Das international vielgerühmte finnische Pflichtschulsystem unterscheidet sich auf mehrfache Weise wesentlich von jenem in Österreich.

Notenpflicht gibt es für die Sieben- bis 15-Jährigen keine. Den einzelnen Schulen steht es bis zur neunten Schulstufe frei, wie sie die Leistungsbeurteilung und das Feedback über den individuellen Lernfortschritt des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen gestalten wollen. Im Fall der Fälle gilt eine Skala von eins bis zehn, wobei zehn die beste Note ist.

Auf die gezielte Motivation des Lernenden wird im finnischen System ausdrücklich hoher Wert gelegt – eine Haltung, die sich auch in der Beurteilung niederschlägt. Ob bei der laufenden Erhebung des Lernfortschritts schriftliche oder mündliche Tests durchgeführt werden oder von Lehrkräften auf andere Art beobachtet und dazu Ziffernnoten oder stattdessen eine verbale Beurteilung gegeben werden, gilt als gleichwertig.

Eines geht jedenfalls nicht: Die unkommentierte Vergabe von Ziffernnoten ist im finnischen Schulsystem laut Gesetz nicht zulässig. Häufig wird in den Schulen auf eine Kombination von Noten und einer schriftlicher Beurteilung gesetzt.

Als Mindestanforderung gilt jedenfalls, dass jede Schülerin und jeder Schüler mindestens einmal im Schuljahr beurteilt wird. In der Regel geschieht dies am Ende des Schuljahres. Dann wird im Rahmen von Gesprächen der Schuldirektion mit den betroffenen Lehrkräften entschieden, ob der jeweilige Lernende in die nächsthöhere Schulstufe aufsteigen kann. Auch die Eltern werden in diese Entscheidung eingebunden.

Im dreijährigen Gymnasium, dessen Besuch nicht von der Schulpflicht umfasst ist, gilt in Finnland auch während des Jahres bei den laufenden Leistungsüberprüfungen Benotungspflicht.

Politisch neutral

Das finnische Schulsystem folgt im Wesentlichen den Empfehlungen von politisch neutralen Bildungsexperten. Es wurde zum Großteil bereits im Laufe der 1970er Jahre in der heutigen Form eingeführt und zuletzt 1996 in größerem Umfang reformiert.

Dadurch, dass Finnland im internationalen Vergleich – Stichwort Pisa-Studie der OECD, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – seit Jahrzehnten bei den Schulleistungen im Spitzenfeld liegt, wird das System kaum kritisiert.

Aussagen darüber, ob die finnische Schulregelung einem rigiden Benotungssystem wie beispielsweise in anderen europäischen Ländern oder in Asien, überlegen ist oder nicht, kann aus den guten Ergebnissen jedoch nicht abgeleitet werden. Zuletzt hatten nämlich auch Länder wie Singapur, Japan oder China Top-Positionen in der vielbeachteten OECD-Studie belegt. (Andreas Stangl, 10.10.2018)