Für die Beschäftigten in der Fahrzeugindustrie werden Löhne und Gehälter ebenso verhandelt wie für tausende in der Stahlerzeugung und bei den Maschinenbauunternehmen in Österreich.

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Die Botschaft der Regierungsspitze an die Lohnverhandler, bei der Herbstlohnrunde "gute Abschlüsse" zu verhandeln, von denen die Arbeitnehmer profitieren, sorgt für Irritation – nicht nur bei Metallgewerkschaftern und Opposition, sie rief am Montag Pensionisten und Beamte auf den Plan.

Nachverhandlungen der vom Nationalrat noch nicht beschlossenen Pensionserhöhung um 2,6 beziehungsweise 2,0 Prozent verlangt der Präsident des (roten) Pensionistenverbandes, Peter Kostelka. Denn Mindestpensionisten drohe mit dieser Anpassung ein eklatanter Kaufkraftverlust, denn der tägliche Einkauf sei zwischen 3,9 und 4,4 Prozent teurer als vor einem Jahr. Deshalb müsse die Pensionsanpassung 2019 schnellstmöglich "neu und richtig" verhandelt werden.

Kaufkraft erhalten

Der Appell "Kaufkraft erhalten" ist in der Herbstlohnrunde, die traditionell von der Metallindustrie eröffnet wird – am Montag war der Teilbereich Fahrzeugindustrie an der Reihe – zwar an der richtigen Adresse, Konsumankurbelung ist damit aber nicht garantiert. Was auf Löhne und Gehälter brutto aufgeschlagen wird, kommt netto – Stichwort kalte Progression – nicht im gleichen Ausmaß auf den Gehaltskonten an.

Die Lohnrunde sorgt in der Regel für Reallohnzuwächse. Sie ist aber nur eine notwendige, allerdings nicht hinreichende Bedingung dafür, dass Haushaltseinkommen steigen, sagt der Einkommensexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Thomas Leoni. Denn Lebens- und Haushaltskosten hängen stark von Vermögen, Sozialbeihilfen etc. ab, weshalb es in der Realität zwischen beschäftigungsintensiven Haushalten und beschäftigungsarmen eine Kluft gibt. Über die Konsumneigung, die angekurbelt werden soll, sagt der Reallohnzuwachs nichts aus, denn er hängt vor allem von den Erwartungen ab, weshalb in einer Rezession meist die Angst vor Jobverlust und damit die Sparquote steigt.

Fest steht als Profiteur einer Lohnerhöhung jedenfalls der Fiskus, denn damit steigt das Lohnsteueraufkommen – auch dank Beschäftigungszuwachses; Gleiches gilt für die Kammerumlage.

Arbeitgeber warnen

Die Arbeitgeber lässt die von der schwarz-blauen Regierung anempfohlene gute Lohnrunde hyperventilieren. Sie warnen seit Wochen vor steigender Lohnquote und galoppierenden Lohnkosten – und der sich abschwächenden Konjunktur, die von Wirtschaftsforschern vorausgesagt wird. Überhaupt sei der behauptete Reallohnverlust ein Mythos. In der Metalltechnischen Industrie, dem größten, aus Maschinenbau- und Metallverarbeitungsunternehmen bestehenden Branchenverband der Metallindustrie, "gibt es durchwegs reale und nominelle Zuwächse", rechnet Verbandsobmann Christian Knill vor. Die durchschnittlichen Istlöhne stiegen demnach seit 2011 um 5,9 Prozent auf 2606,88 Euro.

An der Reallohnreihe lässt sich diese Behauptung nicht ablesen, sie ist allerdings verzerrt durch Teilzeitbeschäftigung. Maßgeblich sind deshalb die Reallöhne pro Stunde. Laut Berechnungen des Wifo ist der reale Lohnverlust nicht so riesig wie vielfach beklagt. Rechnet man Teilzeitverlagerungen heraus, gab es – gemessen jeweils an der Inflationsrate des vorangegangenen Jahres, also zum Zeitpunkt des Abschlusses – fast immer Zuwächse. Die Reallöhne pro Stunde haben sich gesamtwirtschaftlich gut entwickelt, attestiert Wifo-Mann Leoni. Die Inflation wurde in den Kollektivvertragsabschlüssen fast immer abgegolten. Die Lohnpolitik wirke also. "Löhne und Gehälter sind beides", sagt Leoni, "Einkommen und Kostenbelastung."

In der Metallindustrie waren die Zuwächse bei Löhnen und Gehältern in der Regel höher. Deren Berechnung ist freilich komplizierter als die der gesamtwirtschaftlichen, denn die KV-Erhöhung beginnt unterjährig und es wird die Inflationsentwicklung vom September des vorangegangenen Jahres bis zum August des laufenden Jahres zugrunde gelegt. 2017 haben die Metaller die Inflation bei 1,8 Prozent angenommen, geworden sind es aber 2,1 Prozent.

Realität überholt Prognose

Hält sich die realwirtschaftliche Entwicklung nicht an die Prognosen, erschwert dies die Abstimmung über die wirtschaftlichen Kennzahlen, wie heuer. Denn die Metaller wollen gemäß "Benya-Formel" traditionell die Teuerung und den Produktivitätsfortschritt des abgelaufenen KV-Jahres abgegolten wissen.

Die Gesamtwirtschaft hat wohl Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Blick gehabt, als er die Fünf-Prozent-Forderung der Metaller mit BIP-Wachstum und Inflation erklärte. "Die Lohnrunde ist kein mathematisches Spiel", sagt Verhandler Karl Dürtscher von der Privatangestelltengewerkschaft GPA, "sondern es geht darum, die wirtschaftlichen Gegebenheiten abzubilden und die Folgen des Zwölfstundentages." (Luise Ungerboeck, 25.9.2018)