Kritik an der aktuellen Frauenpolitik gab es zuletzt viel. Nächste Woche wird sich zeigen, inwiefern diese Proteste nächste Woche auch durch das Frauenvolksbegehren Ausdruck finden.

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650.000 Unterschriften. So viele sollen es laut Aktivistinnen und Aktivisten des Frauenvolksbegehrenswerden, wie damals im Jahr 1997. Zwanzig Jahre nach dem Frauenvolksbegehren gab es im April 2017 den Auftakt zum Frauenvolksbegehren 2.0. In den 1990ern haben es 644.665 unterschrieben, damit landete es auf Platz acht der zehn erfolgreichsten Volksbegehren – von insgesamt 39. Trotzdem blieben genug offene Forderungen für ein neues Frauenvolksbegehren übrig. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit oder Kinderbetreuung ist ebenso unerledigt wie eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle. Hinzu kamen beim neuen Frauenvolksbegehren eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich, Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein oder kostenlose Verhütung. Insgesamt sind es neun Forderungen, auf die man sich in zähen Diskussionen einigte.

Während der Aktivitäten im Vorfeld des Frauenvolksbegehrens kochten parallel dazu zahlreiche andere frauenpolitische Debatten hoch, österreich- und weltweit: Feministischer Aktivismus in sozialen Medien erreichte durch #MeToo seinen vorläufigen Höhepunkt, zum Jahreswechsel lag ein Programm der neuen Bundesregierung vor, in dem Frauenpolitik auf das Allernötigste reduziert wurde, und mit Juliane Bogner-Strauß trat eine Frauenministerin ihr Amt an, die zahlreichen feministischen Vereinen die Gelder strich. Welche dieser Entwicklungen könnten dem Frauenvolksbegehren nützen, welche schaden? Und welche machen ein Volksbegehren vielleicht sogar obsolet?

Die hohe Hürde 650.000

Ein Frauenvolksbegehren hat mit der Eingrenzung von Themen ein Problem. Die Umsetzung von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen lässt sich nicht mit einer Forderung erreichen. Dieses Ziel ist vielschichtig und reicht von der Autonomie über den eigenen Körper, der Arbeitsteilung bei der Betreuung von Kindern oder kranken Angehörigen über Sexismus in der Werbung bis zur Pensionsschere. Schon die Einschränkung auf neun Forderungen war für das Frauenvolksbegehrenschwierig, in den ersten Monaten waren es noch 15.

Die breite Forderungspalette ist für viele Menschen ein Hindernis, sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Unterstützt etwa jemand die Forderung zur Beseitigung der Einkommensunterschiede voll und ganz, aber die nach einem kostenlosen Schwangerschaftsabbruch absolut nicht, wird es schwierig. "Frauenthemen sind generell wenig einigend", sagt Stainer-Hämmerle. Hinzu komme, dass die Forderungen eher im linken Spektrum angesiedelt seien, was eine breite Unterstützung erschwere. Deshalb würden es 650.000 Unterschriften wahrscheinlich nicht werden, meint sie, was auf zweierlei Arten interpretiert werden könnte: dass im Unterschied zu 1997 heute "eh alles passt" oder dass es nun einmal Wichtigeres gebe.

Die aktuelle Frauenpolitik

"Diese Regierung ist eine Chance für das Frauenvolksbegehren", sagten Schifteh Hashemi und Andrea Hladky von der Initiative kurz nach Antritt der türkis-blauen Bundesregierung. Geplante und teilweise inzwischen umgesetzte Maßnahmen wie etwa der Familienbonus seien für Eliten, kritisierten sie. Angesichts dieses konservativen Backlashs würden sich viele engagieren wollen.

Tatsächlich zeichnete sich das schon im Dezember ab: Zahlreiche Frauenorganisationen und prominente Frauen, darunter die inzwischen verstorbene Autorin Christine Nöstlinger, die Schauspielerin Ursula Strauss oder die Köchin Sarah Wiener, verbündeten sich in einem offenen Brief an die Regierung mit dem Frauenvolksbegehren. Darin forderten sie, "Gewalt, Sexismus, Frauenarmut, Lohnschere und die gläserne Decke" auf die tägliche politische Agenda zu setzen. Doch stattdessen ging die zuständige Ministerin auf Distanz. Wenige Wochen nach ihrem Antritt verkündete Bogner-Strauß, das Frauenvolksbegehren nicht unterschreiben zu wollen. Mit den geforderten Frauenquoten und einer Arbeitszeitverkürzung könne sie nicht mit. "Schade", hieß es von den Aktivistinnen und Aktivisten damals noch gelassen, während sich die Kritik an der Frauenministerin spätestens im Frühjahr deutlich verschärfte.

Nachdem immer mehr feministische Vereine meldeten, dass ihnen Förderungen gekürzt wurden, forderte das Frauenvolksbegehren den Rücktritt der Ministerin. Die Kritik an den Kürzungen bei Vereinen, die das Frauenministerium teilweise seit den 1970er-Jahren unterstützt, schlug über frauenpolitisch engagierte Kreise hinaus hohe Wellen. Trotzdem bleibt es für die Anliegen des Frauenvolksbegehrens schwierig. Noch immer seien die Themen Migration und Zuwanderung dominant, während Frauenthemen derzeit nicht so mobilisieren, so Stainer-Hämmerle.

Tweet oder Like statt Unterschrift?

Realpolitisch haben Volksbegehren keinen großen Einfluss. Sie können aber eine öffentliche Debatte lostreten und Druck auf die Politik ausüben, sagt die Politikwissenschafterin. Das hätte allerdings vor 22 Jahren eine weitaus größere Bedeutung gehabt und würde heute teilweise von sozialen Medien erledigt. Zum Beispiel Twitter, wo mit dem Stichwort #MeToo 2017 eine beispiellose Debatte über sexuelle Übergriffe in Gang gesetzt wurde, die in vielen Ländern und Bereichen konkrete Konsequenzen nach sich zog – von Rücktritten, Kündigungen bis hin zu neu installierten Gesetzen.

Feministische Inhalte bekamen auch schon davor über soziale Medien ein breiteres Publikum und fanden so auch verstärkt Eingang in die klassische Berichterstattung. "Soziale Medien können Volksbegehren aber nicht ersetzen", ist Andrea Hladky vom Frauenvolksbegehren überzeugt. "Ein Volksbegehren ist ein zutiefst demokratisches, partizipatives Verfahren, ohne Manipulation über Google Analytics oder Ähnliches", meint Hladky, außerdem sei bei 100.000 Unterschriften ein parlamentarisches Verfahren verpflichtend. Bei 100.000 Tweets nicht. (Beate Hausbichler, 27.9.2019)