Generalsekretär Peter Goldgruber (li.) und Innenminister Herbert Kickl bei einer Konferenz zu Sicherheit und Migration.

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Innenminister Herbert Kickl setzt neuerdings auf Transparenz.

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Wien – Der Umgang des Innenministeriums mit den Medien hat die nächste Eskalationsstufe erreicht. Als nicht vertrauenerweckend und weitere Grenzüberschreitung bezeichnen Experten die Veröffentlichung von E-Mail- und SMS-Korrespondenz zwischen "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und Mitarbeitern des Innenministeriums (BMI).

Nach einem "Falter"-Bericht zur BVT-Affäre hatte das BMI erklärt, dass Klenk keine Stellungnahme dazu eingeholt habe. Klenk bestritt das, woraufhin die Kommunikationsabteilung des Ministeriums kurzerhand die Korrespondenz mit ihm veröffentlichte.

Ausgangspunkt waren Klenks Recherchen über eine Anfrage des Generalsekretärs im Innenministerium, Peter Goldgruber, beim Verfassungsschutz (BVT). Goldgruber wollte laut "Falter" vor der aufsehenerregenden Razzia im BVT in Erfahrung bringen, gegen welche Burschenschaften das Bundesamt für Verfassungsschutz ermittelt hat.

Das BMI sprach in einer Reaktion von "Interpretationen" Klenks, die "gehaltlos" seien. Klenk habe "leider" im Zuge seiner Recherchen nicht versucht, Goldgruber zu kontaktieren. Um das zu belegen, veröffentlichte die Pressestelle E-Mails und SMS des "Falter"-Chefredakteurs samt seiner E-Mail-Adresse. Daraus geht hervor, dass Klenk um ein Interview mit Innenminister Herbert Kickl und um Gesprächstermine mit Ministeriumssprecher Christoph Pölzl sowie Kabinettschef Reinhard Teufel angesucht hat. Mit konkreten Rechercheergebnissen hat er sie auf diesem Weg nicht konfrontiert.

Verstoß gegen DSGVO möglich

Die Rechtsanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD berät, sieht in der Angelegenheit "kein journalistisches Fehlverhalten" Klenks. In seinem aktuellen "Falter"-Artikel schreibt Klenk über Kabinettschef Teufel: "Teufel war zu keinem Gespräch bereit." Windhager dazu: Klenk behaupte nicht, dass Teufel und andere Ministeriumsmitarbeiter nichts zu den konkreten Vorwürfen sagen wollten, also könne man Klenk auch nicht zum Vorwurf machen, dass er hier "unsauber arbeitet". Allerdings merkt Windhager an, dass es in der Regel immer "ratsam" sei, journalistische Anfragen so konkret wie möglich zu formulieren.

Über die Veröffentlichung der Korrespondenz durch das Ministerium sagt Windhager, dass dies nach der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht zulässig sei. Demnach ist die Verbreitung personenbezogener Daten – und digitale Korrespondenz beinhaltet solche – nur mit Einwilligung der betroffenen Personen erlaubt. Klenk wurde vom Ministerium aber nicht gefragt, ob seine Mails und SMS auf der Website des Ministeriums und in einer Aussendung veröffentlicht werden dürfen.

Ein anderer Rechtfertigungsgrund für die Veröffentlichung sei nicht ersichtlich, sagt Windhager. Eine Behörde könne sich in Erfüllung öffentlicher Aufgaben nämlich auch nicht auf die Wahrung von "berechtigten Interessen" wie etwa der Abwehr von Kritik berufen. Gegen die Veröffentlichung könne daher eine aussichtsreiche Beschwerde an die Datenschutzbehörde eingebracht werden, so die Rechtsanwältin.

Private E-Mail-Adresse veröffentlicht

Der Medienrechtsexperte Michael Pilz sieht ebenfalls die DSGVO verletzt, und zwar insbesondere wegen der Veröffentlichung der E-Mail-Adresse: "Es hätte vollkommen gereicht, die Texte der E-Mails zu veröffentlichen", so Pilz. Einen Verstoß gegen das Briefgeheimnis sieht Pilz in diesem Fall nicht.

Wie angekündigt wandte sich die Pressestelle des Innenministeriums an den Presserat. Das Selbstkontrollorgan wird bei der nächsten Sitzung am 24. Oktober prüfen, ob ein Verfahren eingeleitet wird, um zu klären, ob Klenk das Gebot der "Genauigkeit" verletzt hat.

"Pranger für Journalisten"

Das Vorgehen im konkreten Fall, sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek, sei "nicht förderlich für das Vertrauen zwischen der Pressestelle des BMI und den Journalisten". Einen schärferen Ton schlägt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, an: "Es handelt sich hier um die gezielte Verhetzung und Verleumdung von Journalisten, um diese unglaubwürdig zu machen. Offenbar versucht der Innenminister einzelne Journalisten an den Pranger zu stellen."

Dem Innenministerium sei es nur um eine "Richtigstellung" gegangen, begründet Alexander Marakovits, Leiter der Abteilung Kommunikation im Ministerium, die Vorgehensweise der Presseabteilung. Klenk habe zwar um ein Interview mit Kickl angefragt, nicht aber konkretisiert, worum es gehe. Dass es jetzt Usus werde, Journalistenanfragen an das Ministerium öffentlich zu machen, verneint Marakovits.

Er verweist bei der Veröffentlichung der E-Mails auf das Medienrecht und den Anspruch auf eine Gegendarstellung: "Mit der Veröffentlichung des Mailverkehrs wird dargelegt, dass sich Herr Klenk eben nicht um eine Stellungnahme im gegebenen Zusammenhang bemüht hat, sondern eine allgemeine Interviewanfrage stellte." Juristen des Ministeriums sähen dadurch weder die DSGVO noch das Briefgeheimnis verletzt.

Rechtsanwältin Windhager sagt, dass die Pressestelle des Ministeriums "kein Medienunternehmen" sei und die Ausnahmen, die für Medien gelten, nicht für sich beanspruchen könne. (Olivera Stajić, Oliver Mark, 2.10.2018, Update: 3.10.2018)