Foto: Veronika Huber

Pro: Politisch klug

von Irene Brickner

Um nur 18.431 Stimmen hat das Nichtraucherschutz-Volksbegehren Don't smoke die Marke von 900.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern verfehlt, ab der nach dem Jahr 2022 möglicherweise automatisch eine bindende Volksbefragung stattfinden soll. Dieser knappe Ausgang mehrt Stimmen, die von der Bundesregierung fordern, das Volk direkt über ein strengeres Rauchverbot entscheiden zu lassen: Volksabstimmung jetzt.

Diese Stimmen haben recht. Im vorliegenden Fall wäre die Bundesregierung gut beraten, sich durchzuringen, die Frage des Umgangs mit dem blauen Dunst im Rahmen einer Volksabstimmung allen wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreichern zu überantworten. Dass sie das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht tun wird, ist vor allem der Koalitionsräson geschuldet: Die FPÖ, die sich in der Opposition sehr für den Ausbau der direkten Demokratie starkmachte, will nun die überzeugten Raucher in ihrer Wählerschaft nicht vergrämen.

Nun zeigen gerade Initiativen der FPÖ die gesellschaftsspaltenden Potenziale der direkten Demokratie auf. Man denke etwa an das auf Verschärfung der Ausländerpolitik abzielende Österreich-zuerst-Volksbegehren im Jahr 1992. Doch so riskant, weil missbrauchbar, die direktdemokratischen Mittel auch sind: Es gibt Situationen, in denen politische Klugheit es angeraten erscheinen lässt, auf sie zurückzugreifen – um einer weiteren Zerrüttung des Vertrauens in die parlamentarische Demokratie entgegenzuwirken.

Eine solche Situation besteht jetzt: Der Beschluss von Türkis-Blau, auf die von der Vorgängerregierung geplante Verschärfung des Rauchverbots in der Gastronomie zu verzichten, hat polarisiert. Der Wunsch der Kritiker, das abzuändern, hat sich in der Volksbegehren-Initiative Bahn gebrochen. Die Initiative konnte die hochgeschraubten Voraussetzungen für künftige Abstimmungen fast erfüllen.

Eine derart geballte Ladung an politischem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern ins Leere laufen zu lassen ist falsch: Das Misstrauen gegen den repräsentativen Parlamentarismus nährt sich nicht zuletzt durch die Erfahrung, den Volten der politischen Repräsentanten wehrlos ausgeliefert zu sein. Also wäre es richtig, das Volk – sprich alle Wahlberechtigten – bei Sachthemen wie dem Rauchen direkt entscheiden zu lassen. Dazu sind Volksabstimmungen da.

Kontra: Gefährliche Versuchung

von Eric Frey

Es ist für alle Verfechter eines allgemeinen Rauchverbots in der Gastronomie verlockend, nach dem Erfolg des Don't-smoke-Volksbegehrens nun nach einer Volksabstimmung zu rufen. Und das tun auch manche Vertreter der Opposition, die die Regierungspläne für eine Ausweitung der direkten Demokratie bisher skeptisch gesehen haben.

Aber dieser Versuchung sollte man widerstehen. Das Volksbegehren macht nämlich deutlich, wie gefährlich das Vorhaben ist, bei einer bestimmten Zahl von Unterschriften ein bindendes Referendum vorzuschreiben.

Es beginnt bei der Schwelle. Zu Recht fragen sich viele, warum 900.000 Unterschriften ab dem Jahr 2022 eine Volksabstimmung erzwingen würden, die 881.569 Unterschriften, die Don't smoke erhalten hat, aber nicht. Aber wenn man die Mindestzahl senkt, wie es die FPÖ ja wünscht, dann öffnet man Tür und Tor für weitaus weniger seriöse Anliegen. Wenn schon 880.000 Unterschriften reichen, warum nicht 500.000 oder gar nur 250.000? Dann gäbe es nun auch zur Freude der FPÖ eine bindende Abstimmung über die ORF-Gebühren.

Und gerade Gesundheits- oder Umweltthemen eignen sich nicht für direkte Demokratie. Das sind komplexe Fragen, die Expertenwissen voraussetzen. Die Stimmung im Land ist zwar derzeit gerade für ein Rauchverbot. Aber hätte man das Volk 1984 über die Einführung der Gurtenpflicht abstimmen lassen, dann hätte die Mehrheit wahrscheinlich Nein gesagt. Eine Abstimmung über Tempo 140 oder gar 160 auf den Autobahnen hätte heute hingegen eine gute Chance auf Erfolg, allen Umweltschäden und Todesfolgen zum Trotz.

Auch wenn es in der Schweiz mehr oder weniger funktioniert: In Österreich sind verpflichtende Volksabstimmungen der falsche Weg. Die meisten Fragen sind zu komplex, um nach einer aufgeheizten Kampagne mit Ja oder Nein beantwortet werden zu können. Parteien und Boulevardmedien haben meist einen überdimensionierten Einfluss auf das Ergebnis. Natürlich soll in die Gesetzgebung auch die öffentliche Meinung miteinfließen. Aber die Verantwortung muss bei Volksvertretern bleiben, die dafür gewählt worden sind.

Der Verzicht aufs Rauchverbot ist ein Fehler, der noch tausende Menschen das Leben kosten wird. Verantwortlich dafür sind ÖVP und FPÖ. Die Wähler sollen sich dazu unbedingt äußern – bei der nächsten Nationalratswahl.

(Irene Brickner, Eric Frey, 9.10.2018)