Designierte erste SPÖ-Chefin: Pamela Rendi-Wagner.

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Die Art und Weise, wie die Abdankung von Christian Kern als Parteichef von statten ging, hat wohl alle überrumpelt, Christian Kern inklusive. Von Chaostagen in der SPÖ war die Rede, Nachfolgekandidaten haben reihenweise abgelehnt.

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Er hat sich etwas feiner ausgedrückt als Franz Müntefering. Doch Christian Kerns Begründung für seinen Rücktritt als SPÖ-Chef läuft auf das Gleiche hinaus, was der einstige SPD-Chef 2004 verkündet hat: "Opposition ist Mist."

Allerdings gab Müntefering damals die Parteiführung nicht auf, sondern trat sie erst an – und hatte davor bewiesen, dass er gute Oppositionsarbeit leisten kann. Kerns Abschiedsworte waren hingegen eine klägliche Absage an eine Kernaufgabe in der Politik: der Regierung auf die Finger zu schauen und Wählern eine Alternative anzubieten. Das macht zwar weniger Spaß als Regieren, ist aber für eine funktionierende Demokratie genauso wichtig.

Man muss Kern zugutehalten, dass sich nur wenige Regierungschefs nach einer Abwahl dieser Herausforderung stellen. Aber dass in den vergangenen Tagen der Eindruck vermittelt wurde, als ob die Führung der größten Oppositionspartei ein sinnloses, gar hoffnungsloses Unterfangen ist, für das man einen Bihänder und dicke Haut braucht und nicht die Intellektualität und Macherqualitäten, die Kern ja für sich beansprucht – das hat Österreichs politische Kultur in keinem guten Licht erscheinen lassen.

Umso mehr Respekt verdient Pamela Rendi-Wagner dafür, dass sie sich den Job zutraut und übernimmt. Anders als ihre Parteifreunde und -freundinnen hat sie offenbar eines erkannt: Harte, aber konstruktive Opposition kann eine dankbare Arbeit sein. Bloß hat Österreich durch die vielen großen Koalitionen wenig Erfahrung damit. Nur Bruno Kreisky und Alfred Gusenbauer haben es aus der Opposition ins Kanzleramt geschafft – und nur einer war dort erfolgreich. Rendi-Wagner kann daher kaum auf Vorbilder zurückgreifen. Das heißt nicht, dass es nicht geht.

Chance, positiv zu überraschen

Gegen ein politisches Naturtalent wie Sebastian Kurz zu bestehen ist zwar schwer. Aber gerade die Skepsis, die Rendi-Wagner aus dem eigenen Lager entgegenschlägt, gibt ihr die Chance, positiv zu überraschen. Schließlich ist Kern auch an den übertriebenen Erwartungen an seine Person gescheitert. Und die FPÖ-Minister mit ihrer Mischung aus Kaltblütigkeit und Dilettantismus geben ideale Zielscheiben für jede Opposition her. Diese Koalition hat genügend personelle und inhaltliche Schwachstellen.

Dabei reicht es nicht aus, auf Fehler der Regierung zu warten, man muss wie im Fußball die gegnerische Fehlpässe in eigene Tore verwandeln. Das setzt neben rhetorischem Geschick auch strategisches Denken und vor allem gute Sachpolitik voraus. Auch wenn die Medien die Opposition bei Sachthemen allzu oft ignorieren, muss eine Partei ein glaubwürdiges Gegenprogramm bieten, damit sie als Alternative ernst genommen wird. Man braucht keine Patentlösungen für jedes Problem, aber mehr als nur Slogans. Die britische Tradition harter Parlamentsdebatten und kompetenter Schattenkabinette gibt der Opposition dort oft eine attraktive Bühne. Vielleicht kann Rendi-Wagner etwas davon übernehmen.

Das Wichtigste für eine Oppositionspartei aber ist ein hohes Maß an Geschlossenheit. Die öffentliche Aufmerksamkeit muss stets auf ihre politischen Botschaften gerichtet sein und nicht auf interne Querelen. Das kann eine Parteichefin nicht allein erreichen, dafür braucht sie die Partei. Das Mindeste, was die zerstrittenen Genossen jetzt tun können, ist, ihre Grabenkämpfe einzustellen und ihrer neuen Vorsitzenden eine Chance zu geben. (Eric Frey, 24.9.2018)