Roky könnte ohne Mühen Knochen durchbeißen. Jeder, der ihn schon einmal Rinderbeine essen sehen hat, weiß das, sagt sein Herrchen Erich Traxler. Dennoch steht Roky, ein ausgewachsener Husky mit langer Schnauze und strahlend blauen Augen, nicht auf "der Liste": jener Liste, die – zumindest in Wien – seit 2010 die Halter dazu verpflichtet, einen Hundeführschein zu machen. Sie umfasst Rassen wie den muskulösen Bullterrier oder den faltigen Mastiff. Und den Rottweiler, der Schlagzeilen macht, seit ein solcher ein Kind zu Tode gebissen hat.

Monatelang, sagt Traxler, musste er Roky trainieren, bis er so weit war, mit ihm spazieren zu gehen. Er holte ihn aus einer serbischen Tötungsanstalt, Roky war verstört, hatte Angst. Heute wälzt er sich in der Hundezone neben der Jesuitenwiese in der Erde, streckt alle vier Beine in die Luft und die Zunge aus dem Mund. Roky hüpft gern auf Menschen, auch auf Fremde, und knabbert an deren Händen. "Aber wehtun würde er niemandem", ist Traxler sicher. Die orange Leine hat er locker über seine Schulter gehängt.

Todesfall sorgt für Diskussion

Die tödliche Verletzung eines kleinen Buben am 10. September in der Wiener Ziegelofengasse wurde zum Politikum. Die Halterin des Rottweilers, der das 17 Monate alte Kind in den Kopf biss, hatte zu diesem Zeitpunkt 1,4 Promille Alkohol im Blut.

Nächste Woche präsentiert das Büro von Ulli Sima (SPÖ), als Umweltstadträtin für Tierschutz zuständig, eine Verschärfung des Wiener Tierhaltergesetzes – die bisher zwölfte Novelle. Sie umfasst laut Simas Büro umfassende Änderungen, unter anderem auch zum Thema Alkohol, und soll noch dieses Jahr in Kraft treten. Im Gespräch ist aktuell eine Alkoholobergrenze von 0,5 Promille für die Besitzer von Listenhunden.

Parallel fordert Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) eine bundesweite Vereinheitlichung der Regeln für Hundehalter. Aus dem Büro der Stadträtin Sima heißt es dazu: "Wir haben in Wien die höchsten Standards, die werden wir nicht verwässern lassen." Sollte eine Harmonisierung kommen, so eine Sprecherin, sollten also die Wiener Gesetze bundesweit ausgedehnt werden.

"Alkohol soll komplett verboten werden, wenn man mit dem Hund unterwegs ist", sagt Bea Rösch. Andi Radlinger, der sie beim Spaziergang durch den Prater begleitet, stimmt ihr zu: "Dann passiert weniger", meint er. Radlinger trägt einen Babytragegurt auf dem Bauch. Die kleine Spitze einer gehäkelten Zipfelmütze lugt hervor.

Rösch ist selbst Frauchen eines Rottweilers, heute hat sie ihn zu Hause gelassen, er sei "unverträglich". Er mag keine anderen Tiere. Darum geht sie nur um halb sieben in der Früh mit ihm spazieren, und nur im Wald. Die Leine wickelt sie dabei doppelt um ihre Hand, ein Beißkorb ist obligat. Hinter den beiden, an der Grenze zum Spielplatz auf der Jesuitenwiese, steht ein Holzbrett. Flugblätter in allen Farben suchen ein neues Zuhause für Hunde aller Rassen, für Happy und Speeki, für Chile und Nichola.

Ob sie Kampfhunde sind oder nicht, das kommt auf das Bundesland an, in dem sie gehalten werden. Während etwa in Wien über 6600 Listenhundehalter einen Führschein machen mussten, muss ein Hund in Tirol nur, wenn er jemanden verletzt, dem Amtstierarzt vorgeführt werden. In Vorarlberg, wo am Montag eine 77-jährige Frau und ihr Ehemann von zwei American Bulldogs attackiert wurde, müssen Kampfhunde vom Bürgermeister bewilligt werden.

Auch Mirela Dujakovic, die mit ihrem kleinen Terrier einen Waldweg entlangläuft, musste dafür keinen Führschein machen. Trotzdem, so erzählt sie, hat sich ein Radfahrer seine Schulter seinetwegen gebrochen. Der Hund war ihm vors Fahrrad gelaufen. "Der Kleine mag keine Raben", sagt Dujakovic. "Und wenn Kinder so auf ihn zukommen", sagt sie und streckt die Arme weit von ihrem Körper, "dann bekommt er Angst und läuft weg." Für mehr Verbote ist Dujakovic nicht, er gebe genügend Regeln, an die sie sich halten müsse. Was zählt, sei: "Bist du imstande, so ein Tier zu halten?"

Expertin gegen Alkoholverbot

Regina Binder von der Veterinärmedizinischen Universität Wien fordert die verpflichtende Ausbildung aller Hundehalter. "Das Gefahrenpotenzial kann nicht an der Hunderasse festgemacht werden", sagt sie. Ein Alkoholverbot anlässlich eines Einzelfalls hält Binder nicht für sinnvoll. "Wichtig ist beim Hundeführen die Zuverlässigkeit", sagt sie, die lasse sich nicht auf Alkohol oder Drogen beschränken. Und diese seien ohnehin bereits im Wiener Tierschutzgesetz festgeschrieben: Dort heißt es in der aktuellen Fassung, alle Tiere seien so zu halten seien, dass "Menschen nicht gefährdet werden": Außerdem müssen Hunde so geführt werden, dass eine "jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet ist".

"Bei Kampfhunden sollte es wie beim Autofahren sein", meint Traxler, der Besitzer von Husky Roky: "Wenn du ang'soffen bist und es passiert etwas, bist du schuld. Wenn du ang'soffen bist und es passiert nichts, musst du eine Strafe zahlen." Traxler sagt, er trinke nie, wenn er mit Roky unterwegs sei. "Man überschreitet damit eine Grenze." sagt er. "Den anderen Menschen gegenüber und dem Hund gegenüber." (Text: Gabriele Scherndl, Video: Isabella Scholda, Andreas Müller, 3.10.2018)