Früher hatte Ralf Rangnick in Salzburg das Sagen, jetzt hat er es in Leipzig und sagt: "Jeder will beweisen, dass er der Bessere ist."

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Die Auslosung der Europa-League-Gruppe hat in Leipzig für große Freude gesorgt – bei den Anhängern von RB Leipzig, aber auch bei den Verantwortlichen. Die Gruppe mit Trondheim und Glasgow ist attraktiv, das Highlight ist aber das Stallduell mit Red Bull Salzburg am Donnerstag. "Wenn man so will, ist es ein Derby", sagt der Macher in Leipzig, Ralf Rangnick. "Jeder will beweisen, dass er der Bessere ist. Über fairen Wettbewerb muss sich keiner Sorgen machen. Da ist so viel Brisanz und Feuer drin."

Im Rest von Fußball-Deutschland wird die Partie zwischen Salzburg und Leipzig wesentlich kritischer gesehen. Die Angst ist groß, dass es eben keinen fairen Wettbewerb geben wird. Besonders das Rückspiel im "Brauseduell" am fünften Spieltag der Europa League wirft Fragen auf: Was passiert zum Beispiel, wenn zu diesem Zeitpunkt eine der beiden Mannschaften bereits ausgeschieden ist? Könnte es dann eine Stallorder von Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz geben?

In den vergangenen Jahren waren vor allem in Leipzig die Bestrebungen stark, alle Verbindungen nach Salzburg zu kappen. Einst war Oliver Mintzlaff noch "Head of Global Soccer" in der Red Bull GmbH, jetzt ist er "nur noch" Geschäftsführer in der Messestadt Leipzig. "Der Gedanke an Absprachen zwischen zwei Vereinen ist nicht mit unseren Werten vereinbar. Wir sind im Sport, da gilt Fairplay", sagt er über das Duell der einst eng verzahnten Klubs.

Ähnlich war es auch bei Rangnick. Der "Professor", wie er wegen seines großen Fußballsachverstandes genannt wird, war einst Manager in Salzburg und Leipzig gewesen. Mit den beiden Personalentscheidungen wurden die ersten Schritte zur Entflechtung getan. "Alle weiteren Schritte wurden jetzt in den letzten zwei Jahren vollzogen", sagt Leipzigs Mastermind.

Der Sanktus der Uefa

Die Uefa hat das, wenn auch mit Zähneknirschen und erst im zweiten Durchgang, durchgewunken. Dabei dürfte die Angst vor einer juristischen Auseinandersetzung zwischen Red Bull und dem Verband eine Rolle gespielt haben – auf beiden Seiten. Der kleinere Verein in Salzburg musste die Kröte schlucken, international als FC Salzburg anzutreten.

Den traditionsbewussten Fans in Deutschland ist das alles zu wenig. Sie lehnen das Modell von Rasenballsport Leipzig grundsätzlich ab. Die gewalttätigen Übergriffe, wie es sie während der Gründungsjahre oder dem ersten Auswärtsspiel in Dortmund gegeben hatte, sind zur absoluten Seltenheit geworden, Plakate mit hasserfüllten Kommentaren oder kleine Sticheleien von Vereinsseite gibt es aber häufig.

25-mal hin oder her

Der Unmut vieler deutscher Fans über das Fußball-Konstrukt von Red Bull ist zum Teil hausgemacht. Vor allem die Wechsel zwischen den Vereinen stehen in der Kritik. 25-mal wechselten Spieler von Salzburg nach Leipzig oder umgekehrt. Im Sommer schoss Salzburg zweimal quer: Sowohl das Interesse an Trainer Marco Rose als auch jenes an Amadou Haidara wurde abgeblockt. Der junge Mittelfeldspieler wird laut Medienberichten aber im Winter der Red-Bull-interne Wechsel Nummer 26 werden.

Sportlich stagnierte Leipzigs Entwicklung zuletzt. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga vor zwei Jahren stürmten die Sachsen unter dem Trainer Ralph Hasenhüttl zur Vize-Meisterschaft. Das schraubte die Erwartungen im Umfeld und in der Klubführung nach oben. Nach der vergangenen Saison wurde Platz sechs fast schon als Enttäuschung gesehen. Im Streit um eine Vertragsverlängerung trennten sich die Wege von Hasenhüttl und Leipzig. Dabei war der Coach bei den Fans über die Maßen beliebt. In den letzten Heimspielen wurde er mit "Hasi, Hasi"-Rufen gefeiert.

In Leipzig selbst ist RB mittlerweile anerkannt. Etwa 80 Prozent der Dauerkartenbesitzer kommen aus der Stadt, meist aus den Vierteln mit gehobeneren Einkommen. Vergangene Saison waren nur noch fünf der 17 Heimspiele ausverkauft. In der ersten Bundesliga-Saison waren es elf gewesen. Durch die Vielzahl an Partien in DFB-Pokal, Champions League und Bundesliga müssen sich viele Fans überlegen, welches Spiel sie sehen wollen. Noch immer liegen die Einkommen in Leipzig klar unter dem Schnitt der Bundesrepublik.

Die aktuelle Spielzeit wird für Leipzig eine besonders herausfordernde. Mit 18 Feldspielern ist der Kader eher klein. Zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte springt Rangnick als Trainer ein, ehe im Sommer mit Julian Nagelsmann eines der größten deutschen Trainertalente nach Leipzig wechselt. Rangnicks Leitfaden: Das Gegenpressing wieder zur alles umfassenden RB-Maxime erheben. Als Manager und Trainer in Personalunion hat er das Saisonziel klar formuliert: "Natürlich wollen wir nach Europa." (Fabian Held aus Leipzig, 18.9.2018)