In Mazedonien stimmen die Bürger am Sonntag über den Kompromiss im jahrzehntelangen Namensstreit mit Griechenland ab. Mazedonien will seinen Staatsnamen in Nord-Mazedonien ändern. Damit soll eine Verwechselung mit der nordgriechischen Provinz Mazedonien ausgeschlossen werden.

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Im Gegenzug wird Griechenland sein Veto gegen die Annäherung Nord-Mazedoniens an die EU und die Nato aufgeben. Beide Organisationen haben bereits Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt. "Sind Sie für die Mitgliedschaft in EU und Nato durch die Annahme des Abkommens zwischen Mazedonien und Griechenland?", wird die Referendumsfrage lauten.

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Der mazedonischen Regierungschef Zoran Zaev (Bild) und dessen griechischer Amtskollegen Alexis Tsipras haben im Juni die Vereinbarung über den neuen Namen erzielt. Das Referendum hat für die mazedonische Regierung keine bindende, sondern nur eine beratende Funktion.

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Sie sind heillos zerstritten, aber in dieser Frage sind sich die Albanerpolitiker in Mazedonien einig: Sie animieren ihre Landsleute dazu, beim Referendum über den Staatsnamen Nord-Mazedonien am Sonntag mit Ja zu stimmen. "Wir haben die Sorge, dass viele Albaner denken, dass die Namensänderung ohnehin kommen wird, egal ob sie zum Referendum gehen", sagt der Abgeordnete Afrim Gashi von der Partei Besa. "Denn den Albanern hier ist der Name ja egal, ihnen ist nur der Beitritt zur Nato und EU wichtig."

Die Albaner – etwa ein Viertel der mazedonischen Bevölkerung – sind traditionell proamerikanisch und für die Nato. Anders als in Serbien, wo die Mehrheit der Bürger gegen einen Nato-Beitritt ist, ist die Ablehnung in Mazedonien überhaupt geringer. Umfragen zufolge sind sogar 74 Prozent der Mazedonier für einen Nato-Beitritt. Gashi moniert jedoch, dass es für im Ausland lebende mazedonische Staatsbürger schwierig sein wird, beim Referendum ihre Stimme abzugeben. Denn jene, die etwa in Deutschland leben, mussten schon im Vorhinein nach Berlin zur Botschaft fahren, um sich registrieren zu lassen – die wenigsten würden diese Mühe auf sich nehmen.

Loyale Albaner

Deshalb plädiert Gashi – dessen Partei Teil der Regierung ist – dafür, dass die Verfassungsänderungen auch dann umgesetzt werden, wenn beim Referendum "keine 50 Prozent Teilnahme erreicht werden". Die Mobilisierung der Albaner ist für das Referendum jedenfalls entscheidend. Der neue Premier Zoran Zaev habe gegenüber den Albanern in Mazedonien mehr Respekt gezeigt, lobt Gashi den Regierungschef. "Die Mazedonier haben akzeptiert, dass das Land ohne die Albaner, die loyal zum Staat sind, nicht vorwärts gehen kann", meint er.

Schädlich sei allerdings Propaganda darüber, dass die Albaner das Land ethnisch teilen wollten. Die jüngsten Vorschläge über neue, ethnisch definierte Grenzen auf dem Balkan, die von den Präsidenten Serbiens und des Kosovo, Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi, aufgebracht wurden, haben auch in Mazedonien in dieser Hinsicht Signalwirkung gehabt. "Zurzeit sind die meisten Albaner in Mazedonien darauf ausgerichtet, diesen Staat aufzubauen. Aber wenn man von ethnischen Grenzen redet und diese Büchse der Pandora öffnet, dann ist das sehr heikel und für uns alle schlecht. Denn wir wissen nicht, welche radikalen Gruppen durch diese Vorschläge in Mazedonien entstehen", warnt Gashi. "Es beginnen sofort Diskussionen, ob die Region um Lipkovo in Nord-Mazedonien zum Kosovo kommen sollte oder die Region rund um Debar im Westen zu Albanien."

Geopolitische Dimension

Gashi denkt, dass die ganze Debatte über Grenzänderungen eine geopolitische Dimension hat und "sehr damit verbunden ist, was Russland mit der Krim gemacht hat". Damit meint er, dass Grenzänderungen auf dem Balkan, die von Russland unterstützt werden, auch dazu genutzt werden könnten, die Annexion der Krim im Nachhinein zu legitimieren. Gashi kritisiert auch die Rolle des albanischen Premiers Edi Rama in diesem Zusammenhang. "Das alles hat ja damit angefangen, dass Rama plötzlich begonnen hat, im Namen der Albaner in Mazedonien und im Kosovo zu sprechen", verweist er auf zahlreiche Vorschläge Ramas, die in Richtung Großalbanien gehen und somit indirekt die Grenzänderungsdebatte anheizten.

Tatsächlich gerierte sich Rama in den letzten Monaten immer mehr als Vertreter aller Albaner auf dem Balkan, so wie sich Vučić als Vertreter der Serben sieht. Beide Politiker haben damit zentrale politische Fragen in "ethnische" Fragen umgedeutet. Vučić spricht etwa von "Abgrenzung" zwischen Albanern und Serben. Dabei geht es gar nicht darum, sondern um die Anerkennung des multiethnischen Staates Kosovo.

Wie viele in Mazedonien meint Gashi, dass Mazedonien durch den Beitritt zur Nato aus diesen Dingen herausgehalten werden sollte. Durch einen Nato-Beitritt und eine klare Westausrichtung erhofft man sich jedenfalls mehr Sicherheit. Nach dem Beitritt werden wohl – ähnlich wie in Montenegro – viele der älteren Militärangehörigen, die ihre Wurzeln noch in der Jugoslawischen Volksarmee haben, in Pension geschickt werden. (Adelheid Wölfl, 29.9.2018)