Am 4. Februar 2000 wurde die Regierung Schwarz-Blau I unter wilden Protesten angelobt. Monatelang demonstrierten Tausende.

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Der Ballhausplatz wird wieder zum Ausgangspunkt des Protests gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition. Donnerstagabend wollen sich Demonstranten an jener Adresse zu einer Kundgebung versammeln, an der auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sein Büro hat. "Ab 4. Oktober ist wieder Donnerstag!", heißt die Facebook-Gruppe, die dafür wirbt. Gut 4.000 User haben ihre Teilnahme angekündigt, doppelt so viele sind interessiert. Mit dabei ist die 21-jährige Alisa Vengerova, sie bewarb die Demo mit einem Video: "Bei der ersten Donnerstagsdemo war ich drei, jetzt bin ich mit dabei." Die Wiener Physikstudentin empört sich über den Regierungskurs: "Ich kann Sozialabbau nicht akzeptieren, Geld darf niemals vor Menschen gestellt werden." Sie will jeden Donnerstag demonstrieren.

Einer der Veranstalter ist Can Gülcü, er spricht von einer Initiative von Privatpersonen, die sich als "Organisationsknotenpunkt" sehen. "Wir wollen der Zivilgesellschaft die Rolle verschaffen, die ihr zusteht", sagt der Universitätslektor. "Gerade in einer Zeit, in der die Oppositionsparteien mehr mit sich selbst beschäftigt sind, wollen wir gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft einstehen." Die Organisatoren wollen an die Demonstrationen aus dem Jahr 2000 anschließen, als gegen die erste schwarz-blaue Regierung protestiert wurde. Aber: "Lauter, lustvoller und kämpferischer" als damals soll gezeigt werden, wie wenig die Teilnehmer von der Politik von ÖVP und FPÖ halten.

"Wiener Wandertage"

Bei der Nationalratswahl 1999 hatte die FPÖ unter Jörg Haider den zweiten Platz erreicht, die drittplatzierte ÖVP stellte mit Wolfgang Schüssel den Kanzler. Zur Angelobung in die Hofburg gelangten die Regierungsmitglieder wegen der Proteste unterirdisch durch einen Tunnel unter dem Ballhausplatz zu Bundespräsident Thomas Klestil. Anfangs wurde täglich demonstriert, später dann immer donnerstags, mit tausenden Teilnehmern.

Die "Wiener Wandertage" zeugten noch lange vom Protest gegen die Regierung. Ebenfalls im Februar 2000 ging die "Botschaft der besorgten Bürger" in Betrieb – ein Zelt gegenüber dem Bundeskanzleramt, später erweitert um einen Container. Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hielt dort eine Lesung ab; nun veröffentlichte sie den Text "Oh, du mein Österreich! Da bist du ja wieder!". Thematisiert werden "Polizeipferterln", die Erregbarkeit der Massen und "die Dirndl-Außenministerin".

Symbol der Polarisierung

Politikwissenschafter Peter Filzmaier sieht die Donnerstagsdemos als "ein Mosaikstück, ein Symbol, das für die Polarisierung der österreichischen Gesellschaft in diesem Jahrhundert steht". Nach einer langen Zeit der Konsensdemokratie durch die große Koalition habe sich anno 2000 ein Bruch offenbart, der tief in den gesellschaftlichen Bereich hineingehe. Die Donnerstagsdemos seien "beliebt bei politisch Gleichdenkenden", hätten aber keine Politisierung einer ganzen Generation bewirkt. Vielmehr gab es eine "Mediatisierung": Junge Menschen seien zu ähnlichen Prozentsätzen politisch aktiv, organisierten sich aber über soziale Medien und nicht mehr in parteinahen Organisationen.

Zwei große Hürden sieht Filzmaier. Politischer Aktivismus brauche eine zeitliche Perspektive und ein Ziel. "Die nächste Wahl ist voraussichtlich vier Jahre entfernt." Außerdem spreche die Empirie gegen eine danach veränderte Lage: Seit 1983 hat es in Österreich stets Mitte-rechts-Mehrheiten gegeben. Nur durch die Zersplitterung des rechten Lagers sei es ab 2007 wieder zu SPÖ-ÖVP-Koalitionen gekommen. Die neuen Demos wollen in vielfältiger Form Alternativen zeigen. Für den Auftakt hoffen die Organisatoren auf bis zu 10.000 Besucher, die Polizei geht von zwei- bis viertausend Teilnehmern aus. (Aaron Brüstle, 4.10.2018)