Ein E-Auto hat sparsam, windschlüpfrig, spartanisch und bieder zu sein. Genau so haben wir uns das lange gedacht. Doch dann stellte Jaguar den I-Pace nicht nur auf die Räder, sondern im gleichen Atemzug auch gleich auf die Rennstrecke.

Der I-Pace ist jeder Rennstrecke gewachsen.
Foto: Jaguar Land Rover

Alles Wissen, das wir uns über E-Autos angeeignet hatten, war auf einmal historisch. Ob es darum ging, dass ein starkes E-Auto beim dritten Mal Vollgasgeben von jedem Dackel überholt wird, weil alle Kabel und Akkus überhitzt sind und die Systeme aus dem letzten Loch pfeifen. Oder dass dir Fahrwerk, Lenkung und Bremsen vor jeder Ortstafel den kalten Schweiß auf die Stirn treiben, weil die Abstimmung eines Autos mit schmalen, reibungsarmen Reifen und hohem Gewicht nun einmal nicht so einfach ist.

Schnee von gestern

Das alles gibt es beim I-Pace nicht. Da trifft ein tiefer Schwerpunkt auf eine knackige Lenkung, ein sportliches Fahrwerk und auf eine Bremse, auf die wir noch genauer eingehen werden müssen.

Weder Antrieb noch Bremsen des E-Jaguar scheitern an den Herausforderung der Rundstrecke.
Foto: Jaguar Land Rover

Jedenfalls: Auf einmal kann man ein E-Auto auf einem Formel-1-Kurs fahren, ohne dass einen in der zweiten Runde die Fotografen am Außenring mit den Mopeds überholen. Ganz im Gegenteil. Ein ordentlich gut bedienter I-Pace wird manch einem noch unbedarften F-Type-Fahrer auf der Rennstrecke die Flüche aus dem Helm jagen, dass es peinlich ist.

Volle Galerie

Natürlich, der 575 PS starke, kompressorunterstützte F-Type SVR macht auf der Rundstrecke nicht nur Spaß, sondern fordert klare Brems- und Einlenkpunkte. Jaguar war sich nicht zu schön, gleich ein paar Vergleichswageln mit auf den Red-Bull-Ring zu bringen: Sechs- und Acht-Zylinder F-Type und auch XE.

Natürlich greifen Sie am Red-Bull-Ring sofort zu einem F-Type, wenn man Ihnen die Wahl der Waffe überlässt. Außer, das Rennen findet am Handling-Parcours statt. Dann sollten Sie das Brüllen aus dem Sechs- oder Acht-Zylinder gegen das künstliche Fahrgeräusch im I-Pace tauschen.
Foto: Jaguar Land Rover

Der I-Pace steht dem F-Type – und dem XE erst recht – auf der Rennstrecke um nicht viel nach. Geradeaus 400 PS schicken die beiden E-Motoren an die Räder. Und das Feinste, jetzt kommen wir zu den Bremsen: Die Rekuperation ist im Racemodus so stark, dass man sich an manchen Stellen das Anbremsen sparen kann.

One-Pedal-Feeling heißt das dann. Und das wiederum heißt, dass man auch in der dritten Runde noch frische Bremsen hat, während die Gegner schon mit dem Fading kämpfen und beim ersten Verbremser natürlich gnadenlos durchgereicht werden. Weil: Am Kurvenausgang braucht man sich mit dem I-Pace nicht anlegen. Nicht unter 200 km/h.

Wahl der Waffen

Also nicht, dass wir uns jetzt falsch verstehen: Wenn man Sie am Ring vor das Jaguar-Arsenal stellt und Ihnen die Wahl der Waffe lässt, dann greifen Sie natürlich zum F-Type. Sechszylinder. Es geht ja nicht ums Eindruckschinden, sondern um die Zeit.

Was Jaguar vielmehr demonstrieren will, ist, dass sich die Grenzen der E-Mobilität – nein, dass sie selbst, Jaguar, die Grenzen der E-Mobilität verschieben, weg von fad, hin zu "Noch eine Runde und ich reiher ins Handschuhfach".

Und auch dieser Jaguar macht auf der Rundstrecke Spaß.
Foto: Jaguar Land Rover

Die Bergstrecke – die Wochenendrunde übers Gaberl oder den Tulbingerkogel, die Nockalmstraße – wird eine neue Ära erleben. Superleise, unriechbar, aber sauschnell.

Klar, bei der Reichweite hat der F-Type die Nase vorn. Obwohl, wer glaubt, dass er im I-Pace dem Ladestand regelrecht beim Sinken zuschauen kann und nach jeder dritten Runde blattlleer an die Steckdose muss, irrt gewaltig.

Wasserkraft

Die 400 Kilometer gehen sich auf dem Ring zwar nicht aus, aber die Wahrscheinlichkeit, dass eher Sie ein Wasser brauchen als der Elektro-SUV einen Strom, ist so groß, dass wir drauf wetten würden.

So kurzweilig kann E-Mobilität sein.
Foto: Jaguar Land Rover

Und so vergisst man, sich über das Design zu freuen, das man bei der Ankunft am Ring noch bewundert hat. Stimmt es also doch, schön sein allein ist nicht alles. Es müssen auch die Kurven passen. (Guido Gluschitsch, 18.10.2018)