischen Kommission (Jean-Claude Juncker) und des Europäischen Parlaments (Antonio Tajani).

Welche nationalen Parteien Platz in einer EP-Fraktion finden, hängt natürlich von vielen Faktoren ab – ein Mindestmaß an ideologischer Übereinstimmung schadet aber sicher nicht. Daher lässt sich – abseits von fundamentalen Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – empirisch auch bewerten, wie sehr es noch ideologische Übereinstimmung zwischen Fidesz und den anderen nationalen Parteien in der EVP gibt.

Die Grafik unten stellt die Parteipositionen ausgewählter EVP-Mitgliedsparteien in den Bereichen europäische Integration und Zuwanderung dar (in diesen beiden Politikfeldern ist die Distanz von Fidesz zum Rest der EVP am größten). Die Daten stammen von der Chapell-Hill-Expertenbefragung 2017, der ÖVP-Datenpunkt wurde aus der 2014er-Befragung ergänzt. Wenig überraschend sind die meisten Parteien im rechten oberen Quadranten angesiedelt: zuwanderungsskeptisch, aber gleichzeitig EU-freundlich.

Fidesz ist in Zuwanderungsfragen zwar fast ganz am restriktiven Ende der Skala positioniert, damit in der EVP aber nicht völlig allein. Auch die bayerische CSU sowie die französischen und spanischen Konservativen liegen hier deutlich rechts der Mitte. Und auch die ÖVP würde heute von denselben Experten wohl nicht ganz so moderat wie 2014 (6,1 auf einer Skala von 0 bis 10) eingestuft werden.

Deutlicher aber noch ist der ideologische Graben beim Thema Europa. Fidesz ist von allen dargestellten Parteien die einzige klar EU-skeptische. Die meisten anderen EVP-Mitgliedsparteien zählen – ganz in der Tradition der europäischen Christdemokratie – zu den Befürwortern des Integrationsprozesses. Tatsächlich ähnelt das ideologische Profil von Fidesz stärker jenem der AfD, der FPÖ oder der italienischen Lega als jenem der etablierten christdemokratischen Parteien Europas. (Eine rechtspopulistische Fraktion wäre wohl auch eine logische neue Heimat für die Partei Viktor Orbáns.)

Umso interessanter ist allerdings, dass sich diese ideologischen Differenzen bisher kaum im Abstimmungsverhalten im EP niederschlagen. Die zwölf derzeit aktiven Fidesz-MEPs votieren laut votewatch.eu im Schnitt bei 94 Prozent der Abstimmungen mit der Mehrheit in der EVP-Fraktion. Damit liegen sie nicht viel anders als etwa Othmar Karas und die restlichen Abgeordneten der ÖVP-Delegation. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 19.9.2018)