Innenminister Seehofer (rechts) unterstützt Hans-Georg Maaßen.

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Seehofer nach seinem Presseauftritt am Sonntag.

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Berlin/Chemnitz – In Deutschland haben CDU, CSU und SPD ein Scheitern ihres nur ein halbes Jahr alten Regierungsbündnisses vorerst abgewendet. Die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD) verständigten sich am Sonntagabend auf eine neue Lösung im Streit um Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen.

Bei dem nur etwa halbstündigen dritten Krisentreffen innerhalb von zehn Tagen wurde vereinbart, dass Maaßen – wie von der SPD gefordert – den Posten als oberster Verfassungsschützer räumt. Er soll nun Sonderberater in Seehofers Innenministerium werden. Anders als noch am Dienstag vereinbart wird er damit weder befördert, noch erhält er mehr Geld. Maaßen war wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz schwer unter Beschuss geraten.

SPD-Spitze berät

SPD-Chefin Nahles wollte sich noch Sonntagabend die Rückendeckung der engeren Parteiführung holen, die in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung zusammenkam. "Die Koalition wird sich nun wieder der Sacharbeit widmen", zeigte sich Nahles zuversichtlich. Aus Teilen der SPD hatte es Forderungen nach einem Ausstieg aus der Koalition gegeben, wenn die Entscheidung nicht revidiert werde, Maaßen zwar abzulösen, ihn aber gleichzeitig zum Staatssekretär zu befördern. Der SPD-Parteivorstand berät am Montagvormittag darüber.

"Rücksicht auf die Bevölkerung"

Seehofer begründete das Abrücken von der noch am Dienstag vereinbarten Beförderung Maaßens zum Staatssekretär damit, dass die Politik Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen müsse, die den Schritt sehr kritisch gesehen habe. Der bisherige Wohnbau-Staatssekretär Gunther Adler (SPD), der im Innenministerium Platz für Maaßen machen sollte, bleibe im Amt.

Der CSU-Chef bestritt, dass die große Koalition wegen des Streits am Rande des Aus gestanden sei. "Jedenfalls bei all den Besprechungen, die ich geführt habe, war dies bei keinem Zeitpunkt ein Thema", betonte Seehofer. Es habe auch niemand mit einem Koalitionsbruch gedroht, weshalb er die Debatte der vergangenen Tage nicht verstanden habe.

Sonderberater für europäische und internationale Aufgaben

In einer gemeinsamen Erklärung von Merkel, Seehofer und Nahles hieß es, die nun vereinbarte Lösung werde "zügig und zeitnah umgesetzt". Maaßen werde als Sonderberater für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein. Aus der SPD hatte es zuvor Forderungen gegeben, dass er weder für Sicherheits- noch Migrationsfragen verantwortlich sein dürfe.

Die SPD widersprach noch am Abend Darstellungen, wonach Nahles die nun gefundene Lösung am Dienstag abgelehnt habe. "Frau Nahles weist das zurück", sagte ein Sprecher. Seehofer hatte gesagt, die nun getroffene Vereinbarung sei im Grundsatz schon einmal ein Punkt gewesen, den er vorgeschlagen habe.

Koalition beschädigt

Der Streit um Maaßen hat nach Einschätzung der meisten deutschen Bürger die Vertrauensbasis in der Koalition zerstört. 67 Prozent der Deutschen glauben nicht mehr, dass die Parteichefs von CDU, CSU und SPD noch vertrauensvoll zusammenarbeiten können, zeigt eine Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag". Lediglich 27 Prozent trauen ihnen das noch zu.

Auch in der Sonntagsfrage verloren Union und SPD weiter: CDU und CSU büßten zwei Punkte ein und fielen auf nur noch 28 Prozent. Die SPD verlor einen Punkt und kommt nur noch auf 17 Prozent. Damit käme die große Koalition gemeinsam auf 45 Prozent und hätte so wenig Zustimmung beim Emnid-Trend wie nie zuvor. (APA, Reuters, 23.9.2018)