Dietmar Kühbauer hat am Dienstagnachmittag erstmals jene Mannschaft trainiert, von der er immer geträumt hat: Rapid.

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Kühbauer braucht eine dicke Jacke.

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Wien – Am Dienstag um 13.02 Uhr ist Dietmar Kühbauer im Medienraum des Allianz-Stadions erschienen. Sie hatten ihm eine viel zu warme Jacke angezogen, bei Rapid funktionierte zuletzt wenig. Es war jedenfalls der Beginn einer schweißtreibenden Geschichte, die zumindest bis Sommer 2021 dauern soll. Der 47-jährige Burgenländer ist auf dem Höhepunkt seiner Trainerkarriere angelangt. Er ist nun das, was er immer sein wollte: Trainer von Rapid. "Mein Herzensklub, mein Traumklub. Der Kreis schließt sich, ich war hier Spieler, eine unglaubliche Geschichte."

Gemeinerweise war Kühbauer etwas verkühlt, seine Stimme krächzte. Rund 70 Journalisten, gut 20 TV-Kameras, ein Dutzend Fotografen. In St. Pölten, Wolfsberg oder bei der Admira, seinen bisherigen Stationen, waren es halb so viele. In einer kompletten Saison.

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Didi, der Überraschte

Erst am Samstagabend ist er an gleicher Stelle gesessen. Als Coach von St. Pölten, der Rapid mit 2:0 gedemütigt und auf Platz acht befördert hatte. Worauf Goran Djuricin gefeuert wurde. Dass er quasi gleich dableiben würde, ahnte er vielleicht, gewusst hat er es nicht. "Ich bin überrascht." Im Laufe des Montags wurde alles geklärt, Sportvorstand Fredy Bickel verhandelte zäh mit St. Pölten, die Niederösterreicher gaben nach. Kühbauer und sein Assistent Manfred Nastl wollten nur eins, zu Rapid wechseln, nicht eine Sekunde haben sie überlegt. Über die Höhe der Ablöse kann nur gemunkelt werden, der Trainerstab von einem Tabellenzweiten ist kein Schnäppchen, rund 400.000 Euro könnten es gewesen sein. Bickel fasste die Ereignisse der vergangenen Tage zusammen. "Wir wollten binnen 48 Stunden eine Lösung." Der Schweizer führt für den Notfall eine Liste von Kandidaten, das ist nicht geschmacklos, sondern professionell, auch in der Ära Kühbauer wird es eine geben.

Didi, der Wunschkandidat

Der stand jedenfalls ganz oben, ist also keine Notlösung, sondern die erste Wahl im Profil. Er hat Rapid-Vergangenheit, kennt den Klub, die Bundesliga, das Umfeld, den Druck, den Stress, die Erwartungen. Bickel machte auf Wetterfrosch: "In den letzten Wochen, Monaten gab es nicht viel Sonnenschein, nur Wolken, nun blickt die Sonne durch." Über mangelnde Baustellen kann sich Kühbauer nicht beklagen. Andererseits ist der Zeitpunkt der Übernahme gar kein schlechter, schlimmer ist unmöglich. Das weiß er, er traut sich die Aufgabe "absolut" zu.

Kühbauer wirkt gefestigt, glaubwürdig, authentisch, sozial kompetent, er kennt sich im Fußball aus. Zwei Jahre ist er arbeitslos gewesen. "Das war die wichtigste Zeit meines Lebens, ich habe mich hinterfragt." Er sei nach wie vor authentisch. "Aber ich springe nicht wie ein Narr am Platz herum. Ich bin ja meinen Töchtern verantwortlich, sie sollen sich nicht für den Vater genieren."

Didi, der Baumeister

Bei Kühbauers bisherigen Klubs ging es darum, etwas zu verhindern. Er stärkte die Defensive und hatte Erfolg. Bei Rapid muss er nun mehr Gestaltungswillen zeigen. "Die Anforderungen sind andere, man muss offensiv sein. Es nicht eine Frage des Systems, sondern des Erfolgs. Ich orientiere mich beim System an den Fähigkeiten der Spieler, sie müssen es umsetzen."

Rapid ist fußballerisch zu ausrechenbar gewesen. "Für die Gegner in der Liga war es gar nicht so schwierig, man wusste, was auf einen zukommt." Die Mannschaft ist mental schwer angeschlagen. Kühbauer möchte das ändern. "Ich nehme mir die Zeit, die ich nicht habe. Der Druck gehört weg. Den Stress übernehme ich." Er will jeden einzelnen Kicker genau kennenlernen. "Die menschliche Seite ist interessant, die fußballerische kennt man ja ein wenig." Möglicherweise werde er die Intensität erhöhen. "Schwitzen tut keinem weh."

Didi, die Ikone

Seine Rapid-Vergangenheit kann, muss aber nicht nützlich sein. Die Liste der gescheiterten Ikonen ist lang, Hans Krankl ist das Paradebeispiel. Der Goleador sagte: "Wenn Kühbauer Charakter hat, darf er bei Rapid nicht mehr Trainer werden. Sie haben ihn zweimal weggeschickt." Der beim dritten Mal Genommene konterte: "Ich glaube, Krankl hätte es auch angenommen." In St. Pölten habe er definitiv keine Freunde verloren. Sein Appell an die Fans: "Wir brauchen ihre Unterstützung, das heißt aber nicht, dass sie uns Staubzucker in den sogenannten ... blasen sollen."

Am Donnerstag tritt Rapid in der Europa League bei den Rangers an. In Glasgow soll es leicht regnen. Kühbauer braucht eine dicke Jacke. (Christian Hackl, 2.10.2018)