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Paul Biyas Konterfei ist omnipräsent in Kamerun.

Foto: REUTERS/Zohra Bensemra

Das Gesicht der 63-jährigen Mary hat viele tiefe Falten. Die Frau, die rund zehn Kilometer vom Zentrum der Wirtschaftsmetropole Douala entfernt lebt, ist mager und weiß manchmal nicht, wie sie ihre vier Kinder und die vier Enkel durchbringen soll, mit denen sie zwei Räume teilt. "Wir haben gerade einmal drei Plastikstühle", zeigt sie auf die zerkratzten Sitzflächen und betont, dass sie ihren ganzen Namen lieber nicht nennen will. Obwohl sie schon seit Monaten in der zweitgrößten Stadt des zentralafrikanischen Staates mit knapp 25 Millionen Einwohnern lebt, fühlt sie sich noch immer auf der Flucht. Nachts hört sie zwar keine Schüsse mehr. Doch die Erinnerungen bleiben.

Schwer bewaffnete Gendarmerie im anglophonen südwestlichen Landesteil.
Foto: APA/AFP/MARCO LONGARI

Die siebenfache Mutter stammt aus der Provinz Südwest, die mit der Provinz Nordwest die englischsprachige Region bildet. Etwa 20 Prozent der Kameruner leben dort. Grund für die Zweiteilung ist die Kolonialzeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die einst deutsche Kolonie unter französisches und britisches Mandat gestellt. Im Zuge der Unabhängigkeit entschied sich der britische Teil für eine Einheit mit dem französischen Kamerun und gegen die Zugehörigkeit zum Nachbarland Nigeria.

Alte Trennlinien

Mary, die zwei Jahre vor der Vereinigung geboren wurde, erinnert sich noch gut. "Als ich ein Kind war, schien noch alles in Ordnung zu sein. Dann fingen aber die Benachteiligungen an." Keine Jobs, keine politischen Ämter, Ungerechtigkeiten bei der Vergabe von Stipendien. Sie listet viele Probleme auf. Andere Kameruner hätten ähnliche Erfahrungen gemacht. Doch als 2016 die französische Sprache im Schul- und Justizsystem Einzug halten sollte, reichte es den Anglophonen endgültig, sodass es Proteste gab.

Mittlerweile sind diese so eskaliert, dass Separatistengruppen wie die Ambazonia Fighters schwer bewaffnet sind. Die Regierung hat ihrerseits den Krieg ausgerufen. Soldaten bezeichnen laut Augenzeugen sogar Kinder als Terroristen. Sie werden verhaftet, verschleppt und nur gegen die Zahlung großer Summen – knapp jeder vierte Kameruner lebt unterhalb der Armutsgrenze und hat weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung – freigelassen. Andere werden ermordet.

300.000 Binnenflüchtlinge

Im Februar wurde auch einer von Marys Söhnen angeschossen und wochenlang in der Bezirkshauptstadt Buea behandelt. An eine Rückkehr ist seitdem nicht mehr zu denken. Das heißt auch, dass Mary am kommenden Sonntag nicht wählen wird. "Ich weiß auch nicht, ob ich es gewollt hätte", sagt sie knapp. Damit geht es ihr so wie 300.000 Binnenflüchtlingen. Im Norden sind außerdem 238.000 weitere vor der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram auf der Flucht.

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Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Foto: REUTERS/Zohra Bensemra

Im August kritisierte der Direktor für West- und Zentralafrika am Nationalen Demokratie-Institut (NDI), Christopher Fomunyoh, bereits, dass die Wahl verfrüht sei. Tatsächlich haben sich laut Wahlkommission Elecam nicht einmal 6,6 Millionen Menschen registriert.

Zerrüttete Opposition

Genau das könnte Amtsinhaber Paul Biya stärken. Der 85-Jährige ist seit 1982 an der Macht und soll seine Zeit vor allem mit medizinischen Aufenthalten in der Schweiz verbringen. Die Krankenakte ist jedoch ein gut gehütetes Geheimnis, und über Details wird nur spekuliert. Es ist genau dieser Stillstand, der die Jugend – knapp 62 Prozent der Einwohner sind unter 25 – nervt.

Jean Louis Boya, der ein kleines Logistikunternehmen betreibt, gehört dazu. "Junge Menschen brauchen ganz dringend Arbeit und Perspektiven", sagt der 39-Jährige. Er unterstützt deshalb die Kampagne von Cabral Libii (38), dem mit Abstand jüngsten Kandidaten. Libii, der als Intellektueller gilt, ist es in den vergangenen Tagen tatsächlich gelungen, viele Tausend Menschen anzulocken. Er will beispielsweise eine Krankenversicherung einführen.

Von einem Machtwechsel gehen Beobachter aber nicht aus. Neben Libii und Biya stehen schließlich noch sieben weitere Bewerber auf dem Stimmzettel. Der Opposition ist es wieder nicht gelungen, sich auf einen Kandidaten festzulegen. Auch das Schmieden von Oppositionsbündnissen gilt schon jetzt als schwierig. Die Ergebnisse müssen binnen 15 Tagen nach der Wahl bekanntgegeben werden. (Katrin Gänsler aus Douala, 5.10.2018)